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Reisetagebuch

11/22/2004   Malawi / Mponela

Ein Satz blutiger Ohren

Nachrichten aus Zimbabwe

(Harald) Aufbruch um 9 Uhr. Kasungu gefaellt mir nicht- ueberall Abfall, es ist laut und hunderte von schmutzigen Holzstaenden um den Busbahnhof verunzieren die ganze Innenstadt (eigentlich "Innendorf"). Hier haengen sich mir die Taugenichtse an, die an einem kleben, um irgendwie Geld rauszuschlagen.

Morgens geniesse ich auf die Schnelle noch eine warme Dusche, packe meine beiden Taschen und ab gehts. Kasungu liegt auf einer Ebene, die nur von einigen Flusssenken durchzogen wird.

Schon nach 20 Minuten auf dem Sattel fuehlen sich meine Vier Buchstaben an, als ob ich schon den ganzen Tag unterwegs sei. Und Gegenwind, Gegenwind... Meine Beine sind muede, mein Atem ist kurz. Die letzten Wochen waren anstrengend und der gestrige Mammuttag steckt mir in den Knochen.

Ich erreiche gg. 14 Uhr, nach 65 km, die Ortschaft Mponela, bis Lilongwe sind es noch 70 km und ich spuere: das ist heute nicht mehr drin, nicht mit diesem Gegenwind.

Im oertlichen "Suprette-Supermarket" werde ich zum ersten Mal mit "Der Weihnachtszeit" konfrontiert, denn die Angestellten tragen weisse Kartonbaender um den Kopf, auf denen Weihnachtsdekorationen aufgedruckt sind. Ich muss lachen, denn dieser wochenlange Kaufrausch hat also schon die malawische Provinz erreicht. Konsum gewordener Glaube.

Mit Joghurt und Schokolade in der Tuete komme ich aus dem Laden und will mich auf meine Zeltunterplane unter dem Vordach in den Schatten des Ladens setzen, als mich ein aelterer Herr anspricht, der einen der alten, mit sandfarbenem Stoff ueberzogenen Tropenhelme traegt, wie man sie nur aus Kinofilmen und von alten Fotografien her kennt und der Zeitung lesend auf den Stufen sitzt. Er ist dickbaeuchig, freundlich, grauhaarig und spricht gut Englisch.

Wie sich herausstellt, wurde er in Zimbabwe geboren und heisst Joseph. Er raet mir sofort von einer Fahrt durch sein Herkunftsland ab, dass sei gefaehrlich. Nachdem wir eine Weile geplaudert haben, laedt er mich ein, ihn zu besuchen. Aus seinem ungepflegen Aeusseren kann ich ablesen, was mich da wohl erwartet, aber ich stimme trozdem zu.

Josephs Frau begruesst mich in seinem Compound, ein junger Mann aus der Nachbarschaft hilft den Beiden bei der Hausarbeit. Haus und Hof machen einen fast verwahrlosten, aermlichen Eindruck.

Joseph erzaehlt aus einem Leben, aus der Militaerzeit bei den Englaendern, Fotos zeigen ihn als Corporal mit Stoeckchen stramm vor seinen Mannen marschierend. Aus dieser Zeit stammen auch seine Sprachkenntnisse.

Joseph hat acht Kinder und ist sehr glaeubig, was er sehr bald kundtut. Das Ehepaar hat 8 Kinder und er fragt mich, ob ich es nicht fuer eine Suende halte, keine Kinder gezeugt zu haben, dass sei Gottes Wille, den er durch die Bibel kundgetan habe. Nun, es sei mal dahingestellt, ob es Gottes Wille auch noch entspraeche, wenn die Erde so uebervoelkert waere, dass man auf Sansibar so dicht stuende, dass die Ersten mit den Fuessen schon im Wasser stehen. Und ob es besser waere, Millionen schon jetzt nicht versorgen zu koennen und troztdem immer weiter zu machen, als seien die Erde und ihre Ressourcen unendlich und wohlverteilbar.

Wie in Kenia und Tansania, ist man auch in Malawi oft penetrant, wenn es um den christlichen Glauben geht. Ueberall stehen die Kirchen der 7-Tage-Adventisten, der Evangelisch-Luthrischen und die Koenigsaele der Zeugen Jehovas. Und in Gespraechen dauert es nicht lange, bis einer fragt, welcher Kirche man angehoere, ob man an Gott glaube. Da schwingt stets Missionseifer mit, den ich nicht leiden kann. Da laeuft so offensichtlich viel nicht so, wie der Glaube es vorgibt, und trotzdem preist man sich so als Vorbild an. Wie war das doch gleich mit dem Splitter und dem Balken..?

Ich entschliesse mich, dass Angebot eines Bettes fuer die Nacht anzunehmen, denn der Himmel hat sich zugezogen und kuendigt baldigen Regen an.

Joseph fragt mich, ob ich ihm von Deutschland aus schreiben werde. Nein, werde ich nicht, was soll ich ihm etwas vormachen. Ich habe diese Frage unzaehlige Male gehoert und wenn ich in Mailkontakt bleibe, kommt mit der 2. oder 3. Mail dann stets die Frage nach Geld- weil die Mutter krank ist, weil es mit dem Job nicht geklappt hat, ein Geschaeft nicht laeuft usw. Zeitlich, emotional und finanziell kann ich diese Kontakte nicht halten und da ich weiss, worauf es hinauslaeuft, will ich auch keine Hoffnungen wecken.

Es ist wirklich schmutzig hier, aber die Leute sind nett. Ich kaufe fuer uns alle ein: Brot, Oel, Mangos und Milch. Drausse sitzt Joseph im Dunkeln mit einem kleinen, demolierten Kofferradio und hoert Nachrichten aus Zimbabwe und was er mir uebersetzt, beschreibt schlechte Verhaeltnisse dort.

Man hat mir liebevoll ein Bett mit Mueckennetz hergerichtet und ich schlafe gut.

In der Nacht wecken mich die vier Hunde des Compounds, weil sie sich eine Beisserei mit einem Nachbarhund liefern und am Morgen haengen mehrere Ohren in blutigen Fetzen.

geschrieben am 6.12. in Tete (Mosambique)


 


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