12/3/2004 Mosambik / 15 km vor Moatiz
Zikadenkonzert
Zwei Radreisende auf dem Weg nach Spanien
(Harald) In der Sonne trocknen Zelt und Unterplane schnell, meine Gastgeber lassen es sich sogar nioht nehmen, auf den Knien die Plane zu reinigen. Ich gebe etwas Geld, dass ohne zu zoegern angenommen wird, dann schwinge ich mich auf meinen Drahtesel, winke ueber die Schulter und nehme den Weg zwischen die Beine. Ich erreiche den Abzweig nach Blantyre, der groessten Stadt Malawis, folge aber der Strasse Richtung Sueden, die alsbald an einer Gelaendekante steil abfaellt, was mir einen schoenen Ausblick gewaehrt. Es geht zwei Kilometer steil bergab, ich schreie mir die Lebensfreude dabei aus dem Hals, es ist fuer mich immer der schoenste Moment, wenn ich nach langer Muehe bergab flitzen kann, der Fahrtwind mich kuehlt und die Beine sich erholen koennen. Nach ein paar Kilometern kommen mir zwei Radreisende entgegen. Es sind Spanier, die in Harare vor ein paar Tagen losgefahren sind und ueber Kairo entlang der Nordkueste Afrikas nach Marokko und Spanien fahren wollen. Die beiden haben einen Sonnenbrand dritten Grades auf den Unterarmen, die mit vielen weissen Brandblasen ueberzogen sind, worum sie sich allerdings nicht zu scheren scheinen. Wie es Sitte ist unter Radreisenden, werden wieder Informationen ausgetauscht, wobei ich diesmal der Ausgefragte bin: wie ist es im Norden Kenias? Ich gebe die Adresse Leudschis weiter, meines Samburufreundes aus Lokologo. Wie ist es in Aethiopien? So gefaehrlich und nervenbelastend, wie ihr es schon gehoert habt. Und im Sudan? Sand, Hitze, Schieben, Nilwasser trinken, aber sehr nette Leute, jede Menge Einladungen und absolute Sicherheit. Nach ueber einer Stunde trennen wir uns (ich stehe mit den Beiden auch heute noch in Mailkontakt). Drohend ziehen graphitfarbene Wolken ueber mir dahin. Ihre Zugrichtung entspricht nicht der Windrichtung, die am Boden vorherrscht. Ich schone mich nicht, um den am Horizont erkennbaren schraeg fallenden Regenschauern davonzufahren. Ich passiere einen Weiler, die Strasse ist mit etwa 20 hohen Baeumen gesaeumt, aus denen ein ohrernbetaeubender Laerm erklingt: Zikadenmaennchen auf Brautschau, bzw. -ruf. Ich halte an einem grossen Baum, unter dem ein paar Maenner Siesta halten und mich mit breitem Lachen begruessen. Ich nehme mir einen Stock und schleudere ihn hinauf ins Blattwerk und tatsaechlich faellt ein dunkelbrauner Brocken herab, der auf halbem Weg zum Boden Fluegel bekommt und brummend, etwas schwerfaellig, davonsegelt. Die Maenner versuchen die Zikade mit der Handflaeche "abzuklatschen", als das nicht gelingt macht sich einer eifrig bemueht auf und binnen ein paar Minuten halte ich eine Zikade aus einem Nachbarbaum in der Hand. Die Viecher sehen aus, wie eine Kreuzung von Fliege und Heuschrecke, mit einem keilfoermigen Koerper. Ich frage, ob hier die Zikaden gegessen werden. Ja, sicher heisst es und sogleich steckt sich einer die Zikade in den Mund und kaut sie, speit sie aber gleich wieder aus, denn normalerweise werden sie zunaechst gewaschen, geroestet, geoelt und gesalzt und erst dann genossen. Am spaeten Nachmittag erreiche ich einen kleinen Laden, vor dem eine junge Frau sitzt, hinter dem Haus spielen zwei Kinder. Ich trinke eine Cola und will die letzten Kilometer nach Moatiz fahren, aber es faengt an zu regnen. Ich bin auch muede und die Frau ist nett, weshalb ich mein Zelt hinter dem Haus aufbaue. 50 Meter weiter steht ein ausgebranntes Restaurant, ringsum mit Einschuessen uebersaeht. Wie gluecklich wir in Deutschland sein koennen, dass uns solch ein Krieg seit 60 Jahren erspart geblieben ist. geschrieben am 25.12. in Krefeld
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