3/14/2005 Suedafrika / Leisure
Jeanys Geschichten
Alltag einer Polizistin in Johannesburg
(Harald) Jeanys Neffe ging zur Polizei in Johannesburg und machte seine Tante neugierig. Zunächst half sie dort nur im Buero aus, dann lud man sie zu den Schiessuebungen ein. Sie war eine gute Schuetzin, so dass die Kollegen sie ermunterten, doch Kurse zu belegen und spaeter auch dazu, eine Bewebung abzugeben, was sie 1990 erfolgreich tat. Sie erlebte also die letzten Jahre vor dem Ende der Apartheid 1994 mit. Ihr Haupteinsatzgebiet war in Johannesburg der Stadtteil Branston. Zu Zeiten der Apartheid war das der reichste und ein nur von Weissen bewohnter Stadtteil, ausser zum Arbeiten war allen Schwarzen der Aufenthalt in der Stadt verboten. Sie mussten abends in die Townships fahren, die von den Weissen “angelegt” worden und nicht gewachsen/entstanden waren. Ende der 80er Jahre hatten die Spannungen in Suedafrika (S.A.) ihren Hoehepunkt erreicht, den vielen Unruheherden in den Townships wurde die Polizei nicht mehr Herr, ein Ende der Unterdrueckung war unausweichlich. Es kam zu staendigen Erschiessungen in den Strassen der Townships, die Polizei konnte nur noch mit Panzerwagen durch die Strassen fahren. Massenstreiks, Attentate, auch Weisse, die sich zu humanitaeren Zwecken unter Schwarzen aufhielten, riskierten und verloren manchmal ihr Leben. Jeany erzaehlt auf mein Nachfragen hin vom sog. “Necklace”. Der suedafrikanische Geheimdienst bezahlte viele Informanten in den Townships, um potentielle Anfuehrer und geplante Aktionen zu outen. Wer unter den Schwarzen als ein solcher Verraeter erkannt (oder faelschlich dafuer gehalten) wurde, wurde oft gefoltert, zusammengeschlagen und dann oeffentlich hingerichtet. Hierbei stuelpte man dem Opfer einen Autoreifen ueber den Hals, uebergoss es mit Benzin und zuendete es an. Jeany erzaehlt, dass diese Hinrichtungsart spaeter auch gelegentlich Leuten widerfuhr, die aus Eifersucht oder Neid denunziert wurden. Ich frage nach schwarzen Polizisten. Ja, die gab es, sie konnten Sergeant werden, aber keine Offiziere. Zudem waren sie unter Schwarzen nicht gelitten und soziale Aechtung war fuer sie nahezu unertraeglich. Jeany diente in der Patrol Police, Preventing Unit, d.h., sie fuhr Streife. Eines abends riefen Kollegen sie per Funk, weil bei einer festgenommenen Frau eine Leibesvisitation gemacht werden musste. Die Verdaechtige lehnte vornuebergebeugt mit beiden Haenden an einer Wand, Beine gespreizt. Jeany tastete sie ab, als die Frau aus ihrem Kopfhaar ein Messer zueckte und es Jeany rueckwaerts in den Oberschenkel stiess. Jeany selbst hat nie auf jemanden geschossen. Aber viele ihrer Kollegen mussten dies. Eines Nachts wurde sie per Funk zu einem Haus beordert, in dem es nach Angaben der Nachbarn zu Streit gekommen war. Sie schellte an der Tuere, waehrend ihr Kollege noch am Tor stand. Im Haus war es zu einem Totschlag gekommen, wie sich spaeter herausstellte und der Taeter stand im Dunkel des Hofes, wo Jeany ihn nicht sehen konnte. Von dort aus schoss er auf sie, verfehlte sie aber. Jeanys Kollege schoss wiederum auf den Mann, verfehlte diesen ebenfalls, aber der Mann gab daraufhin auf und liess die Waffe fallen. Jede Woche wurde Jeany mindestens einmal zu Einsaetzen beordert, bei denen es um Gewalt in den weissen, wohlhabenden Familien ging, meist war Alkohol im Spiel. Geschlagene Frauen, misshandelte, missbrauchte Kinder. Jeany hat erlebt, dass sich Kinder auf sie stuerzten und ihre Oberschenkel umklammerten: “Nimm mich mit, lass mich nicht hier.” In solchen Faellen waren beide Elternteile in die Missbraeuche involviert. Eines Nachts fuhr sie mit einer Kollegin auf der Autobahn Streife und sah einen verunglueckten Wagen auf dem Gruenstreifen in der Mitte und einen Mann, der sich gerade von der Unfallstelle entfernte. Der Schwarze war gut gekleidet, versuchte aber offensichtlich zu entkommen. Die beiden Polizistinnen stellten ihn. Der Mann leugnete, dass er der Fahrer des Unfallwagens sei. Er habe nur mal in das Auto schauen wollen, als er es gesehen habe. Auf die Frage, was er um 2 Uhr nachts auf der Autobahn zu tun habe, gab er an, eine Verabredung mit einer Freundin in einer Einkaufsmall zu haben, die aber um diese Zeit geschlossen war. Jeany befahl dem Mann in den Streifenwagen zu steigen, was der Mann verweigerte. Jeany zog die Waffe, die Kollegin durchsuchte den Verdaechtigen. In seiner Tasche fand sie Autoschluessel, die zu dem Unfallwagen passten, worauf der Mann angab, er habe gelogen, weil er betrunken gefahren sei. Jeany setzte sich in den Unfallwagen und durchsuchte diesen. Sie griff unter den Sitz und fand ein nasses Buegeleisen (alte Bauart zum Aufklappen, im Inneren werden heisse Kohlen gelagert). Als sie ins Scheinwerferlicht trat, sah sie, dass die Naesse Blut war. Der Verdaechtige sagte aus, er habe sich selbst verletzt, wies aber keinerlei Wunden auf. Er wurde in Handschellen gelegt, per Funk seine Adresse ausfindig gemacht, Jeany fuhr dorthin. Im Haus fand sie einen erschlagenen Mann. Ein Unfall auf der Autobahn. Eine weisse Frau war voellig betrunken gefahren und hatte ein Motorrad gerammt. Fahrer und Beifahrerin waren sofort tot. Waehrend die fast unverletzte Verursacherin keinerlei Entsetzen zeigte, mussten die Besatzungen mehrerer Streifenwagen mit Taschenlampen den Kopf der weiblichen Leiche suchen. Es war Jeany, die diesen nach stundenlangen Suche, noch behelmt, weit entfernt fand. Die Fahrerin bezahlte lediglich umgerechnet 600 Euro und wurde zu lediglich 18 Monaten auf Bewaehrung verurteilt. Polizisten wurden oft selber Opfer. Ein Kollege und seine Frau wurden eines Nachts im Einfamilienhaus ueberfallen. Die drei schwarzen Taeter standen bereits im Schlafzimmer, richteten Pistolen auf das Ehepaar. Sie wollten die Dienstwaffe des Polizisten, Geld, Schmuck. Waehrend zwei Taeter den Safe leerten, versuchte der Mann an eine verborgene, zweite Waffe zu gelangen, weil er annahm, dass sie beide, sobald die Dienstwaffe gefunden war, erschossen wuerden. Es gelang ihm den Mann abzulenken, der die Waffe auf ihn richtete, an seine zweite Pistole zu gelangen und diese auf den Taeter zu richten, der jedoch zuerst schoss und ihm einen Streifschuss im Gesicht zufuegte, bevor der Polizist ihn erschiessen konnte. Die anderen Taeter flohen unerkannt. Monatelang stand der Polizist vor Gericht, war des Totschlags angeklagt, bis er freigesprochen wurde. Viele von Jeanys Kollegen suchten Entspannung im Alkohol, weil sie den Stress nicht aushielten. Ein Kollege, der im Township Soweto eingesetzt war, dem haertesten Einsatzort der Provinz Gauteng, ertrug seine Lebensumstaende nicht mehr. Bei einem Streit aus harmlosem Grund richtete er ein Schrotgewehr auf Jeanys Hals und drohte, sie zu erschiessen. Er wurde mehrere Monate lang psychologisch betreut, dann entlassen. Jeany atmet tief durch: “Auch ich habe angefangen zu trinken, wenn ich ehrlich bin. Ich hielt es nicht mehr aus. Die Kinder und all das…” Sie greift nach dem Fruchtsaft vor ihr. “Ich habe das in den Griff bekommen, spaeter. Aber 2000 habe ich den Dienst quittiert, freiwillig. Es ging nicht mehr.” geschrieben am 23.3. in Port St. Johns
|