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Reisetagebuch

2/8/2005   Swaziland / Siteki

Besuch im Krankenhaus

Arbeiten in Afrika?

(Harald) Mit Kaspar fahre ich zur Schule, auch um ein paar Schwarz-Weiss-Fotos zu machen. Ich setze mich hinter die Lehrerin, ruehre mich nicht und schaue den Kindern moeglichst wenig in die Augen. So wird ihnen das auf die Dauer langweilig und sie beachten mich nicht mehr und dann kann ich Schnappschuesse machen.

Die einzige Lehrerin hat zwar alle Kinder vom Spielhof in die Klasse gerufen, aber jetzt sitzt sie 40 Minuten lang einfach da und zeichnet Linien in ein Heft, um die Namen der Kinder aufzuschreiben. Die Kinder werden unruhig, worauf die Frau ungehalten zischt oder aergerlich etwas sagt. Warum sie ueberhaupt diese Linien zieht, anstatt ein Linienheft zu kaufen, oder- warum sie die Linien nicht vor der Unterrichtsstunde malt, weiss ich nicht. Das Kinder zur Schule gehen, heisst noch lange nicht, dass sie auch genug lernen. Ich habe auf Schultafeln, in Schulbuechern und in Hausaufgabenheften schon soviel hanebuechenden Unsinn gelesen, dass mich kaum noch etwas wundert. Englischlehrer, die kein Englisch sprechen, kenne ich ja schon seit der Tuerkei. Paedagogik ist einigen Lehrern wohl nie gelehrt worden. Ausserdem sind Klassengroessen von ueber 100 Schuelern und die fehlende Altersgruppentrennung ein Lernhinderniss, etwas anderes als Frontalunterricht ist da garnicht durchzufuehren. Es fehlt an Unterrichtsmaterial. Woher sollen die Kinder die Weltkarte z.B. kennen, wenn sie eine solche nie zu sehen bekommen?

Die Kinder gehen ruede miteinander um, Spiegel ihres Daseins. Sie schlagen sich staendig, dabei lachen sie oft, selbst Boxen, Treten oder Steinewerfen wird mit Gelaechter beantwortet. Alle Frauen hier wirken genervt, uebellaunig, sobald sie das Gefuehl haben, ich, wir saehen nicht hin.

Im Raum haengt ein saeuerlicher Geruch nach altem Schweiss- die Kinder braeuchten taeglich eine Dusche und saubere Kleidung und dringend Tische, auf denen sie schreiben koennen, sowie Schulbuecher, Stifte, es fehlt an einer Tafel und einem richtigen Lehrer. Anstatt, wie ich das in Kenia und Tanzania mehrmals erlebt habe, jungen Lehrern aus Europa ueber Agenturen Geld abzuverlangen, damit sie helfen koennen-duerfen, sollte sich jemand die Muehe machen und Projekte wie diese auflisten. Diese Hilfswilligen zahlen manchmal hunderte von Euros monatlich, neben den Kosten fuer Unterkunft und Verpflegung wohlgemerkt, um in Afrika unterrichten zu helfen.

Bei der Essensausgabe verbringen zwei Frauen endlos Zeit damit, die Kinder in eine Reihe zu bugsieren, anstatt gleichzeitig mit der Ausgabe zu beginnen, die von zwei anderen Helferinnen besorgt wird. Dabei und im Unterricht, gibt es immer wieder Knueffe, Schupsen, Schlagen fuer die Kinder. Nichts Exzessives, aber es ist eine rauhe Atmosphaere.

Kaspar erzaehlt von Kleinkindern, die er aufgenommen hat, weil sie auf dem Muell gefunden wurden. Meist sind es Kindermuetter, wie auch in Deutschland an den Kinderklappen, die mit einem Baby nichts anzufangen wissen, oder es verbergen wollen. Kaspar erzaehlt von einer Frau, die ein solches Kind aufnahm und dann nicht mehr aufhoeren konnte, angesichts des Elends, dass sich durch Aids so sehr verschlimmert hat. Nach und nach nahmen sie und ihr Mann 18 Waisen auf, in einen Raum, der fuer 3 Personen gedacht war. Sie fanden keinen Schlaf mehr, gaben ihr letztes Geld fuer Nahrung aus, aber nach und nach kamen Spenden herein und heute haben sie ein kleines Waisenhaus. Dieses Engagement scheint Kapsar ein Beispiel zu sein.

Ich gehe zum Krankenhaus. Der Wartesaal ist voll, aber geordnet. An den Waenden und von der Decke haengen Poster und Schilder wie: "Liebe zu Hause bringt Frieden und Glueck", "Nicht jeder ist HIV-infiziert", und "Kein Kondom=kein Sex" und "Aids: Schuetze deine Frau und deine Kinder!" Das Foto eines Mannes Ende Zwanzig scheint das mit einem schraegen Blick von letzterem Poster aus zu sagen: "Hey, kommt Sportsfreunde, so schwierig ist das doch nicht..."

An der Decke haengt die rote Aidsschleife, die hier auch Strassenschilder, Fahrbahnpoller, Hauswaende, Autokofferraeume, Laternenpfaehle etc. ziert.

Fotos der verstorbene Eltern des jetzigen Koenigs haengen an den Waenden, beide in traditioneller Tracht, er wie ein echter Krieger.

Am Nachmittag bin ich bei einem deutschen Missionarspaar eingeladen, um dort zu uebernachten. Heike und Norbert haben fuer sich und ihre zwei Kinder hier vor zwei Jahren ein Haus gebaut und allein die Geschichten ueber den Haubau fuellen einen Abend. Der Terrassenueberbau war z.B. derart baufaellig, dass er sofort wieder abgerissen werden musste. Mein beruflich geschultes Auge bleibt da ueberall haengen und immer wieder muss ich lachen, wenn ich sehe, wie z.B. Estriche oder Fliesen verlegt und die Kueche gebaut wurde. Norbert sagt, dass hier eben jeder einfach einen Beruf ausfuehrt, aber viele diesen eben nicht im Geringsten beherrschen.

Norbert hat, wie Kaspar auch, Erfahrung mit Polizeischikanen, Korruption und Buerokraten, die mehr hindern als helfen.

Frustration kann man sich hier schnell einfangen, dann geht erst innerlich und dann tatsaechlich irgendwann nichts mehr. Man ist zu, lehnt ab, wehrt sich nur noch. Das nuetzt beiden Seiten nichts. In Afrika zu arbeiten, zu leben, ist nicht einfach, verlangt viel Staerke, Ruhe, Wohlwollen, Toleranz. Ich bin mir nicht sicher, ob ich selbst dazu in der Lage waere. Man verfaellt allzu leicht in Wehklagen und sieht Afrika nur noch als Hort von Elend und Muehsal und nicht mehr, wieviel gute Ansaetze es gibt und Hoffnung, Staerke und Schoenheit.

Verstaendnis fuer die Kultur, das Warum und Woher zu wecken, habe ich mir auf die Fahne geschrieben. Ich hoffe, es gelingt mir.

geschrieben am 22.2. in St.Lucia


 


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