2/25/2005 Suedafrika / Mtunzini
Juliette
Es soll nicht sein
(Harald) Brian fragt mich, ob ich mit zur Schule komme, wo er den Jungen absetzt. "Die singen sehr schoen morgens” lockt er mich. Die Schule liegt inmitten eines Buschlandes voller verstreuter Kleinhaeuser, eine hoppelige Lehmstrasse fuehrt hin. 450 Kinder zwischen 6 und 12 Jahren werden hier unterrichtet. Vor den beiden Pavillions muessen sie wie Soldaten in Reih und Glied antreten, in zweifarbigen Uniformen. Unterrichtsbeginn soll um 7.30 Uhr sein, aber nur die Haelfte der Schueler ist puenktlich. Um 7.45 beginnt die Rektorin mit Ermahnungen, einer Bibellesung, es wird im Chor gesungen und zum Abschluss folgt ein gemeinsames Gebet. Brian sagt, Muslime gaebe es hier keine. Mehr als 60 Schueler sind mehr als 15 Minuten zu spaet, die Letzten trudeln gemaechlich eine Dreiviertelstunde zu spaet ein. Verspaetungen, Singen, Gebet- die erste Schulstunde ist um. Als ich Brian frage, warum nicht die Nationalhymne gesungen wird, ein wirklich schoenes Lied eigentlich, bedankt er sich fuer die Idee, geht zur Rektorin, schlaegt ihr das vor und die bedankt sich ebenfalls bei mir: “Das machen wir”, sagt sie. Brian laedt mich zu einer Gelaendefahrt ein. Er lenkt seinen Jeep durch den Busch, durch schulterhohes Gras, dann geht es derart steil bergab, dass man vor der Autoschnauze keinen Weg mehr erkennt. Ich stemme mich gegen das Armaturenbrett, der Wagen kippt foermlich ueber die Kante und bremst mit seinen Allradantrieb ab. Hoelle, ist das steil! Ich habe das Gefuehl, der Wagen muesse sich ueberschlagen, Brian grinst daemonisch neben mir: “Hah! Hab ich dich!” scheint sein Blick zu sagen. Hangaufwaerts schafft der Wagen die Steigung nicht, trotz Anlauf, Steine, Erde, Aeste spritzen hinten weg, der Wagen schwimmt hin und her, dann laesst Brian ihn zurueckrollen, ich liege wie beim Zahnarzt auf dem Ruecken dabei. Abschied, ein kraeftiger Handschlag, Sally unterrichtet schon laengst in ihrem Fachgebiet Computertechnik in der nahen Schule. Es sind nur 35 km bis zum naechsten Backpacker in Mtunzini. Linker Hand sehe ich auf auf der Strecke zum ersten Mal das Meer- ein Anblick, der sich mir jetzt immer wieder bis zum Ziel bieten wird. Darauf habe ich mich so lange gefreut. Heute herrscht Sturm, ich schaetze die Windgeschwindigkeit auf 35-40 km/h und das von vorne. Ehrlich gesagt, bin ich es richtig satt, als ich in dem malerischen Mtunzini ankomme. Gegen einen solchen Wind anzufahren auf dieser Schildkroete von einem Rad macht keinen Spass. Ich frage inmitten der huegligen Gartenlandschaft des Oertchens eine Weisse mit zwei Kindern, die vor einer Schule in ihrem Auto auf weitere Kinder wartet, nach dem Weg. Sie sagt einem ihrer Kinder, es solle auf die anderen warten und eskortiert mich zum Backpacker, kurvt umher, sucht, erfragt. Dann laedt sie mich ein, mit ihr abends zum Karaoke und Tanzen zu gehen. Ich habe schon gedacht, Du fragtest nie…Klar, machen wir. Der Backpacker liegt direkt neben den Bahngleisen, aber malerisch. Ein einsamer junger, dunkelhaeutiger Kerl und ich und Juliette, eine Kampfhuendin, die sich offensichtlich unsterblich in mich verliebt. Sie weicht mir nicht mehr von der Seite, setzt sich dauernd auf meinen Fuss, stupst mich mit der Nase an, haesslich wie die Nacht dieses Tierchen. “Sie toetet jeden anderen Hund, wir wollten ihr Gesellschaft verschaffen, aber sie hat zwei Jungtiere zerbissen. Ein echter Killer,” warnt mich der Junge. Eins ist sicher: Diese Huendin, die sich vor den Eingang meiner Rundhuette legt, wird mich beschuetzen. Sie watschelt mit wackelndem Kopf in die Huette, springt auf meine Bettwaesche, laeuft einmal ueber alles drueber und wieder hinaus. So. Das waere dann erledigt und geklaert. (Dachte ich, bis sie mit unglaublicher Wucht zu spaeter Stunde den grossen Reissverschluss des Eingangs von unten hochschiebt und sich auf das Bett neben mir legen will. Sag mal, in dir wohnt nicht zufaellig eine andere Seele, haeh, Hundchen, das mit uns kann nicht gutgehen, wir sind einfach zu verschiedem. Wenn ich nur deine Schnauze angucke, ich kann mir das einfach nicht vorstellen, missverstehe mich nicht, zehn Brueste, sicher, tolle Zunge, aber die Beine, die Beine, nee,…) Abends gehe ich in das kleine Ortszentrum zum Tanz. Leider Pustekuchen, denn mangels Nachfrage, ob eines lokalen Rugby-Spieles, faellt der heute aus, naechste Woche wieder. Mein Date wartet nicht, weil wir keine Uhrzeit ausgemacht haben, ich gehe zurueck. Es beginnt zu regnen. Unter dem Vordach einer Lagerhalle hinter dem Gelaende des Backpackers, direkt an den Gleisen, stellt sich eine grosse Gesellschaft Jugendlicher ein. "Die wollen hier Bier und anderen Alkohol trinken, Rauchen und Stoff, naja, Hasch und so, sie verstehen…" erklaert der Waechter. Er ruft die Polizei. “Und die rufen einen privaten Wachdienst,” erlaeutert er mir. Seltsame Umstaende, eine Polizei, die eine Sicherheitsfirma um Hilfe ruft. Und erwartungsgemaess erscheint niemand. Also gehe ich selbst rueber, der Waechter mag nicht, befuerchtet vielleicht Repressalien. “Wisst ihr, dass hier ein Backpacker ist Leute? Tolle Ravemusik, super Lautsprecher in den Autos, klar. In der Stadt tote Hose, kein Platz zum Partymachen, hab ich selbst gesehen.” Die Jugendlichen sind sehr hoeflich, drehen die Musik runter, gehen auf die Rueckseite des Gebaeudes. Um vier Uhr in der Nacht kommen sie wieder, diesmal fasst sich der Waechter ein Herz und wieder weichen sie ohne das boese Worte fallen. Sehr wohlerzogen. geschrieben am 5.3. in Durban
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