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Reisetagebuch

2/6/2005   Swaziland / Siteki

Ueber Swaziland

Geschichte und Geschichten

(Harald) Als ich morgens aus dem Zelt schluepfe, spricht mich jemand von hinten an, bevor ich in die Buesche pinkeln kann. Einer der Farmarbeiter, wir gruessen uns freundlich, er gibt mir auf traditionelle Weise die Hand. Seit Aethiopien ist es Brauch, beim Gruessen und Entgegennehmen oder Ueberreichen mit der rechten Hand, die linke Hand an den rechten Arm zu legen, meist an den Unterarm. Angeblich, weil man damit zeigt, dass man keine Waffe versteckt. Das Gruessen per Hand oder das Herzeigen der offenen Handflaeche, wie bei den nordamerikanischen Indianern z.B., soll die guten Absichten beweisen: sieh, keine Aggression zu befuerchten, keine geballte Faust, keine Angriffswerkzeuge!

Der Arbeiter spricht kein Englisch und ruft den Vorarbeiter, einen schlanken, kleinen Weissen in einer bunten Flatterhose und mit einem Stoeckchen bewaffnet. Ich erklaere kurz die Situation, der Mann macht kein grosses Gewese und sagt: “O.K.” und geht.

Dieses Kuerzel duerfte das verbreiteste Kuerzel, ja die bekannteste Vokabel Afrikas, der Welt sein. Angeblich gab es mal einen Deutschen in Henry Fords Autofabrik, der als Endkontrolleur am Fliessband das Ford-T-Modell abnahm und den ordnungsgemaessen Zustand der Autos damit quittierte, indem er mit einem Wachsstift die Anfangsbuchstaben seines Namens auf deren Windschutzscheiben schrieb: "O." fuer Otto und "K." fuer Kaiser (oder Karl?). Ich habe schon die abenteuerlichsten Geschichten ueber den Ursprung des Kuerzels gehoert, aber diese Herkunftsstory scheint mir die glaubhafteste.

Ich packe zusammen und fahre bergauf zur Grenze. Heute, am Sonntag, sind die Bankfilialen geschlossen und ich frage mich zu einem Geldwechsler durch. Mit ein paar Freunden liegt er gerade auf einer Strohmatte auf dem Terrassenboden eines weissgetuenchten Hauses. Er ist aus Malawi, genauer gesagt aus Blantyre. Sein Kurs ist ganz o.k., wie ich bald herausfinde und so tausche ich meine Meticas (sprich: Metikasch) in Rand und die Swasische Waehrung Lilangeni, die an den Rand gebunden ist, also 1:1 im Wert steht und getauscht wird. Der Rand wird im kleinen Koenigreich Swasiland als Zahlungsmittel akzeptiert und ausgegeben.

Ich kaufe Wasser, Brot, esse ein gutes Beefcurry und ueberschreite die Grenze. Das Visum ist billig, eigentlich sollte es garnichts kosten, aber fuer 2 Euro will ich keine Diskussionen aufkommen lassen. Der einzige Grenzbeamte ist ausserhalb seines Schalters unterwegs und traegt ein Offiziersstoeckchen, wie ehemals die englischen Kolonialoffiziere. Der Mann ist “tiefer” als breit, heisst, sein Spitzbauch und sein unglaublicher Hintern ragen grotesk aus seiner abstehenden Uniform heraus. Ueber afrikanische Hintern liesse sich ein ganzer Bildband fuellen, ich habe solch formenreiche und ausgepraegte Vier Buchstaben noch nie gesehen.

Es geht bergab, dann durch endlose Zuckerrohrfelder, die dereinst von den Briten angelegt wurden. Swasiland ist ein recht junges Koenigreich, dass vom Clan der Dlamini um 1750 unserer Zeitrechnung gegruendet wurde. Die Dlamini waren auf der Flucht vor den Ndwandwe in Suedmosambik, mussten aber zwei Koenige spaeter erneut diesem Feind weichen und trafen dann 1819 im Norden auf die Truppen des beurehmtesten Koenigs der Zulu, Shaka (sprich: Schaka). Durch Heirat mit einer Tochter des Koenigs der Ndwandwe gelang es dem Koenig der Dlamini Frieden mit der schwaecheren Partei seiner Feinde zu schliessen. Die burischen Siedler, die vor den Englaendern aus den Kap-Provinzen nach Nordosten flohen, paktierten aus gemeinsamer Furcht vor den starken Zulus mit den Dlamini. Der damalige Koenig der Dlamini hies Mswati II und gab dem neuen Koenigreich den bis heute gebraeuchlichen Namen.

Als um 1880 in der benachbarten Provinz Transvaal sowie im Stammesgebiet der Dlamini/Swazis Gold gefunden wurde, verpachtete der Koenig der Swazis Land an die europaeischen Siedler, was die Englaender, nach guter, bewaehrter Kolonialmanier, als Schwaeche auslegten und so machten sie aus dem Koenigreich 1894 ein Protektorat. Die Englaender fochten zwei Kriege gegen die weissen Buren (“Bauern” ueberwiegend hollaendischer und deutscher, z.T. franzoesischer Herkunft), gewannen beide und entliessen danach Swaziland erst 1968 in die Unabhaengigkeit.

Zuckerrohr macht den groessten Teil von Swazilands Einnahmen aus, die ueberwiegend in die koeniglichen Schatullen fliessen. Der derzeitige Koenig Mswati III war Schueler einer staatlichen Schule in England, bis er 1986 zum Koenig erklaert wurde. Er war Sohn einer der 70 Ehefrauen seines Vaters. Mswati III hat z.Zt. 13 Ehefrauen, denen er jeweils einen neuen BMW-Gelaendewagen gekauft hat und die alle in eigenen Luxushaeusern wohnen. Er selbst hat sich gerade einen Maybach zugelegt, mit m.W. ca. 500.000 Euro Kaufpreis einer der teuersten Serienwagen der Welt. Ausserdem hatte er einen Lear-Jet bestellt, einen kleineren Passagier-Duesenflieger, der ueber 20 Millionen gekostet haette. Das Parlament stoppte die Auslieferung, aber der Staat musste die Konventionalstrafe von 6 Millionen EU zahlen. Ein echter Operettenkoenig, denn Swaziland ist eines der aermsten Laender der Welt und dazu winzig. Groesste Geissel des Landes ist die Rekordzahl von 39 % HIV-Infizierter. Einheimische Aerzte schaetzen die Infektionsrate sogar auf ueber 45 %. Zieht man Kinder und alte Leute ab, ergibt sich, dass fast jeder erwachsene Swazi mit HIV infiziert sein muesste. Missionare versichern, dass 70 % der jetzt Sterbenden, die sie beerdigen helfen, juenger als 35 Jahre sind. Es ist die sexuell aktivste Altersklasse, es ist eine ganze Generation, die da wegstirbt. Lebensverlaengernde Medikamente gibt es zwar, aber viele nehmen sie aus verschiedenen Gruenden nicht.

Ueber kurz oder lang wird auch Swaziland zur Demokratie finden muessen, denn das Land ist umgeben von den beiden demokratischen Laendern Mosambik und Suedafrika und wird seit 1973 in einem erklaerten Ausnahmezustand regiert. Reformen hat der derzeitige Koenig zwar immer wieder angekuendigt, aber bisher nichts davon umgesetzt. Warum auch, er lebt ja in Saus und Braus auf Kosten seines Volkes. Jedes Jahr findet eine Brautschau statt, bei der ausschliesslich Jungfrauen zugelassen werden, die dann Zwecks Taxierung vor dem Koenig halbnackt tanzen. Fuer ein armes swazisches Maedchen, dass vom Koenig zur “Freundin” in dessen “Harem” aufgenommen wird, erfuellt sich ein Traum von Luxus, an dem auch seine Familie partizipiert. Bekommt sie vom Herrscher ein Kind, wird sie Ehefrau und falls es ein Sohn ist, koennte sie die naechste Koenigsmutter werden.

Der Koenig ist gehalten, durch Heiraten moeglichst viele Clans des Stammes an sich zu binden, um seine Macht zu sichern. Der jeweils juengste seiner Soehne wird Thronfolger, sobald er alt genug ist. Dieses Verfahren sichert dem Koenig Jungfrauen bis ins hohe Alter.

An einer kleinen Busstation inmitten der endlosen Schilffelder der Zuckerrohrplantagen, mache ich Grosse Pause. Huehnchen mit Reis, Mangosaft. An diesem, wie an jedem Sonntag, sind viele Maennern zum Trinken verabredet. Schon morgens wird zum Fruehschoppen Bier und Schnaps konsumiert und jetzt, zur Mittagszeit, sitzen sie an den Nachbartischen und langweilen sich zu Tode und beleben diesen Zustand mit Bier, aus fuer meine Augen ungewohnt grossen 1-Liter-Bierflaschen. Einem, der sich vor den Anderen produzieren will und mich in mein Huehnchen hinein anquatscht und sich rumpelnd vor mir auf den Tisch sitzt, gebe ich kurze Antworten und sage ihm dann nett und ruhig, dass ich jetzt nicht reden, sondern essen willen, worauf er sich teils grinsend, teils maulend verzieht, um dann immer mal wieder rueberzujaulen: “Hey, white man, hey…” , was ich geflissentlich ignoriere.

Am Nachmittag erreiche ich, nachdem ich weiter endlose Felder durchfahren habe, den Abzweig nach Siteki (sprich: Stegi). In einem Laden sitzt die junge Inhaberin mit ihrem Soehnchen. Sie hat blitzend-weisse Zaehne, ein huebsches Gesicht, schmale Lippen und einen bezaubernden Ausschnitt. Sie spricht gutes Englisch und fragt mich, ob ich hinter dem Laden campieren moechte. Aber dort stehen Autowracks und ein Hund mit einer eitrig-blutig eingewachsenen Kette laeuft umher. Alle Versuche das arme Vieh anzulocken, um ihm das Halsband abzuschneiden, scheitern und man muss vorsichtig sein, denn Tollwut ist hier weitverbreitet. Die Frau hofft, dass ihr Hund ueberfahren wird, weil sie ein schlechtes Gewissen wegen des Zustandes des Tieres hat. Der Hund wird, so gibt sie ohne Zoegern zu, getreten, wenn er zu nahe kommt, weil man sich ekle. Trotzdem fuettert sie das Tier. Ich schlage vor, einen Veterinaer zu fragen, womit man Tier betaeuben kann, um das Kettenhalsband zu entfernen.

“Das machen wir Afrikaner nicht. Es ist, als ob du Geld verschleuderst. Niemand macht sich fuer einen Hund soviel Arbeit.”

Ich fahre weiter nach Siteki, 6 Kilometer steil bergauf, am Ende muss ich schieben, weil ich voellig groggy bin. 600 m hoeher ist es nach Sonnenuntergang kuehl, ich ziehe einen Pullover ueber.

Im Ort sitze ich in einem kleinen Restaurant. Ein chinesischer und ein suedafrikanischer Doktor laden mich auf eine Cola ein. Sie machen eine Studie ueber Aids in den oertlichen Krankenhaeusern und als sie aufbrechen, fahre ich hinter ihnen her, weil mir die Hotels hier zu teuer sind.

Ich lande am Tor eines kleinen Containerhaeuschens auf dem Gelaende einer Luxuslodge, deren Cottages viel zu teuer sind. Doch der Manager laedt mich ein, vor seinem Privathaus mein Zelt aufzuschlagen und hernach ins Haus, um etwas zu Essen.

Ich schlafe im Gras wieder mal ausgezeichnet.

geschrieben am 20.2. In Matubatuba


 


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