2/27/2005 Suedafrika / Durban
Im Tekweni-Backpacker
Kriminalitaet ueberall
(Harald) Ich verbringe den Tag am Strand, geniesse Essen und kalte Getraenke. Urlaub. Durban ist von hier aus am Horizont deutlich zu sehen, eine Hochhaussilhouette. Um 17 Uhr fahre ich los, radle 50 km entlang der Kueste. Gegenwind, Sonne von rechts, meine Haare auf den Unterarmen sind hellblond geworden, meine Haut kann nicht mehr brauner werden, verbrennt aber immer noch. Die Riemen meiner Sandalen zeichnen sich als helle Streifen auf meinen Fuessen ab. Nicht nur meine Haut hat sich veraendert. Ich bin, nach ca. 20 Jahren, meine Lebensmittelallergien losgeworden. Das war ein langsamer Prozess, dessen Entwicklung ich zunaechst nicht traute, der mir jetzt aber Gewissheit geworden ist. Ich habe endlich, nach so vielen Jahren wieder, Aepfel, Moehren u.a. Obst und Gemuese essen koennen. Mein, in der deutschen Hyperhygiene gelangweiltes Imunsystem ist in Afrika auf Vordermann gebracht worden. Waehrend hier andere Touristen fiebernd, mit Durchfaellen und Erbrechen in den Betten liegen, habe ich keinerlei Probleme mehr. Einheimische Aerzte sagen auch, dass nicht jeder, der mit dem Malariaerreger infiziert wurde, einen Anfall bekommt, oder zumindest nicht in schlimmer Form. Voraussetzung ist ein fittes Imunsystem, dass einerseits durch staendiges “Training” gepraegt wird, also u.a. der staendigen Konfrontation mit Fremdstoffen, Bakterien und Viren, die eine Reaktion des IS ausloesen, sowie andererseits durch eine gute Ernaehrung und koerperlich-seelische Verfassung. Wie auch z.B. bei einer Grippe, kann auch der Ausbruch von Malaria oder AIDS nach einer HIV-Infektion hinausgezoegert oder gedaempft werden. Entlang der Strandpromenade radle ich nach Einbruch der Dunkelheit in die Stadt. Ein grosses, neonbeleuchtetes Einkaufs- und Vergnuegungszentrum ist hier Mittelpunkt. Kinos, Restaurants, Laeden. Ueberall Wachleute, bewaffnet mit Schrotgewehren und Revolvern. Wenn an den Bankfilialen die Geldtransporter vorfahren, steigen zunaechst durchtrainierte Jungs mit M-16-Gewehren aus, dass sieht wie ein Kampfeinsatz aus. Sie laufen umher, wechseln staendig den Standort, den Finger langgestreckt am Abzug spaehen sie wie in einem Actionflm umher. Vor jedem Lebensmittelladen derselbe Anblick: Ein Wachmann mit Schrotgewehr, einer mit Pistole, dazu einer am Eingang mit Funkgeraet und im Laden noch einer. Ich fahre weiter, frage an einer grossen Einmuendung einen indischstaemmigen Jogger um die Sechzig, wie ich zum Stadtteil Morningside komme. Nach kurzer Erlaeuterung erzaehlt mir der Mann unaufgefordert, dass er nur noch mit einem Messer im Hosenbund hier langlaeuft. Sein Bruder sei vor einem Jahr in Durban in seinem Laden ueberfallen und ermordet worden und er versuche seitdem, damit fertig zu werden. Er hat Traenen in den Augen, als er das erzaehlt, ich stehe waehrenddessen noch auf meinem Fahrrad. Es faellt mir schwer, dem Gespraech ein Ende zu setzen. Der Mann laeuft los, kommt aber sofort wieder zurueck: “Wenn ich Platz zu Hause haette, wuerde ich sie einladen. Ich wuensche ihnen eine sichere Reise.” Sprachs und entschwindet zwischen den Abendspaziergaengern um uns herum. Ich fahre ins Zentrum, es ist stockduster, ich stoppe an einem hellerleuchteten Schaufenster, um den Stadtplan zu studieren. Ein Wachmann beobachtet mich, bietet mir an, den Backpacker von der Zentrale aus anzurufen. Der Dienstleiter des privaten Sicherheitsunternehmens ist indischstaemmig, spricht sehr gut Englisch. In Durban ist Englisch erste Sprache, Afrikaans wird seltener gesprochen. Ich suche und finde den Tekweni-Backpacker in einer Nebenstrasse, hinter hohen Mauern, die von Elektrozaeunen ueberkront werden. Der elektrische Tueroeffner wird erst nach einer kurzen Vorstellung geoeffnet: "Ich bin ein Radfahrer aus Deutschland. Haben sie ein Dormbett frei?" Drinnen ist der Teufel los, hier boxt der Papst im Kettenhemd: Jede Menge Leute, eine deutsche Studentengruppe, Swimmingpool, Billiard, Techno-Musik, ein Hauch von Marihuana liegt in der Luft, Bierflaschen ueberall, Grillduft, uebervolle Abfalleimer, klingelnde Telefone. Im Dorm stinkt es nach Schweiss und ohne Tempotaschentuch in den Ohren ist an Schlaf auch nach Mitternacht nicht zu denken. geschrieben am 14.3. in Port Edward
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