2/5/2005 Mosambik / 15 km vor der Grenze
Bananen-Jorge
Never miss to make a friend
(Harald) Ein letztes Fruehstueck im Untergeschoss, der stille und hoefliche, alte Kellner bedient mich wie jeden Tag. Im Buero die dicke Mama mit Kopftuch, die schon seit Elisios Kindheit fuer die Eltern gearbeitet hat. Ich rufe Elisio an, um mich zu verabschieden. Er hat mir saemtliche Mahlzeiten und Getraenke nicht berechnet, quasi als Wiedergutmachung fuer das, was mir in seinem Hotel passiert ist. "Trau niemandem, Harry!" sagt er nachdruecklich, wie das auch Valentine in Moshi gesagt hat und Merayon in Nairobi. Ich fahre nochmal zum Goethe-Institut. Die Geschaeftsfuehrerin schenkt mir zwei Buecher aus dem Bestand, Geld will sie nicht annehmen. Ich bin gerettet, ich habe Buecher! Ich fahre die Avenida de 24 Julho hinab, kreuze die Lenin- und Marx-Alleen , lasse Lumumba-, Nyerere- und die Olaf-Palme-Street hinter mir und eine Mugabe-Str. gibt es auch, obwohl der noch lebt. Linker Hand der Hafen, ich sehe die Lastenkraene und Piers entschwinden. An einem Kreisverkehr kaufe ich Bananen. Ein junger Mann lehnt an einem Baum und verkauft aus einer Karre Stauden , die er an einer Haengewaage wiegt, welche er am langen Arm hochhaelt. Was fuer eine Perspektive hat der Kerl, verkauft hier Bananen mit Anfang 20, spricht kein Englisch, offene, gute Augen und ein waches Gesicht. Aus dem koennte was werden. Aber er verkauft Bananen- wie lange noch? Irgendwann erzaehlt ihm ein Bekannter vielleicht, das der in Minuten 800 Dollar gemacht hat, war ganz leicht, ganz schnell, der kaesige Typ hat garnicht geschnallt, was abging und zack! lag er am Boden und muckste sich nicht mehr und hatte die Taschen voller Geld...Und dann denkt Banana-Jorge vielleicht nach und rechnet sich vor, dass er fuer seinen Anteil an einem solchen Coup ein ganzes Jahr arbeiten muesste. Und die Bedenken- er geht in die Kirche und kennt die zehn Gebote- spuelt der neue Freund hinweg: "Die Touristen sind alle versichert, die kriegen alles zurueck und wenn kein Geld mehr da ist, gehen sie einfach zum Geldautomaten, die Kreditkarte und den Ausweis lassen wir ihnen ja, und schwuppdiwupp hat so einer wieder die Taschen voller Geld. Zuhause hat son Typ doch ein Haus und einen Mercedes und riesige Fernseher und alles, da kann er ruhig was abgeben, oder? Was denkst du, Jorge?" Und Jorge denkt, murmelt: "Ja, sicher, vielleicht hast du recht." Und er schwoert sich, auf keinen Fall Gewalt anzuwenden, das waere mit ihm nicht zu machen und sein neuer Freund sagt "o.k." dazu und dann nimmt die ganze Geschichte ihren unabaenderlich erscheinenden Verlauf und am Ende liegt irgendwann, nach den ersten gelungenen Diebstaehlen, Einbruechen und Ueberfaellen, ein blutender Mann am Boden und jetzt ist es eh egal, auf einen mehr oder weniger kommts auch nicht mehr an. Und die Freundinnen trinken gerne Bier und man braucht die neuen Handys, die Glitzershirts, einen chicen Hut, ein Auto, ein paar CDs und Schnaps und und und...Das hat keinen Anfang und ein Ende schon garnicht, und dann hat es doch eines, irgendwann. Dann liegt man im eigenen Blut, vor den Fuessen der Polizei oder einer anderen Gang und hat kurz und heiss gebrannt und ist verglueht, bevor man gelernt hat, wie man mit dem Feuer umzugehen hat. Solche Gedanken gehen mir durch den Kopf, als ich aus der Stadt fahre. Ich erreiche die Mautstelle vor der Stadt, passiere den Abzweig nach Nelspruit, Gegenwind, Kaffeepause in einem Oertchen an der Strasse, ein Cafe, ein kleiner Laden in der Naehe, ich kaufe Zahncreme. Dann kommt mir ein Weisser auf der Strasse entgegen, hintendrein zwei junge Schaeferhunde in guter Verfassung, der Mann gruesst mich freundlich. Ich erwidere den Gruss, fahre 200 Meter weiter, kehre um: Never miss to make a friend, die gute alte afrikanische Regel. Der ca. 60-jaehrige mit weissen Haaren heisst Lars Preben Pedersen, ein unverkennbarer Daene. Er spricht Portugisisch und hat hier eine kleine Farm seit 1988, auf der Eukalyptusholz waechst und Bananenstauden ein wenig Geld einbringen. Er hat 17 Angestellte, denen er nur 800.000 Meticas im Monat zahlen kann, dass sind gerade mal 32 Euro- ein Euro pro Tag. Die Einbrecher haben sicher 300 Euro mit ihrem Coup gemacht, wenn man Schwarzmarktpreise fuer meine Digitalkamera annimmt. 10 Minuten Risiko gegen 300 Tage Arbeit. Da kann man schon ins Gruebeln kommen. Man stelle sich vor, man verdiene in Deutschland z.B. 50 Euro am Werktag, das machte dann x300 =15.000 Euro, nur mal so angenommen, spekuliert, die Relationen betrachtet. Preben und ich sitzen ueber eine Stunde auf dem Feldweg im Schatten, waehrend seine Hunde uns umstreifen. Er erzaehlt von seiner Freundin in Maputo, wo er wohnt, von dem Leben, dass er nicht mehr in Daenemark fuehren wollte und wie schoen das Land hier sei. Wir verabschieden uns herzlich, ich fahre bergauf zur swazischen Grenze. Es ist bewoelkt, windig, das kuehlt die feuchte Hitze. Die Sonne steht schon niedrig, die Grenze erreiche ich eh nicht mehr und als ich linker Hand eine Farm sehe, deren Tor offensteht, fahre ich aufs Gelaende. Auf einem Kiesweg, unter Palmen und Laubbaeumen erreiche ich nach 100 Metern ein verfallenes Gebaeude, das Dach ist eingestuerzt, eine grosse Terrasse mit einer Kinderschaukel, gemauerte Sitzgelegenheiten an steinernen Tischen unter Bananenstauden. Niemand ist da, alles leer, obwohl Reifenspuren zu sehen sind und die Orangen- und Mangohaine sorgfaeltig gepflegt sind. Hier wird gearbeitet, aber nicht mehr gelebt. Ich schlage mein Zelt hinter Bueschen im tiefen Gras auf, dass mich gut betten wird. Im letzten, roten Licht der Sonne esse ich am Steintisch zu Abend, lese und verkrieche mich dann ins kleine Zelt, nachdem ich beim Oeffnen der neuen Zahnmcremetube festgestellt habe, dass die halbleer ist und der Verkaeufer auf den Durchreisenden gewartet hat der nicht zurueckkommt, wenn er den Betrug bemerkt. Die kommen auf Ideen! Selbst ein bisschen Zahncreme ist es wert zu betruegen. Spaet kommt ein Auto, aber man wird mich nicht bemerken, ich hoere einen Hund, der kann mich aber ob der falschen Windrichtung nicht wittern und ich habe jetzt keine Lust aufzustehen. geschrieben am 18.2. in St. Lucia
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