12/10/2004 Mosambik / Nyamapanda
Flanierreisen
An der Grenze zu Zimbabwe
(Harald) Die beiden Franzosen sind am Morgen schon abgefahren. Die Jungs fahren jeden Tag mindestens 120 km, oft um die 150 km. Da geht es dann doch mehr um den sportlichen Aspekt und die Aussage "wir sind durch Afrika mit dem Fahrrad gefahren." Unterhalte ich mich mit solchen Radrennfahrern, stellt sich schnell heraus, dass sie sich auch bei den Aufenthalten wenig Zeit nehmen. Da bleibt dann wenig Gelegenheit fuer persoenliche Begegnungen, das Bummeln, Streunen, Flanieren durch Staedte, bei dem man so viel entdecken kann, was dem fluechtigen Blick entgeht. Erst bei laengeren Gespraechen entsteht die Vertrautheit, die dem fremden Gegenueber Offenheit erleichtert und Einsichten in Zusammenhaenge und Hintergruende ermoeglicht. Hat man Zeit, liest man mal eine lokale Tageszeitung, schaut nicht nur BBC oder CNN, sondern auch das Staatsfernsehen, man bekommt Tipps und hat auch die Zeit, diesen zu folgen. Diese ist meine Art des Reisens. Man kann aus vielem eine Kunst machen, was gemeinhin als solche nicht angesehen wird: aus seiner Arbeit, aus Kindererziehung, seiner Partnerschaft und eben auch aus der Art des Reisens. Ich versuche Letzteres. Als gestern abend im ganzen Ort der Strom ausfiel (eines der zahlreichen afrikanischen Leiden), hatte sich einer der Gaeste vom Nachbartisch meine Taschenlampe "geliehen". Als ich ihn dann spaeter in der Dunkelheit auf der Strasse treffe und die Lampe in seiner Hand als meine bezeichne, streitet er das ab und ich muesste Gewalt anwenden, um sie mir zurueckzuholen und da die Lampe aussieht wie viele andere auch, kann ich nicht voellig sicher sein und lasse den Mann widerwillig ziehen. Jetzt, am Morgen, frage ich im Restuarant nochmal nach und siehe da, man kennt den Dieb dort. Ein Mann fuehrt mich zum oertlichen Krankenhaus, wo ich in einem Behandlungsraum, vor dem sich bereits zu frueher Stunde mehr als 50 Menschen eingefunden haben, dem Mann wiederbegegne. Er weigert sich offensichtlich Englisch zu verstehen und will uns mit Verweis auf seine Arbeit hinauswerfen. Mein Begleiter geht hinaus, aber bei mir beisst der Pfleger, der hier teilweise die Aufgabe eines Arztes wahrnimmt, auf Granit. Ich mache ihm klar, dass ich ohne meine Taschenlampe nicht gehe. Er will meinen Begleiter schicken, um sie zu holen, aber ich sage ihm, dass solle er selber machen. Nach 10 Minuten gibt der Dieb mir die Lampe ohne ein Wort der Entschuldigung, sichtlich erleichtert, dass er sich die Meldung an die Krankenhausleitung erspart hat, die ich ihm angedroht habe. Ich fahre unter dunkelgrauen Regenwolken die letzten 50 km bis zur Grenze bis zum Mittag. Stetig geht es aufwaerts, denn Zimbabwes Staatsgebiet ist groesstenteils Bergland und die Grenze liegt schon auf ca. 1000 m ueber NN. Der winzige Grenzort Nyamapanda bietet nur ein Restaurant und ein paar Strassenimbisse, jede Menge Geldwechsler und fliegende Haendler. Kaum habe ich mein Rad unter das Dach des Restaurants geschoben, bricht das Gewitter los, ein wahrer Orkan, der die Regentropfen zerstaeubt und fast waagerecht unter das Dach blaest, so dass alle Gaeste sich in einem kleinen Vorratsraum neben der Kuehltruhe versammeln. Nach einer Stunde ist das Unwetter vorueber und ich ueberlege, wie ich jetzt weiter vorankommen soll. Ich habe nur noch 10 Tage bis zu meinem Heimflug. Der heftige, taegliche Regen macht mir das Vorankommen schwer, meine Beine sind muede und irgendwie ist die Luft raus. Um zu pruefen, ob der mir auf dem Schwarzmarkt angebotene Wechselkurs angemessen ist, klopfe ich bei einem der sauber und modern aussehenden LKW an die Scheibe und frage den Fahrer, wie er tauscht. Er laedt mich zu sich in die Fahrerkabine ein, wo er mit zwei Geldwechslern sitzt. Ich tausche und komme ins Gespraech. Der Fahrer kommt aus Malawi und ist auf direktem Weg nach Johannesburg, ob ich nicht mitfahren wolle..? Ich zoegere nur kurz, lade dann mein Gepaeck in die Kabine, einer der Wechsler, offensichtlich ein guter Bekannter des Fahrers, nimmt mein Rad mit zu sich nach Hause und dann gehen wir gemeinsam Essen. Es regnet und regnet und letztlich bin ich froh, aus dieser Wetterkueche wegzukommen. Regen faellt hier meist als Gewitter und Zimbabwe haelt einen traurigen Weltrekord: 1975 kamen bei einem einzigen Blitzschlag in einer Huette im oestlichen Hochland 21 Menschen ums Leben. Wenn ich die Zahl der Blitze und das markerschuetternde Donnern hier hoere, wundert mich das wenig. Die Nacht verbringe ich recht bequem und vor allem trocken und warm, auf einer Klappliege unter der des Fahrers im Fuehrerhaus, waehrend der Regen auf das Blech trommelt. geschrieben am 4.1. in Krefeld
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