1/17/2005 Suedafrika / nahe Strijdom Tunnel
Willi
Widersprueche
(Harald) Ich komme mit dem alten Ehepaar ins Gespraech. Schnell sind wir beim Dauerthema: Die "Swarten", wie sie auf Africaans heissen (uebrigens die juengste Sprache der Welt- ein Gemisch aus Hollaendisch, Englisch und Sprenkeln von Deutsch und sogar Zulu). Der alte Mann sagt, man moege die Swarten ja, zu manchen bestuenden gute Beziehungen. Aber man duerfe ihnen niemals, niemals vertrauen, auch nicht, wenn man sie 25, ja 50 Jahre kenne. Sie wuerden einen trotzdem umbringen und sich eher mit "ihresgleichen" solidarisieren, als mit dem langjaehrigen weissen Boss oder Freund. Der Mann ereifert sich derart, dass es ueber den Campingplatz schallt, seine Frau bremst ihn nicht. Ich hoere da viel Wut heraus, aber auch Enttaeuschung und Hilflosigkeit einer Kultur gegenueber, die man nie wird wirklich verstehenen koennen, wie ein Schueler, der nie Mathematik wird begreifen koennen, weil er sie einfach nicht mag, sie ihm nicht liegt. Und es ist in der Tat eine schwierige Aufgabe, etwas zu moegen, dass einem nicht liegt, weil es so fremd und unverstaendlich ist. Da ist letztlich niemand schuld, nur sich nicht immer wieder zu bemuehen, aufzuraffen ist falsch. Es folgen viele Beispiele als Belege fuer das eben Behauptete und ich bin geneigt, das Meiste davon zu glauben. Nur die Beweggruende scheinen mir aus den Zusammenhaengen gerissen. Letztlich haben sich die Weissen hier ueber die Jahrhunderte ein "Klein-Amerika" oder "Klein-Holland" gebaut, kein Gross-Suedafrika. Es war, ist eben einfacher, sich abzugrenzen, letztlich zu isolieren, als sich zu integrieren. Wenn die Luecke zwischen den Kulturen zu gross ist, wird der Brueckenbau schwieriger. Mir wird klar: Wenn man sich diese Argumente, Geschichten lange reinzieht, sie wirken laesst, nicht widerspricht (was man aus Hoeflichkeit dem Gastgeber gegenueber oft nicht macht), dann hat man ein nahezu geschlossene Erklaerungs- und Rechtfertigungsmuster fuer Rassismus. Mir gehen diese afrikanischen Seuchen auch auf den Geist, das Stehlen und Luegen z.B. Mich treiben auch viele Dinge zur Verzweiflung, z.B. die Hintergruendigkeit, bei der man mist nicht begreift, was gerade abgeht. Und das man mich, wenn ich nach dem Weg frage, in alle Richtungen schickt, anstatt zu sagen: ich verstehe sie nicht, oder: ich weiss nicht wo das ist. In Pieterburg habe ich acht oder neun Leute nach einem Weg gefragt und keiner hat mich richtig gewiesen. Erst der erste Weisse, ein Kellner, malte mir gleich eine Skizze samt saemtlicher Strassennamen und alles stimmte. Man sagt halt in Afrika nie "Nein"- das ist unhoeflich. Mir gefaellt bei diesen Schimpfkanonaden der Tenor nicht, die Einseitigkeit, die negative Sichtweise und die Schlussfolgerung. Der Manager heisst Willi, ist 47, deutscher Abstammung und spricht, wie alle Weissen hier, Africaans und Englisch. Willi ist geschieden, hat 2 Soehne. Wie mir das alte Ehepaar erzaehlt hat, hat ihn seine Frau verlassen, nachdem sein Juweliergeschaeft ueberfallen und ausgeraubt wurde und es keine Versicherung gab. Jetzt lebt Willi alleine. Sein Traumjob sei das hier nicht, er wuerde am liebsten in einem Tierreservat arbeiten. Willi nimmt mich im Pick-Up zu einem indischen Haendler mit, der mir Bremsbelaege samt Montage verkauft. Dann laedt er mich zum Essen ein. Wir sitzen im Schatten auf einer Terrasse und lassen es uns gutgehen. Beim folgenden Einkauf bezahlt er mir Saft. Der Mechaniker hat mir die Bremsbelaege zwar angeschraubt, aber die Raeder drehen sich nicht mehr, alles quietscht und nichts stimmt mehr. Willi sagt kurzerhand: "Einpacken. Hat keinen Sinn." In der Lodge stellt er das Rad auf den Billiardtisch und schraubt und werkelt 2 Stunden, bis alles geoelt ist, sitzt, passt, wackelt und Luft hat. Dabei meint er, dass der Mechaniker ja ein Schwarzer war. Der habe keinen Ehrgeiz eine saubere Arbeit abzuliefern und der schaeme sich eben nicht, die Bremseinstellungen in einem schlechteren Zustand als zuvor zurueckzugeben. Wir reden bei einer Buechse Bier. Auch Willi kommt auf Rassismus von sich aus zu sprechen, weil er, wie alle weissen Suedafrikaner, weiss, wie z.B. Deutsche ueber die Apartheid dachten und denken. Es kommt mir so vor, als ob man sich mir gegenueber immer wieder rechtfertigen wollte. Ich sage ihm, dass auch ich keine Orangen der Marke "Outspan" vor 1994 mehr gekauft habe und auch keinen suedafrikanischen Wein, um den seinerzeitigen Boykott zu unterstuetzen. Willi spricht ruhig und hoeflich, fast vaeterlich mit seinem farbigen Personal, er ist hier beliebt, glaube ich. Und troztdem ist er ein Rassist, wenn er z.B. die Urbevoelkerung mit Affen vergleicht. Willi holt mir zu spaeter Stunde eine Matratze aus dem Lager und laesst mich im Billardraum schlafen, so das ich das Zelt nicht mehr aufbauen muss. geschrieben am 28.1. in Nelspruit
|