12/1/2004 Mosambik / Ulongwe
Keine Wahl der Qual
Aufenthalt in der mosambikanischen Provinz
(Harald) Am Morgen ist Oles Fieber stark gesunken und wir gehen zum Krankenhaus. Ein Bluttest zeigt, dass Ole keine Malaria habe, aber da er Prophylaxetabletten nimmt, kann das Testergebnis auch falsch sein. Ole fuehlt sich in jedem Fall zu schwach, um heute weiterzufahren. Ich habe mich entschlossen, meinen Zeitplan, auch notgedrungen, endgueltig aufzugeben und die Ereignisse auf mich zukommen zu lassen. Ich mag Ole jetzt deswegen nicht einfach zuruecklassen, wir haben uns gemeinsam ein Ziel gesetzt. Auf der anderen Strassenseite befindet sich im Gebaeude einer Grundschule ein Wahlbuero. Als ich dort auftauche und um Erlaubnis bitte, ein paar Aufnahmen machen zu duerfen, wird mir dies untersagt. Meine Frage, warum es verboten sei, die Wahlkabinen und die Wahlhelfer zu fotografieren, wird nicht beantwortet, ich braeuchte eben eine schriftliche Erlaubnis, wenn ich Journalist sei. Selbst einer der Wahlbeobachterinnen der Suedafrikanischen Union werden Aufnahmen untersagt. Da ist der Sozialismus noch aktiv, das freiheitliche Denken wohl noch nicht ganz angekommen. Der Ablauf ist dem unserer Wahlen aehnlich, wir Europaeer sind da mit Amerika ja Vorbild. Allerdings ist man hier nicht so gut organisiert, dass jeder nur in seinem Wahlbuero, an seinem Wohnort waehlen kann und somit "abgehakt" wird. Ich bin seit Jahren als Wahlhelfer in Deutschland taetig und daher interessiert und belustigt, als ich sehe, wie man das Problem der Registrierung loest: jeder, der gewaehlt hat, muss einen Finger in eine nicht abwaschbare Tinktur tauchen die erst rot und nach ein paar Stunden schwarz wird. Jeder, der zur Wahl kommt, haelt vor den Wahlhelfern also erstmal beide Haende in die Luft, dreht sie um und bekommt dann den Wahlzettel erklaert, verschwindet dann in einer der beiden mit blauem Plastik verkleideten Wahlkabinen usw. Da nur zwei grosse Parteien relevant sind, faellt die Entscheidung einfach, denn die politischen Programme sind sehr gegensaetzlich. Die Frelimo will eine sozialistische bis sozialdemokratische Regierungsform und faehrt damit bisher ganz gut, die Renamo ist westlich, marktwirtschaftlich orientiert. Die Mosambikaner trauen den Weltbankprojekten, den Grosskrediten und -projekten und dem freien Handel nicht, all dem, was dann auf sie zukommt. Der Tourismus hat sich in Mosambik an der Kueste sehr gut entwickelt, der Handel verstaerkt sich etc. So sind bisher noch viele Waehler mit der Regierung weitgehend zufrieden. Mich wundert, dass mehr Frauen als Maenner hier zum Waehlen erscheinen. Aber dies ist ja eine der positiven Auswirkungen einer sozialistischen Regierungsform, dass Frauen den Maennern gleichgestellt werden. Es gibt in Ulongwe kein Internet, nicht mal ein Computer ist erreichbar, da die Wahl auf zwei hiesige Feiertage gelegt wurden und alles geschlossen ist. Gefeiert wird allerdings nicht. Morgen gehts weiter, mich draengt es vorwaerts. geschrieben am 20.12. in Pretoria
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