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Reisetagebuch

11/17/2004   Malawi / Chitimba

Christo

Unsterbliche Liebe

(Harald) Mein Fruehstueck nehme ich mit Christo ein, einem Londoner um die 60, der seit 30 Jahren in der ostlichen Haelfte Afrikas als Bauingenieur taetig ist.

Wir sitzen unter einem Strohschirm an einem runden Betontisch, die Wellen des Sees brechen sich am Strand, es gibt richtigen Kaffee.

Christo zeigt auf der Michelin-Karte mit dem Finger auf seine Projektgebiete in Aethiopien, Sued-Sudan, Uganda, Kenia, Tansania usw.: "Diese Strasse haben wir gebaut, hier eine Bruecke, hier eine Muehle, dort eine Brauerei..."

Wir sprechen ueber die katholische Kirche. Der Papst, die Kirche, sagt er, leisten hier in Afrika eine schreckliche Arbeit, wenn sie den jungen Leuten Enthaltsamkeit predigen und Kondome verbieten. Somit, sagt er, foerdere die Kirche die Verbreitung von Aids ohne es zu wollen, verschliesse aber die Augen vor der Realitaet.

Und wir sprechen ueber die Liebe. Was denn fuer mich das Wichtigste sei, fragt Christo mit verschmitztem Laecheln. Das Wichtigste, aber nicht das einzig Wichtige im Leben, sei fuer mich die Liebe, antworte ich ihm.

Die Liebe...Es dauert eine Stunde, bis ich eine Erklaerung fuer die Schwere seiner Sprechweise, den Ernst in seinem Wesen unter dem offensichtlichen Humor bekomme. Christo sagt: "Sehen Sie, Harry, meine Frau ist vor fast 10 Jahren an Brustkrebs gestorben, wir haben 2 erwachsene Soehne." Er entschuldigt sich fuer das Kommende. "Meine Frau ist jetzt schon so lange tot, und, ist es nicht seltsam?- ich liebe sie immer noch, ich kann nicht aufhoeren sie zu lieben. Einem guten Freund von mir, ebenfalls Witwer, geht es genauso. Man liebt einen Menschen, der garnicht mehr da ist, nur noch im Herzen."

Was soll auf meinem Grabstein stehen, frage ich mich beim Zeltzusammenpacken. "Ich habe geliebt" waere nicht schlecht.

Obwohl Christo so lange in Afrika taetig ist, mit tausenden von Afrikanern gearbeitet hat, kommt er zu einem altbekannten Schluss, was die Entwicklungsmoeglichkeiten Sub-Sahara-Afrikas betrifft: "Die" wollten einfach nicht arbeiten, es fehlte der Wille. Malaysia sei zum selben Zeitpunkt unabhaengig geworden wie Malawi und was habe man dort bisher alles erreicht, im Gegensatz zu hier. Ich kann dazu nichts sagen, ich weiss nichts ueber Malaysia und zu wenig ueber Afrika.

Damit bedient er ein uraltes Klischee, ein Vorurteil. Nicht jedes Vorurteil ist falsch, nicht jedes Klischee zeigt ein irriges Bild. Ich habe diese Auffassung schon oft gehoert und auch von Menschen, die es auf Grund ihrer beruflichen Taetigkeit wissen sollten, wie z.B. von Missionaren, Ingenieuren und UN-Mitarbeitern.

Ich selbst sehe stets diese Frauen und Maedchen vor mir, die 20, 30 Kg Wasser oder Holz schleppen, ich sehe die jungen Maenner vor mir, die auf den Ein-Gang-Raedern 60,80 und mehr Kg Wasser, Holz und Mais transportieren, die Berge hochschieben. Ich sehe vor meinem inneren Auge die Jungs, die den ganzen Tag in Staub und Dieselruss ihre Kartons und Verkaufstafeln zu den Busfenstern hochrecken, an den Grills und Fuerstellen stehen, um ein paar Maiskolben zu verkaufen. Ich sehe die LKW- und Minibusfahrer, die fuer einen Hungerlohn 12 Stunden fahren, ich sehe die weiblichen Bedienungen, die zwischen grapschenden, betrunkenen Gaesten arbeiten. Die Schuhputzer, die auf Guertelniveau in die Welt schauen und anderer leute verschwitzte Treter reinigen. Die Geishas, Muetter mit Kindern fast alle, die keiner mehr heiraten wird, die ihre Freundlichkeit und ihren Koerper fuer 10 Euro oder weniger anbieten.

Und alle fragen mich verwundert: Arbeiten wir nicht hart genug, versuchen wir nicht unser Bestes?

Ich mag Christo, er ist ein hoeflicher, freundlicher Mann, er fragt die Bedienung nach ihrem Namen, er lobt sie und macht ihr ein Kompliment fuer ihre Arbeit und als das Maedchen sagt, sie sei 12 Jahre alt und 1987 geboren, korrigiert er sie so vorsichtig, dass sie nicht verlegen wird und ohne Scham laechelt. Christo ist kein Rassist, aber diese Ansicht ueber afrikanische Arbeitseinstellung ist sein Urteil.

Erlaedt mich nach London ein und schenkt mir seinen Reisefuehrer fuer Malawi, der 15 Dollar wert ist. "In London steht immer ein Bett fuer dich Harry, o.k.? Wir sehen uns da wieder, ich bin bald pensioniert, und dann erzaehlst du mir mehr von der Reise deines Lebens."

“Aber der Papalagi” (Weisse”) hat uns nie die Wahrheit und die Einsicht gebracht, warum wir mehr arbeiten sollen, als Gott es von uns verlangt, um satt zu werden, ein Dach ueber dem Haupte zu haben und Freude am Feste auf dem Dorfplatz…() Lasst uns ihm zurufen: Schweige mit deiner lauten Stimme, deine Worte sind uns Brandungslaerm und Palmenrauschen, aber nicht mehr, solange du selbst nicht ein frohes und starkes Gesicht und blanke Augen traegst, solange das Gottesbild nicht aus dir strahlt wie eine Sonne. Und wir wollen uns ferner schwoeren und ihnen zurufen: Bleibe von uns mit deinen Freuden und Luesten, deinem wilden Raffen nach Reichtum in den Haenden oder nach Reichtum in dem Kopfe, deiner Gier, mehr zu sein als dein Bruder, deinem vielen sinnlosen Tun, dem wirren Machen deiner Haende, deinem neugierigen Denken und Wissen, dass doch nichts weiss. Allen deinen Narrheiten, die selbst deinen Schlaf auf der Matte ruhelos machen. Wir brauchen das alles nicht und begnuegen uns mit den edlen und schoenen Freuden, die Gott uns in grosser Zahl gab…das ist: uns untereinander lieben und viel Talofa im Herzen machen (samoisch: “Ich liebe dich”- gleichzeitig der uebliche Gruss).

Erich Scheuermann: “Der Papalagi-Reden eines Suedseehaeuptlings”, Verlag Bastei Luebbe

geschrieben am 25.11. in Lilongwe


 


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