Home Page english version deutsche Version

  Worum es geht...
  Highlights der Reise
  Ueber Harald Radtke
  Zeitungsartikel

  Tagebuch (952 Eintr.)
  Lesermeinungen
  Leseproben
  Reiseroute
  News Archiv

  Pamphlet zur Faulheit

  Laenderinformationen
  Literatur

  Kontaktformular
  Mediainfo/Fotos
  Impressum


Reisetagebuch

1/23/2005   Suedafrika / Timbavati Gamereserve

Weisse Loewen (2. Teil)

Maneater und Kobolde

(Harald) Rechter Hand sehe ich einen Zaun, offensichtlich ist hier das Ende des Parks- was bedeutet, dass die Loewen links von uns sind und direkt am Zaun sein muessen. Mir wird jetzt richtig mulmig, als ploetzlich wieder das Bruellen eines maennlichen Loewen ertoent, so nah, dass ich wie versteinert stehen bleibe, mich dann nach dem naechsten Baum umsehe, der hoch genug waere- aber da ist keiner. Entgegen der landlaeufigen Meinung koennen Loewen sehr wohl gut klettern und ganze Rudel sind schon auf Baeumen beim Fressen gesehen worden, wenn sie z.B. einem Leoparden die Beute abgejagd haben, der diese immer auf Baeume schleppt, um sie dort, in groesserer Sicherheit vor Hyaenen und Loewen, zu fressen.

Das Bruellen kommt aber von jenseits des Zaunes und wie sich herausstellt, ist dies das Zuchtprogramm fuer die weissen Loewen und vor uns liegen mehrere, fussballfeldgrosse Gehege, in denen jeweils drei bis fuenf Loewen untergebracht sind. Andre wollte uns den Nervenkitzel der besonderen Art verschaffen. Direkt vor uns liegen zwei Loewinnen, deren Fell besonders hell ist und in einem anderen Gehege sehen wir entfernt noch hellere Exemplare, wenn die auch nicht weiss, sondern eher eierschalenfarbig sind. Trotzdem ein befremdlicher Anblick. Wie auch die weissen Tiger, die z.B. von Siegfried und Roy in Las Vegas gehalten werden, sind diese Loewen keine Albinos, also genetische Abarten, sondern ein "Experiment" der Natur. In Gegenden mit extrem hellen Boeden und trockenen Graesern mag diese Farbvariante des Fells sogar durchaus ein Vorteil beim Jagen fuer die Loewen sein.

Wir kochen zusammen, Barbora hat jenseits des Zaunes auf der Strasse vor der Reserve zufaellig ihre Freunde aus Tschechien gesehen und dann sitzen wir alle zusammen und Andre erzaehlt wieder mal gross und breit und mit reichlich zweideutigen Uebertreibungen eine seiner blutigen Raeuberpistolen. Leider kommt sonst niemand zu Wort und trotz meiner Bitte, es kurz zu machen ("O.K.! Nur 10 Minuten...") dauert es eine ganze Stunde, bis Andre seine Geschichte zu Ende erzaehlt hat.

Diese Reserve ist z.Zt. wegen eines schauerlichen Verbrechens in allen Zeitungen des Landes. Drei Mitarbeiter der Firma haben einen laestigen Ex-Kollegen, der immer wieder Schwierigkeiten machte, auf dem Nachhauseweg erschlagen und ueber den Zaun den weissen Loewen zum Frass vorgeworfen. Die Loewen machten ausgiebigen Gebrauch vom Gebotenen, Geier, Marabus und Ameisen erledigten den Rest und die Polizei konnte die Ueberreste auf 80 qm verteilt zusammenklauben.

Auf der Titelseite der Tageszeitung "The Sun" sind Schaedel und Knochen abgebildet, mit vollem Namen des Opfers. So etwas hat sich wohl selbst die Bild-Zeitung seit Erstdruck nicht erlauben koennen. Hey man, thats Africa!

In der Dunkelheit machen wir einen "Game-Walk", einen Spaziergang durch den Busch. Jetzt, nachdem wir wissen, dass es keine Loewen gibt (Andre sagt aber, dass sie manchmal ueber den Zaun springen und einen Leoparden gaebe es auch und vielleicht Hyaenen...), fuehlen wir uns sicher. Mit dicken Taschenlampen, die wie Autoscheinwerfer stark sind, suchen wir nach Tieren in den Baeumen. Mir geht es vor allem um die Buschbabys, kleine, affenartige Kobolde, die wie Gremlins aussehen (weiss jeder wie ein Gremlin aussieht? Nein? Ungefaehr wie ein Buschbaby...). Es gibt zwei Arten in Suedafrika und die kleinere Variante entdecken wir auch bald in den Baeumen. Die Tiere sind rein nachtaktiv und ihre dementsprechend grossen Augen leuchten wie kleine Laempchen. Mit blaeulichem Flackern reflektieren sie unsere Scheinwerfer, dann, entdeckt, springen sie wie Kaenguruhs blitzschnell durch die Kronen, ein leises Rascheln, ein paar schwach wankende Aeste und weg sind sie. Ein anderes Tier, staendig geblendet, irrt auf einem Baum herum, so dass wir Zeit haben, es ausgiebig zu betrachten. Es ist hellgrau (wie Seven faellt mir ein, die serbische Maus, wisst ihr noch?), hat grosse Ohren, Hinterbeine wie ein Karnickel, dabei aber Finger an allen Gliedmassen, die wie Geckozehen aussehen. Sie fressen alles was sie kriegen koennen; Koerner und Insekten, alles was kreucht und fleucht, was die Tiere, trotz ihrer fast voelligen Wehrlosigkeit mangels Groesse, Kraft, Krallen oder grosser Zaehne, die Jahrhunderttausende hindurch hat ueberleben lassen.

Dann blitzen uns die Augen eines Gnus durch den Busch an. Die Herdentiere sind auch nachts unterwegs, gemeinsam mit den Zebras, Kaffernbueffeln und Giraffen.

Und jenseits des Zaunes blinzeln uns zwei Augenpaare an, dass sind zwei Loewinnen, die laengst wissen, dass sie alles jenseits des komischen, duennen Zeugs, das man nicht zerbeissen kann, unerreichbar ist und die deshalb einfach ruhig liegenbleiben, trotz unserer Naehe, Geruchs und frechen Blicke.

Es ist etwas Seltsames mit Zaeunen und Glas. Wir und die wissen, dass wir getrennt sind. Ich kann nur ahnen, was die Loewen empfinden, ich habe das gesehen, als sie Barbora scheinangriffen. Es ist die gleiche Wut, die irgendwann in eine Verzweiflung, dann in Resignation uebergeht. Wie der Silberruecken im Krefelder Zoo, der es irgendwann satt ist, durch die Panzerglasscheibe angestarrt zu werden. Fuer dieses maechtige Tier eine Provokation und dann rast er urploetzlich auf die Scheibe los, springt mit einem klatschenden Krachen und einem Gebruell vierhaendig auf die Scheibe und wuerde er lachen koennen, wenn die Menschen dahinter erschrocken zurueckprallen, er wuerde es nicht tun. Er wuerde, koennte er, vielleicht soetwas wie Befriedigung empfinden, Erleichterung. Und dann lachen die Besucher, erleichtert und mancher danach schadenfroh- wie dumm der Menschenaffe doch ist!

Ich bemuehe mich, dass Wesen im Tier zu finden, seine Seele zu erkennen, mir seine Gefuehle vorzustellen, ihm den gebuehrenden Respekt zu erweisen. Seine Gestalt, seine Bewegungen vermitteln mir bei einem Loewen stets Schweigen, Abstand.

Afrikas Kinder kennen Elefanten, Loewen, Nashoerner viel weniger, als deutsche Kinder, die diese ganz einfach in jedem Zoo sehen koennen, oder im Zirkus. Da die grossen Tiere in freier Wildbahn nahezu ausgerottet sind und immer als gefaehrlich gelten und sich die meisten Eltern Reservatsbesuche nicht leisten koennen, fehlt Afrikas Kindern der Bezug zur eigenen Natur. Wir glauben das Gegenteil, aber das ist die Wirklichkeit. Die Reservate erfuellen also auch fuer Afrikas Bevoelkerung eine wichtige Rolle, indem sie ihr die Tiere der Heimat nahe bringen.

Als Barbora und ich Abschied nehmen, sagt sie fragend: "Vielleicht in Prag..?" Ja, vielleicht, wer weiss.

In meinem kleinen, luxurioesen Haeuschen lasse ich diesen Tag Revue passieren: das Bad im Pool, mit Blick auf troetende Nilpferde und weisse Reiher, blitzend-blaue Eisvoegel mit knallroten Schnaebeln, Zebras, die man fast anfassen kann, neugierige Giraffen, schnaufende Bueffel und Gnus und die Kobolde in der Nacht. Ein Friede, eine Ruhe erfasst mich, eine Ahnung von Harmonie mit der Natur, auch wenn ich mir bewusst bin, dass dies nur fuer den Menschen in Sicherheit gilt. Und wie so oft wuerde ich diese Augenblicke gern mit Euch geteilt haben.

Morgen fahre ich mit Seraina und Werner in den Kruegerpark.

geschrieben am 4.2. in Maputo


 


  Team Login

© biketour4goodhope