2/23/2005 Suedafrika / Mtubatuba
Aaargh!
Von Grillhaehnchen
(Harald) Morgens Bad im Pool, Fruehstueck unter Palmen, ueber mir fliegen Hadada-Ibisse hinweg, eine Kroete, dick wie meine Faust, schwimmt verzweifelt im Chlorwasser umher. Sie hat heute nacht ihren schaumigen Gelegeball an den Schwimmbadrand geheftet, im Wasser rudert auch ein Kaefer, lang und dick wie ein Mittelfinger, mit ebenso langen Fuehlern, im Beet neben mir kriecht eine Schnecke, gross wie eine Mango. Neben diesem goliathischen Exemplar saehen Weinbergschnecken wie Babys aus. Die muetterlich-freundliche Gastgeberin Kay und der gradlinige John verabschiden mich. Der Gaertner haelt lautstarke Monologe vor den beiden Haushaeltshilfen in der Kueche, die er sofort erobert hat, nachdem die Hausherren gefahren sind. Ich verabschiede mich von Sibongile: “Eine sichere Reise.” Und: “Moege Gott ueber dir sein.” 65 km bis Empangeni. Die Sonne scheint, kaum ein Woelkchen am Himmel. In flachen Wellen rinnt die Strasse unter mir weg, breit, sauber geteert. Ich fahre auf dem breiten Standstreifen gegen den Verkehr, auch wenn das manchen Zeitgenossen am Steuer zum Verkehrserzieher mutieren laesst, der mir hupend oder, mich bewusst frontal ansteuernd, klar machen will, dass ich nicht auf seiner Seite zu fahren habe. Die Wenigsten von denen duerften jemals die Erfahrung gemacht haben, wie es sich anfuehlt, voellig ueberraschend von hinten (Blick ueber die Lenkerstange, Kopf gesenkt, Gegenwind, Blut rauscht in den Ohren, der Wind sowieso, nichts hoerst du sonst) fast vom Rad gepustet zu werden, der staehlerne Rahmen einer LKW-Ladeflaeche 30 cm neben deinem Bein mit 100 km, der verwirbelte Wind eines Lastzuges, der dich mit dem Lenker wackeln laesst, als ob dir jemand dagegengetreten haette. Dazu die Ohnmacht, wenn dir jemand auch noch den Stinkefinger aus dem Seitenfenster heraus zeigt, kannst ihn nie einholen, je mehr du dich sichtbar echauffierst, desto groesser der Spass fuer diese Typen. Ich bin ja kein Mystiker (oder?), aber ich habe mich im Traum ja nicht nur vor der Reise alleine gesehen, sondern auch am Boden und bis jetzt geglaubt, dass sei ein Unfall gewesen. Aber was, wenn das die Szene in Joburg im Park war? Endlose Eukalyptusplantagen in strenger Geometrie, nicht zufaellig, wie in Aethiopien, Zuckerrohrfelder. Die Luftfeuchtigkeit klebt mir das Hemd an den Koerper. Im Schatten einer jungen Baumpflanzung esse und lese ich, auf einem Baumstumpf sitzend. Riesige Heuschrecken umschwirren mich mit leuchtend roten und orangenen Fluegeln, die mir gutbekannten Eidechsen mit koenigsblauen Schwaenzen beaeugen mich misstrauisch. Im “KFC” in Empangeni bitte ich die Maedels am Tresen fuer mich den hiesigen Backpacker anzurufen. “Wenn wir Spaetschicht haben, nimmt keine von uns ihr Handy mit, damit wir nicht ueberfallen werden.” Wenn man weiss, wieviel einem jungen Maedchen hier ihr Statussymbol Handy bedeutet, ahnt man, wie gross die Angst vor Ueberfaellen hier ist, auch in der Provinz. Der indischstaemmige Schichtfuehrer ruft ueber sein Handy fuer mich an und nach zwei Stunden erscheint endlich ein blonder, sommersprossiger Rauscheengel Mitte Zwanzig mit einem schwarzen 12-jaehrigen und laedt mich und das Rad auf. Das Maedchen hat vor ein paar Wochen den Besitzer des Backpackers geheiratet, sie sind gerade aus den Flitterwochen zurueck. Die Herberge liegt inmitten der Zuckerrohrfelder, 20 km ausserhalb der Stadt, unfindbar. Still, wirklich ruhig hier. Winziger Pool, das Zimmer aufgeheizt wie eine Sauna, weswegen ich mein Zelt aufschlage. Abends hat Sally, wie das kurvige, lockige Model heisst, gekocht. Ihr Mann kommt spaet, ein durchtrainierter 30er voller Taetowierungen, mit kahlrasiertem Schaedel und Salvador-Dali-Bart. Die Beiden passen aeusserlich ueberhaupt nicht zusammen und das Raetsel loest sich erst, als Sam zu reden beginnt. Neben Selbstsicherheit und Klarheit zeigt sich da ein feinfuehliger Mensch, der nicht nur den 12-jaehrigen in den Haushalt aufgenommen hat- bevor er seine Frau lennenlernte-, sondern fuer weitere 14 Aidswaisen Schulgeld, Kleidung und Essen aufbringt, indem er eine Hilfsorganisation ins Leben gerufen und Spenden gesammelt hat und wie ein Vormund agiert. Die Welt braucht Helden. Die groesste Taetowierung auf Brians Ruecken ist in Gaelisch geschrieben, der ausgestorbenen irischen Ursprache und bedeutet “Freiheit”. Er selbst ist schottischer Abstammung, hier in diesem Haus aufgewachsen. Er antwortet mir, dass es hier noch Leoparden, Buschboecke, Schlangen und Warane, sowie Zibet- und andere Ginsterkatzen, Servale, Mangusten und Blauaffen gibt. Der Waise schaut fern, amerikanisches Wrestling, ein TV-Export-Schlager wohl in ganz Afrika, dass sehe ich seit Aegypten schon. Muskelbepackte Grillhaehnchen, die einander in sichtbar einstudierten Choreografien wie Dummies in Ringseile schleudern und mit vielen gebruellten “Wuawuas” und “Aaaarghs!” ihrem exorbitalem Testosteron-Exhibionismus froenen. Frei nach der USA-Maxime: “Beluege mich, betruege mich, mach wir was vor, koste was es wolle- aber langweile mich bloss nicht!” Sallys Beefcurry- formidabel. Ich beschliesse, einen Tag zu bleiben. geschrieben am 5.3. in Durban
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