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Reisetagebuch

12/2/2004   Mosambik / nahe Zobue

Der Gast als Gottessegen

Zu Gast bei Exfluechtlingen

(Harald) Auf den Tischen im Hotel stehen Reiter mit der Aufschrift: "Visakarte wird akzeptiert". Leider stellt sich das als falsch heraus. Ole hat kein Bargeld, um zu bezahlen und da heute ein Nationalfeiertag ist, ist die Bank geschlossen. Die Hotelmanagerin hat mir ihre Visitenkarte gegeben und ihre private Handynummer und ich solle ihr unbedingt Nachricht geben, wenn ich in Maputo bin. Und zudem hat sie uns alle Mahlzeiten geschenkt, die wir hier zu uns genommen haben. Das ich bei ihr einen Stein im Brett habe, zahlt sich jetzt aus, denn sie vertraut uns, dass wir unsere Rechnung von Tete aus begleichen.

Die Sonne scheint, froehliche Gesichter am Strassenrand, wir geniessen die Landschaft. Felder, dunkelbraun und fett, die wenigen Baeume sind alle gezeichnet vom Holzschlag, ueberall stehen mit Holzkohle gefuellte Kunststoffsaecke am Strassenrand. Streckenweise zeigt sich aber noch an Berghaengen, wie es hier mal urspruenglich ausgesehen hat: ein Urwald aus Mischwald und hohen Bueschen, die jetzt z.T. schon gelb bluehen, Grasbueschelflaechen und abgestorbenes Altholz, Akazien aller Formen, Granitbloecke und ausgespuelte, sandige kleine Schluchten, in denen nach den kurzen, heftigen Regenfaellen Schlammlawinen alles mitreissen, was sich in ihrem Weg befindet.

Pause unter einem kleinen Baum, in der Naehe machen sich Strassenbauarbeiter abfahrbereit, als wir es uns gutgehen lassen. Nuesse, Schokolade.

Spaeter faengt Oles Rad wieder an zu knarzen, das Treten faellt schwerer, 20 km lang geht das noch gut, dann blockiert das Tretlager endgueltig. Aus. Stillstand. Feierabend. Oles Gesicht drueckt Ratlosigkeit aus, er sitzt wie ein Haeufchen Elend am Strassenrand. Mir ist klar, was jetzt kommt, ihm ist das Aufgeben ins Gesicht geschrieben. Ich schlage zwar vor, er solle nach Tete mit einem Transporter vorfahren, dort sein Rad reparieren lassen und auf mich warten, aber Ole mag nicht mehr, das Rad ist einfach Schrott und kann immer wieder ausfallen, so macht ihm das Fahren keinen Spass mehr.

Wir halten einen LKW an, das Rad wird aufgeladen, eine Umarmung, gute Wuensche und zack! bin ich wieder alleine.

Ich hatte mich auf den gemeinsamen Tripp zu den Viktoriafaellen gefreut und einen Reisekameraden genossen, mit dem ich viel gelacht habe. Aber es ging ja auch vorher alleine.(Tage spaeter erhalte ich eine Mail von ihm und er ist schon zurueck in Deutschland)

Einer der vielen Radfahrer auf ihren schwarzen 28-Zoll-Raedern aus China, Marke Phoenix, versucht mal wieder, mit mir Tritt zu halten. Auf seinem verstaerkten Gepaecktraeger liegt ein 20-kg-Sack Mais, den er nach Hause bringt. Erst grinse ich ihn an, weil er sich soviel schwitzende Muehe gibt, mich zu ueberholen, dann kommen wir ins Gespraech. Er ist waehrend des Buergerkrieges nach Sambia geflohen, wie viele seiner Landsleute und hat dort Englisch gelernt. Als die Waffen schwiegen, ist er zurueckgekehrt und hat eine Familie gegruendet. Da ich es heute, nach ueber 90 km, nicht mehr viel weiter schaffe, nehme ich die Einladung an, zwischen den Huetten der Familie mein Zelt aufzuschlagen.

Dort empfaengt mich seine Frau und sein Bruder, der trotz seiner jungen Jahre selber schon verheiratet ist und einen Sohn hat, ein zweites Kind ist offensichtlich unterwegs. Hier wird, wie in Malawi, Tchichewa (sprich Tschitschewa) gesprochen.

In der Dunkelheit sitzen die Maenner gespannt um das einzige kleine Kofferradio herum und hoeren die Nachrichten aus Maputo ueber den Ausgang der Wahl. (Das Auszaehlen dauert allerdings eine ganze Woche, bis dann die Frelimo als haushoher Gewinner feststeht).

Wir sitzen im schwachen Licht einer Oellampe auf einer Bastmatte und essen gemeinsam- heisst: die Maenner essen, die Frauen sitzen in der Dunkelheit und warten, bis wir gegessen haben. Wie ueberall in Afrika sind sie auch im ehemals sozialistischen Mosambik auf dem Land und im Alltag des Familienlebens dem Mann untergeordnet. Sie holen Wasser und Feuerholz, sie kaufen ein, kochen, reinigen Huette und Hof, sie betreuen die Kinder, sie bringen uns eine Plastikschuessel und einen Becher mit Wasser, giessen uns Maennern daraus Wasser ueber die Haende, wie es vor jedem Essen Sitte ist. Sie servieren, sie raeumen ab und spuelen, waehrend wir Maenner uns um die wichtigeren Dinge kuemmern, z.B. um die Weltpolitik...

Ich frage, warum die Familie nach Sambia geflochen sei. Der 22-jaehrige Bruder sagt, dass die RENAMO im nahe gelegenen Matenge in den Bergen eine ihrer grossen Militaerbasen hatte und die Bewohner der Umgebung verdaechtigte, die Frelimo zu unterstuetzen und deswegen "Zeichen" setzte, indem sie ganze Familien umbrachte. Von Graeueltaten ist die Rede, von Kindern die im Maisstampfer erschlagen werden, von Toetungen der Eltern vor ihren Kindern- eben all den Folgeerscheinugen eines brutal gefuehrten Buergerkrieges, wie wir lange gegelaubt haben, dass es sowas bei uns in Europa nie mehr geschehen koenne, bis es in Jugoslawien losging und wir erkennen mussten, wie duenn die Decke der Zivilisation stets ist: man mache nur das Licht aus...

Ich frage die Maenner, ob sie Solches mit eigenen Augen gesehen haetten. Nein, haben sie nicht, aber Geruechte gehoert und diese reichten aus, um die ganze Gegend zu entvoelkern und die Nachbarlaender mit Fluechtlingen zu ueberschwemmen, Laender, die selber kaum in der Lage waren, ihre eigene Bevoelkerung zu versorgen, so wie das heute z.B. im Tschad ist, in den viele Fluechtlinge aus dem Sudan geflohen sind.

Die Menschen hier haben viele Verschwoerungsideen verinnerlicht, von Schuld des Auslandes an Missstaenden iat die Rede- klingt fuer mich sehr nach Propagandaergebnissen.

Eines der Geruechte, die eine Wahl der Renamo in die Regierungsverantwortung verhindern, sagt, dass diese die Portugiesen wieder nach Mosambik holen wolle und diese Grossfarmen aufbauen wollten und die Kleinbauern ihr Land an diese verlieren wuerden. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand ernsthaft das Rad der Entwicklung so gefaehrlich weit zurueckdrehen wuerde, wo es in Mosambik doch gerade in Schwung kommt und sich das Land vom Krieg zu erholen beginnt.

Mosambik profitiert gerade vom Zusammenbruch des Tourismus in Simbabwe, sowie der hohen Kriminalitaet in Suedafrika.

Zwei stark angetrunkene Frauen kommen, Nachbarinnen, sie wollen mich begruessen und knien sich auf beide Knie vor mich hin und nehmen meine rechte Hand in beide Haende und beugen ihren Kopf ehrerbietig vor mir. Sie loben den Lieben Gott und spaeter kommt eine von ihnen wieder und schenkt mir 500 Meticas, etwa 5 Cent, denn ein Reisender als Gast ist ein Gottessegen.

Die Nacht ist herrlich kuehl, es regnet zwar, aber am Morgen scheint die Sonne.

geschrieben am 23.12. in Krefeld


 


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