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Reisetagebuch

1/5/2005   Deutschland / Krefeld

In der Heimat

Vertrautes und Fremdgewordenes

(Harald) Am 21.12. bringt mich Lucas, ein schwarzer Taxifahrer, zum Flughafen in Johannesburg. Ihm ist zwar schon einmal ein Fahrgast laufen gegangen ohne zu bezahlen, aber ein Ueberfall blieb ihm bisher erspart. Er fragt mich, warum ich der Menge nach dem Ueberfall nicht erlaubt haette, den Raeuber zu toeten. Tja, diesen Einwand habe ich in den letzten Tagen mehrmals gehoert, aber ich bin nun mal kein Einheimischer, sonst wuerde ich das ja vielleicht auch anders sehen, wer weiss.

Der Flug der Namibia Airlines geht ueber Windhoek, Namibia, dann nonstop nach Frankfurt, wo ich um 22.30 Uhr lande. Mein Freund Jan holt mich ab, fuer mich ists wie gestern, dass ich ihn zuletzt gesehen habe.

Ich verbringe die Feiertage im Kreise der Familie, niemand ist mir fremd geworden, die Juengsten sind halt gewachsen, aber ansonsten wundere ich mich darueber, wie lebendig alle Gesichter vor meinem inneren Auge sind.

Krefelds Strassen haben sich etwas veraendert, ein paar neue Gebaeude, der Koenigspalast, viele Geschaefte haben geschlossen, auch alteingesessene und die neuen Gebaeude sind nicht komplett vermietet.

Nicht neu, aber fremd geworden sind mir andere Dinge: Vorlaute, freche, unbeherrschte Kinder z.B. Das kenne ich nicht mehr. Ein Junge waelzt sich auf dem Pflaster vor seiner Mutter, hysterisch schreiend, weil er irgendetwas im Kaufhaus nicht bekommen hat. Ich sehe zappelnde, nervoese Kinder- auch das ist in Afrika selten.

Mich erstaunt der "Rag-Look"- kenne ich natuerlich, aber auch das faellt mir jetzt auf: Menschen, die sich fuer unglaublich viel Geld Kleidung kaufen, die absichtlich kaputtgemacht wurde und alt, getragen aussieht. Lederjacken, die voellig zerkratzt sind, Jeans, mit Flicken und Flicknaehten uebersaet, absichtlich zerwaschen. Das kauft in Afrika kein Mensch.

Die Werbung ist aggressiv und bedient sich unglaublicher Ausdruecke. Widert das niemanden an, staendig mit Faekalsprache bombardiert zu werden? Eine mediale Verwahrlosung vor den Bildschirmen und Leinwaenden, eine Banalisierung der Sprache, die fast Comicniveau erreicht hat. Eifert die Masse nicht mehr nach dem Besseren, ist das Bessere nicht mehr erstrebenswert, feiern wir unsere eigene Disziplinlosigkeit so gerne?

Die Witze in den Zeitungen sind voller Zynismus, Sarkasmus. In Afrikas Zeitungen drehen sich die Witze eher um Politisches oder Soziales. Hier sehe ich eine Werbung, bei der eine Mutter ihre Kinder vor dem Obi-Einkaufsmarkt vergisst und ohne sie abfaehrt. Bin ich in der Minderheit, wenn ich das nicht komisch finde?

Ebay macht fleissig Werbung, man solle doch seine Weihnachtsgeschenke, die man doppelt bekommen hat (oder einfach nicht mag) versteigern. Zuviel des Guten.

Die Busse sind stets puenktlich! Sogar zu frueh, wie ich feststellen muss, als ich puenktlich zu spaet komme. Es gibt Fahrplaene!

Viele haben Angst vor Arbeitsplatzverlust, melden sich nicht mehr krank. In der Politik hat man immer noch nicht begriffen, dass die Armen laengst kein Verstaendis mehr dafuer haben, wenn sich Politiker und Manager immer noch die Taschen voll stopfen, oft sogar illegal.

Deutschland, Heimat. Da hat sich fuer mich nichts geaendert, fuehle ich. Innerlich kremple ich schon die Aermel auf.

Am zweiten Weihnachtstag der Tsunamie. Nach und nach sickert das unvorstellbare Ausmass der Katastrophe durch. Am Ende 165.000 Tote und die Menschen fragen ihre Goetter: Warum, was ist der Sinn dessen? Die Gerechten sterben, Moerder ueberleben. Es ereilt Christen, Muslime, Hindi und Buddhisten gleichermassen.

Nach zwei Wochen fliege ich wieder zurueck nach Afrika.

geschrieben am 10.1. in Nylstroom


 


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