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Reisetagebuch

11/18/2004   Malawi / Rumphi

Suedsee in Malawi

Ein Traumstrand und Indian Summer in Afrika

(Harald) Ein Bad im Malawi-See, den die Tansanier bei seinem alten Namen “Nyasa” nennen. Das gegenueberliegende, tansanische Ufer ist als im Dunstschleier blau erscheinende Bergkette zu erkennen. Der gestrige Sturm hat sich gelegt, trotzdem wirft der Wind Wellen wie an der Ostsee auf, im Wasser treiben im morgendlichen Sonnenlicht silbern glitzernde Mineralplaettchen von Glimmer, als ob mich eine kostbare Fluessigkeit umgaebe. Kein Salz auf der Haut, in den Augen, die Haare sind hernach nicht steif. Suedseeatmosphaere mit Palmen, weissem Sand, blauem Meer, Einbaeumen am Ufer, Fischern draussen auf dem Wasser, Muettern mit ihren Juengsten beim morgendlichen Bad, dass Rauschen des Windes in den pinkfarben bluehenden Bougainvilleen-Bueschen.

Ich atme tief durch, mache der Enge meiner Brust Luft, atme gleichsam Ruhe, Frieden und Schoenheit ein, die endlich, nach langer Zeit wieder, mein Herz erreicht.

Ich seife mich ein, lasse die Wellen den naechtlichen Schweiss abschwemmen, treibe auf dem Ruecken und sehe hinauf in den Himmel meiner Lieblingsfarbe: ein Hellblau, gemischt mit Weiss und Ahnung von Grau. Ich bin versucht das suesse Wasser zu trinken, weil beim Tauchen die Augen nicht traenen.

Auf einem Einbaum liegt mein Handtuch, dahinter die Bambushuetten und Flechtmatten der Campsite, mein Zelt, dass ich in Windeseile zusammenpacke, dann gutgelaunt den Radfahrtag starte. Abschied von Makadera, dem freundlichen Betreiber, der mir noch sein Leid mit der malawischen Buerokratie klagt: Vor ueber vier Jahren wurde die Teerstrasse erneuert, dass wusste er schon lange, wenn auch nie klar wurde, wann denn nun mit dem Bau begonnen werden wuerde.

Was ihm aber niemand angekuendigt hatte, war, dass der Verlauf der Strasse geaendert wurde. Ploetzlich standen eines Morgens die Bulldozer vor seiner Campsite und begannen mit dem Niederwalzen seiner Huetten und Zaeune. Es half kein Bitten und Klagen und seitdem schreibt Makadera Eingaben, Nachfragen, Bittschreiben- ohne Erfolg. Die Regierung sagt, die Baufirma muesse den Schaden ersetzen, diese sagt, sie habe den Schaden bereits an die Regierung bezahlt, die das wiederum ableugnet. Fuer einen Anwalt hat Makadera kein Geld mehr und die Gerichte, sagt er, muessten fuer ein zeitiges Urteil etwas “unterstuetzt” werden. Der 42-jaehrige hat kaum Gaeste, weil er keine Elektrizitaet hat, deren Anschluss so teuer ist, dass er sich auch dies nicht leisten kann.

Im Gaestebuch habe ich einen Eintrag vom 1.4.2004 gefunden: Jasper Day und Emma Wallaker waren hier, das Paerchen, dass ich auf der Faehre von Assuan nach Wadi Halfa kennengelernt habe und das mit mir von dort ein paar hundert Kilometer Richtung Karthum gefahren ist. Das ist schon mehr als ein Jahr her.

Auf die Strasse! Nach 15 km erreiche ich Chitemba, ein Doerfchen am Abzweig einer unbefestigten Strecke nach Livingstonia von der M1, der streng genommen, einzigen Asphaltstrasse des Landes nach Sueden.

Livingstonia ist eine englische Missionsstation, die hier 1894 gegruendet wurde. Die Briten hatten zunaechst in Cape Mcclear, am suedlichen Ufer des Sees, eine Mission gegruendet, diese dann aber letztlich, wegen des heissen Klimas und der haeufigen Malaria, hierher und 900 Meter ueber Seeniveau verlegt. Auf den tafelbergartigen Huegeln rechts ueber mir liegt der Ort Khondowe, in dem die Missionsgebaeude heute noch benutzt werden.

Die schottischen Missionare hatten sich seinerzeit vorgenommen, gegen den in Malawi fuerchterlich wuetenden Sklavenhandel der Araber vorzugehen.

Seinen Namen erhielt die Mission zu Ehren des Forschers Dr. David Livingston.

Die lehmige Strasse fuehrt vom Abzweig ca. 15 km steil bergauf und oben wuerde mich ein fantastischer Ausblick ueber den See und das Bergland belohnen, wenn es denn nicht so diesig waere und dieser kleine Ausflug mich einen ganzen Tag kostete. Schweren Herzens verzichte ich auf den Aufstieg, auch, weil es keinerlei Busverbindung gibt.

Ich erreiche am Mittag Chiweta, den Abzweig nach Nkhata und Mzuzu. Die Strasse entlang des Seeufers ist vielleicht schoener, jedoch unbefestigt und heisser und am Seeufer kommt Malaria haeufig vor. Ausserdem ist diese Strecke ueber 100 km laenger als die Bergstrecke nach Mzuzu, wo es ausserdem auch Internetverbindung gibt.

Also staerke ich mich kurz und klettere dann anderthalb Stunden lang bergauf ueber die Teerstrasse nach Mzuzu. Hier oben ist es auf etwa 1300 m windig- kuehl. Die Landschaft ist wunderschoen, der Ausblick auf den See, die z.T., wie im Indian Summer, buntbelaubten Baeume und hinueber nach Livingstonia, von dem mich eine grosse Schlucht trennt.

Der Schweiss rinnt in Stroemen, als ich mich in der Mittagshitze nach oben kaempfe. Oben setze ich mich in den Schatten des schmalen Vordachs eines Ladens und kleinen Restaurants auf eine Mauer. Die meisten Gaeste sind Arbeiter der gegenueber liegenden, kleinen Steinkohlegrube. Mit russigen Gliedern sitzen sie hier und trinken Bier aus 1-Liter-Pappkartons, die wie Joghurtbehaelter aussehen. Vor dem Restaurant liegen dutzende der leeren Kartons, selbst die Inhaberin verteilt sie dort. Die Frau spricht Englisch, wie viele ihrer Landsleute, wenn auch mit einer Aussprache, die schwer verstaendlich ist- afrikanisches Englisch halt, an dass man sich erst gewoehnen muss. Selbst Englaender haben mir erzaehlt, dass sie manchmal nicht alles verstuenden.

Sie fragt mich, warum ich diese Reise mache. Ich bin so oft gefragt worden und weiss immer noch keine kurze Antwort, die der Wahrheit entspraeche. Es gibt ein Konglomerat von Beweggruenden und Zielen, deren Gewichtungen auch im Laufe der Zeit gewechselt haben. Erst am Ziel werde ich es besser wissen und im Rueckblick klarer sehen.

Ich bin muede, muss mich aufraffen weiter zu fahren. Noch einen Kilometer geht es aufwaerts, dann belohnt mich eine lange Abfahrt und Rueckenwind fuer die Anstrengung.

Hinter der Gipfelkette liegt eine Hochebene mit grossenteils gerodetem Laubwald und Feldern, so weit das Auge reicht. Die Erde hier ist rostrot, weisse Quarzadern durchziehen die Haenge, vor mir hopsen Heuschrecken von der Strasse, deren rote Fluegel in der Sonne aufleuchten.

Stammestrachten habe ich seit den Massai in Suedtansania nicht mehr gesehen, man traegt allerorten Hosen, Hemden, T-Shirts und die Frauen bunte Tuecher um Kopf und als Roecke.

Ich erreiche Rumphi, ein Dorf am Markttag, voller Menschen, die an Holzstaenden und auf Plastikplanen am Boden ihr Angebot ausbreiten.

An einem Stehgrill esse ich zaehe Rindfleischbrocken, die man ankauen, aber nur als Ganzes schlucken kann, mit frischen Kochbanenstuecken, die wie zu gross geratene Pommes frites aussehen. Alles mit viel Salz gegessen, denn das verliere ich beim Schwitzen in grossen Mengen. Ein Fleischbrocken kostet etwa 10 Cent, ein Stueck kleinfingergrosser Banane 1 Cent, der Standbetreiber zaehlt mit.

Gegenueber gibt es ein Guesthouse, die Abstellkammer voller Muecken ohne Netz kostet 2 Dollar, es ist bruetend heiss unter dem Wellblechdach, Musik droehnt und das Beste: die Bettwaesche ist dreckig, dass Kopfkissen ist dunkelgrau vor Schmutz. Der Rezeptionist bringt neue Waesche, die er offensichtlich schnell im Nebenzimmer abgezogen hat, denn als ich das muffige Laken ausbreite, ist es voller waessriger Blutflecke. Der Mann sagt, er habe keine sauberen Laken. Manchmal geht mir Afrika wirklich auf den Geist, Freunde! Auf meine Frage, was denn so schwierig daran sei, pro Tag 6 Laken zu waschen, erhalte ich natuerlich keine Antwort.

Ich radle also stadtauswaerts, es ist schon dunkel. Mit der Taschenlampe suche ich mir einen Zeltplatz. Hier ist der Boden zu uneben und staendig laufen Leute vorbei. Dort findet gerade eine Trauerfeier statt.

Schliesslich sehe ich im schwachen Mondlicht links der Strasse ein Feld, ich schiebe vorsichtig durch die Akazienbuesche hinunter und in den hinteren Winkel des Feldes. Niemand bemerkt mich, ich klaube und rupfe die Stachelzweige weg und baue mein Heim auf, esse ein paar Kekse und kaum im Zelt, fallen mir die Augen zu.

geschrieben am 25.11. in Lilongwe


 


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