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Reisetagebuch

1/20/2005   Suedafrika / Sabie

Eine Schulauffuehrung

Alltag in Mpumalanga

(Harald) Den Tag verbringe ich grossenteils im Internetcafe, u.a. mit der Beantwortung der vielen Mails. Fast 3000 Mails sind auf meinem Mailserver seit Juli 2002 eingegangen. Einige Leser schreiben mir seit ueber zwei Jahren, andere jetzt zum ersten Mal, obwohl sie von Anfang an dabei waren.

Am Morgen taucht ein grosser, schwitzend-hektischer Mittfuenfziger im Backpacker auf. Er stellt sich als Andre vor, betreibt einen Backpacker in Graskop und sucht noch einen Teilnehmer fuer eine fuenftaegige Tour durch die Natur und Tierparks, u.a. zwei Tage Krueger-National-Park. Der Preis ist unschlagbar guenstig, da zahlen viele fuer eine einzige Nacht schon mehr. Am Nachmittag habe ich meinen Zeitplan wieder mal spontan gecancelt und sage zu. Ich hatte mir schon in Deutschland vorgestellt, den weltberuehmten Kruegerpark zu sehen- wenigstens eine richtige Safari, dass muss sein. Und ein deutsches Paerchen fuehre mit, heisst es - das gibt den letzten Aussschlag.

Am Abend gehe ich mit Andre und seiner Frau in die dem Backpacker gegenueberliegende Schule zu einer Auffuehrung. Andres Tochter geht hier zur Schule und steht heute auch auf der Buehne.

Schon die Sitzordnung in der Aula ist auffaellig und zeigt die sozialen Strukturen kristallklar. In den vorderen 15 Stuhlreihen sitzen ausschliesslich weisse Eltern und deren Kinder, lediglich eine schwarze Mutter und zwei farbige Schuelerinnen sind darunter. Hinter uns sitzen ausschliesslich schwarze Schueler und nur 2 oder 3 weisse. Darueber, auf dem Balkon, wieder nur Schwarze. Die Lehrer scheinen alle weiss zu sein.

Die Schueler hatten fuer die Vorbereitungen der Auffuehrungen nur zwei Tage Zeit und entsprechend chaotisch laeuft das ab. Man versteht fast nichts, was das weisse Publikum murmelnd und kopfschuettelnd quittiert. Es werden videoklippartig kurze Sequenzen aufgefuehrt, bei denen entweder Weisse oder nur Schwarze zusammenspielen. Nur bei zwei von mehr als 15 Stuecken mischen sich diese Gruppen geringfuegig.

Sobald es etwas zu lachen gibt oder die Schauspieler tanzen, brechen lautes Gelaechter, Pfiffe und Anfeuerungsrufe hinter uns aus. Das Publikum macht sich selber Spass. Leider versteht man so gar nichts mehr, was wiederum den Unmut der Weissen hervorruft, die sich veraergert-genervt blickend umdrehen. Die Lehrer scheinen ueberfordert. Schliesslich, nach einer Pause, bei der auch draussen nirgends eine gemischtfarbige Gruppe zusammensteht, folgt eine Ansage uebers Mikrofon. Das hilft etwas, aber bald liegt eine gereizte Stimmung in der Luft und die spueren die schwarzen Schueler anscheinend und es wird ruhiger.

Andres Frau beugt sich zu mir herueber und sagt gutmuetig: "Das ist ein kulturelles Problem."

Publikum ist in Afrika immer da, um richtig Spass zu haben und macht den Gefuehlen halt Luft. Eine Oper wuerde da kaum funktionieren und eine Komoedie wahrscheinlich wie im Tollhaus enden. Solche Art Auffuehrungen folgen unserer europaeischen Kultur: wir sitzen, schweigen und hoeren konzentriert zu, applaudieren alle oder gar nicht. Es ist mir persoenlich in Deutschland oefter passiert, dass ich im Theater an den "falschen Stellen" applaudierte.

Hinterher meint packe ich schnell zusammen und Andre nimmt mich mit nach Graskop in seine Lodge. Fast stolz meint er unterwegs, ob ich bemerkt haette, wie selbstverstaendlich und gut die Integration von Weiss und Schwarz geklappt habe.

Wer war da blind? Sehe ich das zu negativ?

Wir sind in der Provinz Mpumalanga, nahe der Provinzen Limpopo, bzw. Freistaat. Dies ist das Kernland der Buren. Rassismus bemerken die Weissen hier vielleicht gar nicht mehr.

Andre hat mir bereits nach 20 Minuten, die wir uns kannten, erzaehlt, dass auch er ueberfallen wurde. In Durban haben ihm Gangster vor ein paar Jahren vor der Bank aufgelauert und umgerechnet 12.000 EU geraubt. Daraufhin hat er sich eine 7-mm-Pistole zugelegt, sich ein Handy auffaellig in die Gesaesstasche gesteckt und ist solange damit herumgelaufen, bis drei Jungs danach gegriffen haben und er seine Rache an den Schwarzen vollziehen konnte. Andre zog seine bereits entsicherte Pistole und erschoss alle Drei, wie er mir erzaehlt. Er macht deutlich, dass dies seine Absicht war, er steckt sein Handy in eine Gesaesstasche und wackelt mit dem Hintern, um zu verdeutlichen, wie provozierend er die Raeuber angelockt hat. Sonntags geht er in die Kirche. Seit der Tat muss er sich regelmaessig bei der Polizei melden. In Deutschland wuerde er fuer dieses Verbrechen moeglicherweise lebenslang einsitzen.

In seiner Lodge treffe ich tschechische Reisende und die angeblichen Deutschen stellen sich als Schweizer aus Winterthur heraus.

Ich beziehe ein Dreibettzimmer und sehe mir auf DVD mit Werner und Seraina, dem schweizer Paar, "The day after" an.

Andres Frau hat gekocht, wir essen zusammen, dann schluepfe ich in ein weiches Bett und freue mich auf das Abenteuer meiner ersten grossen Safari.

geschrieben am 28.1. in Nelspruit


 


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