3/14/2005 Suedafrika / Leisure
Angebaggert
...kaempfen Goetter selbst vergebens
(Harald) Michael faehrt mich samt Rad nach Margate, nachdem wir in Port Edward erfahren haben, dass hier kein Rad repariert werden kann. Es ist mal wieder ein Indischstaemmiger, der den Laden fuehrt. In einer Stunde sei das Rad fertig, sagt der schwarze Monteur. Michael fragt, ob ich Lust habe, am Boulevard spazieren zu gehen. Ich bedanke mich fuer die Taxifahrt, er sagt, er wuerde alles fuer mich tun. Haeh? Ich schaue ihn genauer an. Ist der schwul? Margate ist ein echter Badeort voller Urlauber, jede Menge Strassenhaendler, die Ramsch anbieten, Schnitzereien, Specksteinarbeiten, billiger Schmuck, aber auch schoene Flechtarbeiten. Michael erzaehlt, dazwischen, deucht mir, hoere ich sowas wie “you are beautiful..” Also doch. Im Wimpy am Strand sitzen wir draussen, Capuchino und Kaesekuchen und er wills wirklich wissen, faehrt fort mit seinen Schmeicheleien, bis ich ihm sage, er solle aufhoeren, ich sei nicht schwul, ein unverbesserlicher Hetero. Das irritiert ihn keineswegs, scheint ihn eher aufzumuntern, ein echter Never-give-up. Trotzdem ist er nicht wirklich aufdringlich, die Atmosphaere nicht unangenehm, ich versuche es mit Humor zu nehmen. Wir holen das Rad ab. Die Speichen sind ersetzt, aber jetzt schleift die Vorderradbremse, (was ich erst feststelle, als wir wieder im Backpacker sind). Als ich den Mechaniker frage, ob er geprueft hat, ob noch mehr Speichen zu fest gedreht sind, sagt er, die wuerden nur reissen, wenn das Rad ein Ei habe. Ich sage ihm, dass Rad habe ein Ei, weil die Speichen gerissen seien und nicht umgekehrt. “Don’t worry,” meint er. Ich hake nach: Hat er die Speichen geprueft? Wieder die gleiche Erklaerung, es gebe ja kein Ei mehr, deshalb koenne nichts passieren. Ich zupfe an den Speichen, um ihm zu zeigen, was ich meine, er lacht, ich gebe auf. Gegen die festgesetzten Bilder in den Koepfen kaempfen Goetter selbst vergebens. Auf der Rueckfahrt schaltet Michael mit meinem Knie, worauf ich etwas deutlicher werde: Es reicht! Er grinst und meint, er wuerde nicht hoeher mit seiner Hand gleiten, hahaha. Stop it, mache ich ihm nochmals klar, ich mag das nicht. Und fuehle mich in ungewohnter Situation, der Angebaggerte zu sein. So ist das also fuer Frauen! geht mir durch den Kopf. Eine Hollaenderin ist eingetroffen, wir sind die einzigen Gaeste heute. Michael kocht und isst mit mir. Das Mahl ist ueppig und erstklassig und ich sehe an Jeanys Blick, dass Michael sich wohl den Spruch zu eigen gemacht hat, das Liebe durch den Magen geht und dies kein uebliches Essen ist.. Ich bitte Jeany, aus ihrem Berufsleben zu erzaehlen. Was koennte spannender sein, als ein Polizistenleben in Johannesburg, wo sie 12 Jahre im Einsatz war (s.d.). In der Nacht jongliert Michael wieder. Es ist die beste Feuerjonglage, die ich bisher gesehen habe. Zur Musik von “Massive Attack” (Unfinished Sympathie) tanzt er und wirbelt die Ketten in irrwitzigem Tempo um seinen Kopf und Koerper ohne einen einzigen Fehler, ueber eine Stunde lang. Anschliessend versuchen wir Gaeste es. Ich “jongliere” selbst gelegentlich zu Hause mit japanischen Sais, grossen Stahlgabeln, bin die Drehbewegungen einigermassen gewohnt, aber nach einer Stunde bin ich ueberall voller Russ von verbranntem Paraffin und es stinkt nach verbranntem Haar. Der Spass ist nicht ungefaehrlich, denn wenn die Kette sich um einen wickelt, wird man sie nicht schnell genug los, um Verbrennungen zu vermeiden. Michael erzaehlt, dass ein Gast es unbedingt probieren wollte, aber sein Haar bald in Flammen stand und er in den Pool sprang, um sich zu loeschen. Noch lange hoeren wir Musik, erzaehlen uns von Beruf, Leben und Reisen, waehrend draussen ueber dem Meer Wetterleuchten flackert, eines der grossen Wunder der Natur, denn eigentlich koennen wir einen Blitz ja garnicht sehen, weil er nur einen millionsten Teil einer Sekunde dauert und unsere Sinne solche Geschwindigkeit nicht erfassen koennen. Aber die ungeheure Lichtfuelle erzeugt eine Art Nachbrennen auf unserer Netzhaut und das ist wahrnehmbar. Im Dorm setze ich wie immer die Kopflampe auf und lese etwas, bis mir die Augen zufallen. geschrieben am 22.3. in Port St. John
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