1/29/2005 Suedafrika / Komatipoort
Auerhaehne
Reisegruende und Hintergruende
(Harald) In Nelspruit habe ich mir in der Riverside-Mall eine neue Digitalkamera gekauft und eine CD mit den letzten Bildern brennen lassen. Klein und leicht haengt die Kamera in einer Tasche an meinem Guertel, griffbereit fuer Schnappschuesse. Das Einloesen der Travellerschecks, die ich in Deutschland gekauft habe, dauert hier nur wenige Minuten. Die Mall ist voller Luxusgeschaefte, es gibt alles, was man auch in Europa konsumiert. In der Buchhandlung finde ich eine Ausgabe der Hitler-Biografie von J.C.Fest. Es ist mir schon mehrfach berichtet worden, dass nicht nur die deutschstaemmigen Suedafrikaner ein Faible fuer den oesterreichischen Gefreiten haben. Die argumentative Untermauerung des hiesigen Rassismus kann wohl wunderbar mit den furchtbaren Ideen der "arischen Superrasse" ergaenzt werden. Ca. 90 % der Besucher der Mall sind weiss, 95 % des Wach- und Pflegepersonals sind schwarz. Als ich nach 18 Uhr ein Taxi bestelle, kommt es trotz Zusage nicht- wie mir die Betreiber des Backpackers vorausgesagt haben. Ich fahre notgedrungen mit dem Rad die ca. 8 km bis zur Unterkunft. Am 29. fahre ich ab. Nelspruit liegt noch in den Bergen, es geht in Wellen bergab, gegen den Wind, ueber einen Pass mit Aussicht auf das Tiefland. An einem Rastplatz im Schatten eines Baumes Mittagspause. Ich lese in einem Buch. Was wuerde ich ohne Lesestoff machen? Ein gutes Buch lenkt mich ab, gibt mir andere Gedanken ein, wenn ich mich im Kreise drehe. Und ich vergesse die Einsamkeit, die ich manchmal empfinde. Diese Reiseklausur ist Teil des Ganzen, unvermeidbar und notwendig. Die Einsamkeit gehoert zur Gesamterfahrung, sie wirft mich auf mich selbst zurueck, keine Ausflucht, keine Ablenkung ist moeglich, wenn ich vor mich hinradle. Den Blick auf den Lenker, meine Haende, das Vorderrad, die naechsten 2-3 Meter vor mir, haben meine Gedanken Zeit sich zu entfalten, zu verlieren wie Traeume. Seit ueber einem Jahr drehen sie sich immer wieder um Renata, denn ich habe den Fehler gemacht, mit ihr in Kontakt zu bleiben. So sind die Wunden immer wieder aufgerissen und nicht geheilt. Der Traum war eben kein gemeinsamer, aber das zu akzeptieren, fiel mir schwer. Vorstellungen ueber Sinn und Art der Reise waren verschieden, wohl unueberbrueckbar. Zuviel Romantik, zuwenig Realitaetswahrnehmung. Zuviel Zweck, zuwenig Zueinander. Diese Reise war wie eine Destillierung, sie hat unser beider Wesen offengelegt, ungeschminkt. Diese Reise konnte uns nur mehr zusammenschweissen oder endgueltig trennen. Es ist schmerzlich, aber richtig wie es ist. Nur langsam hob ich den Kopf, nahm wieder die Umgebung wahr, empfand Freude. In dem Masse, wie ich Abschied von den Verwirklichungen der gemeinsamen Traumanteile nahm, kamen die eigenen Ziele wieder zum Vorschein: Abstand vom Alltag in Deutschland, die "Grosse Pause" eben, Schnitt im Leben, Neuorientierung, Suche nach einer neuen Herausforderung. Afrika pur erleben, Afrika, dieser immer noch geheimnisvolle Kontinent, der soviel Widerspruch erregt. Gefahren, Herausforderungen annehmen, das Ungewisse ertragen. Fragen kamen auf: Wer bin ich wirklich? Was will ich wirklich? Oder wars das? Feierabend, Laden dicht, nur noch irgendwie weitermachen? Zu spaet fuer fast alles? Diese Fragen aengstigten mich zwar nicht, aber sie beschaeftigten mich intensiv. Ich bin nicht am Ziel, nicht in Kapstadt. Aber der Antworten schon sehr nahe, wenn mir auch vieles erst klar sein wird, vermute ich, wenn ich Abstand von Afrika gewinne- zeitlich und raeumlich. Ich erreiche den Grenzort Komatispoort nicht, denn mein Tretlager knirscht derart, das ich nicht glaube, die Grenze heute noch zu erreichen. Als ein Pick-Up neben mir herfaehrt und mir einen "Lift" anbietet, lade ich kurzentschlossen auf. Dieses "Jeden-Kilometer-auf-dem-Fahrrad-Prinzip" ist mir zunehmend unwichtiger geworden. Die Reise selbst ist das Wichtige, nicht mehr das Sportliche, der Beweis der Leistungsfaehigkeit. Ich lande mit den beiden Maennern, echten Buren, auf einem Campingplatz. Mein Zelt steht alsbald am Ufer eines kleinen, sumpfigen Teichs unter kleinen Akazien, ich nehme ein Bad im Swimmingpool, trinke ein Bierchen mit den Maennern, die sich um eine lokale Schoenheit in einem fleischfarbenen Bikini scharen, balzend wie die Auerhaehne. Sobald die Solistin abgetreten ist, gibt es deftige Komentare, grinsend vorgetragene Maennerfantasien, die mit einem Schluck aus den Bierpullen besiegelt werden. Im weichen Gras liege ich ganz ertraeglich auf der duennen Schaummatte, es ist herrlich ruhig. Morgen erreiche ich Maputo. Ob Hennig Mankell dort sein wird? geschrieben am 10.2. in Siteki
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