2/1/2005 Mosambik / Maputo
Korruption
Zweiter Anlauf
(Harald) Neuerlicher Anlauf bei der Polizei. Wir sollen warten. Mal was ganz Neues… Als ich sehe, wie andere einfach am Tresen vorbei durch die Glastuere gehen, mache ich es genauso. Zwei Frauen hoeren sich den Bericht meines Begleiters an, die Mundwinkel wie in einer chinesischen Oper tief nach unten gezogen, die Augenbrauen hoch, das Kinn in die Luft gereckt: soll Skepsis ausdruecken und Widerwillen zeigen. Kopfschuetteln zwischendurch. Mein Wunsch, auf Englisch geaeussert, wird geflissentlich ignoriert, mir wird klar: dass fuehrt zu nichts. Ich drehe mich um, da sitzt der Vorgesetzte, rund und mit vor Anstrengung gerunzelter Stirn, liest er in einer 1-qm-grossen Zeitung, schamlos vor aller Augen, vor sich einen leeren Schreibtisch. Ich gehe zu ihm hin und spreche ihn an. Ich moechte ja nur eine Kopie, bitte. Entruestet, angeblich hilflos ob des englischen Textes, wendet er sich an einen Mann im Nachbarbuero. Ich verstehe, dass ich eine Art formlosen Antrag ausfuellen muss. Dafuer braucht man ein blankes Stueck Papier und das habe man nicht kostenlos. Aha, denke ich, jetzt kommen wir zur Sache, zur Ursache aller Verzoegerung. Das alte Korruptionsspielchen wird eingelaeutet. 1.000 Meticas kostet ein Stueck weisses Papier. Man koenne aber nicht wechseln. Klar, moechte man den Rest einbehalten. Ich renne aus dem Praesidium, wechsle bei einem Strassenhaendler. Jetzt verlangt die Dame 20.000 Meticas fuers Schreiben, dass Geld sei fuer den Herrn da hinten im Buero. Weniger als ein Euro sollen mir recht sein, ich zahle, unterschreibe- aber wieder gibt es keine Kopie. Ich muss in den vierten Stock. Mit meinem Rezeptionisten im Schlepptau folge ich einem jungen Beamten. Oben, vier Jungs, warten. Ich wiederhole mein Anliegen. Bitte warten, setzen, bitte. Danke, so lange will ich nicht bleiben. Setzen bitte. Danke, nein. Setzen, bitte. Na gut also. Angeblich spricht niemand Englisch, auch dies ein mir wohlbekanntes Spiel. Irgendwann reicht es mir, ich werde deutlicher. Ploetzlich rafft sich einer auf, er hat sich offensichtlich entschlossen die Maskerade aufzugeben und spricht mit einem Mal gutes Englisch. Ich muesse noch ein Formular ausfuellen, es wird viel diskutiert. Wie der Vorname meines Vaters sei. Haeh??? Ich frage den Mann, was mein Vater hiermit zu tun habe. Nun, tja, man muesse mich doch eindeutig identifizieren. Da ich meinen Ausweis bereits vorgelegt habe, scheint das ueberfluessig, denn ich bin ja nicht der Taeter, wozo sollte ich also falsche Angaben machen. Ich sage dem Mann, dass ich nicht gewillt sei, dieses sinnlose Theater weiter mitzumachen, denn ich wolle nur eine einzige Kopie, bitte! dieses Formulars da auf dem Tisch. Das gehe nicht, das sei amtlich. Ich lache, beobachte die Verwirrung in den Gesichtern. Das sei Gesetz! Ich frage nach dem Paragraphen. Die Verwirrung steigert sich. Jetzt soll mein Begleiter ein Fomular ausfuellen. Als man seinen Ausweis verlangt, reicht es mir endgueltig und ich frage die Jungs, ob ich nach Ausfuellen der neuen Papiere denn heute noch meine Kopie bekaeme. Nun, man taete alles was moeglich waere. Daraufhin sage ich den Jungs, dass das nach afrikanischer Lesart ein brutales, eindeutiges “Nein” bedeutet, worauf alle lachen. Und wer koenne entscheiden, ob meine Unwichtigkeit wert sei, eine der kostbaren, unersetzlichen Kopien der eigenen Anzeige erhalten zu koennenduerfen? Tja, da gaebe es einen anderen Vorgesetzten, der sei aber heute nicht da… Ich stehe auf und frage, ob man uns denn gehen liesse, mir erscheint hier alles moeglich. Als wir gehen, versuchen mich die verzweifelten Buerokratieprofis sogar noch zum Weitermachen zu bewegen: bitte spiel weiter mit im Parcour. Aber das wird nie was, dass ist so sicher wie dicke Klossbruehe. Mein Begleiter schuettelt resigniert den Kopf, es tut ihm leid, er zuckt die Schultern: “Policia. Meticas.” Ich verstehe schon, bin weisser Auslaender, Melkkuh. Da mein Fax nach Suedafrika nicht beantwortet wird, erkundige ich mich per Mail nach weiterer Hilfe und schreibe ein Fax an die Sparkasse, die mir die Schecks verkauft hat. Da die Post geschlossen ist, bitte ich den DHL-Paketdienst um die Versendung. DHL gehoert der Deutschen Post und diesen Background sieht man auf den ersten Blick: Aus der ganzen Ladenzeile sticht das alte Gebaeude hervor: weiss, sauber, organisiert, die Fahrer bewegen sich in Normaltempo, nicht in Zeitlupe, die Autos sind sauber und unbeschaedigt, der Manager macht wenig Worte und erledigt alles binnen Minuten. Ich waehne mich irrigerweise erloest von der Meldepflicht. Mein Fahrrad habe ich zur Reparatur bei einem indischstaemmigen Ladner abgegeben, der mir sofort das ca. Fuenffache des normalen Preises verkostenvoranschlagt hat. Abends nochmal ins Kino und ein Besuch auf der Plaza bei Elisio und seinen Mannen. Alles ist fertig. Elisio ist voellig erschoepft. Er erzaehlt mir, er sei der einzige Anbieter eines Komplettaufbaus in Maputo- somit in ganz Mosambik wahrscheinlich. 40.000 Dollar wird ihm das einbringen, abzgl. seiner Kosten. Da ist das Hotel, dass seine Eltern 1957 gebaut haben, eher nebensaechlich. Mit Papiertaschentuchkuegelchen in den Ohren schlafe ich ganz gut. geschrieben am 17.2. in Matubatuba
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