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Reisetagebuch

3/25/2005   Suedafrika / Umtata

Swastikaner

In der Hauptstadt der Transkei

(Harald) Itzack warnt mich eindringlich, vorsichtig zu sein, es sei in der Transkei nicht sicher, ich solle niemandem vertrauen. Das altbekannte Lied. Wie soll man auf einem Fahrrad reisen, ohne jemandem zu vertrauen?

Ich fahre mit ersten Morgengrauen los, durch das Oertchen, dann entlang des Flussufers und schliesslich bergan. Nach 30 Minuten trifft der erste Sonnenstrahl meinen Ruecken, im dschungelhaften Gebuesch voller Lianen springen Meerkatzen, die kleinen, grauen Kobolde, die zur Warnung feine Klicklaute machen, echte Affen, mit neugierigen Augen und pfiffiger Art, alles zu stibitzen, was erreichbar ist. Schmetterlinge in allen Groessen und Farben kaempfen gegen den Wind an, schwarz-weisse Raben sitzen auf den Stromleitungen und segeln fast bewegungslos im Gegenwind.

Ich fahre durch ein Flusstal, Nebel steigt noch aus dem Wald auf, Autofahrer gruessen mich froehlich winkend, aus den Autofenstern mir etwas zurufend, ich antworte auf gut Glueck mit "nach East London", einer haelt an: "Wanna lift?" Nein, ich strample gerne- naja, nicht immer.

Herrlich die Luft, Rueckenwind, ich bin topfit, es geht gut voran, trotz der permanenten Steigung.

Die Ortschaften heissen Tombo, Ntshilini. Am Strassenstand 2 Bananen bei einer Mama, ne Limo, mittags anderthalb Stunden Rast, essen, ausruhen, die Beinmuskeln sind hart.

Irgendwann bin ich ueber allen Hoehen, unter mir eine Spielzeuglandschaft mit bunten Rondavels, den runden Huetten, die heute nicht mehr zu einem Kraal, einem Wohnverbund, aufgestellt werden, sondern sich in der Landschaft verstreuen.

Und die rechteckigen Haeuser sind mit Wellblech abgedeckt, nicht mehr mit Riet, wie die Rondavels. Wellblech heizt sich schnell auf, es wird in den Raeumen darunter heiss und bei Regen trommelt es laut. Schilfdaecher sind dick, halten die Hitze draussen und schlucken auch den Schall, der im Inneren entsteht. Aber Wellblech kann man billig kaufen, es laesst sich schnell, ohne viel Kenntisse, verbauen. Solange die Leute das Geld haben es zu kaufen, werden sie sich nicht mehr die Muehe machen, Schilf zu schneiden und muehselig zu transportieren und zu verbauen.

Die Standstreifen sind mit Glas uebersaet, von Unfaellen und weggeworfenen Bierflaschen, ich muss stets wachsam sein. Und tote Hunde, so viele, alle fuenf Kilometer einer. Nie eine tote Ziege, obwohl es davon viel mehr gibt als Hunde, aber fuer eine ueberfahrene Ziege muss man bezahlen, sie ist ein Nutztier, ein Hund hat keinen Wert. Wie schon in anderen Staaten, namentlich Aegypten, sehe ich auch hier mehrere Hunde mit gebrochenen Laeufen und Hueften, von Tritten verursacht.

Die Pferde, die ich sehe, sind z.T. in einem entsetzlichen Zustand, abgemagert, mit schwaerenden Wunden uebersaet, krank, die reinsten Klepper, verschorft am ganzen Koerper.

Gewitterwolken ziehen auf, aber diesmal geht der Krug an mir vorueber. Ich erreiche Umtata nach fast 100 km am Abend, kaufe mir ein ganzes Haehnchen und will aus der Stadt fahren, um ausserhalb zu Campen. Als ich nach dem Weg frage, sagt mir ein Osteuropaeer, ich solle hier aufpassen, es sei sehr gefaehrlich, viel Armut und so.

In einer Art Hostel frage ich nach den Uebernachtungspreisen. 150 Rand sind zuviel, aber schliesslich laesst mich die weisse Lady fuer 70 Rd. eines der kleinen Gaestehaeuser beziehen. Ich schaue mit ein paar "Afrikaandern" ein Rugbyspiel an (versteht jemand die Regeln dieses Durcheinanders?).

Ein Schwarzer erscheint im Hof, so volltrunken, dass er fast umkippt, ein Mitarbeiter, der seinen Lohn versoffen hat und jetzt angeblich den Weg nicht nach Hause findet. Vielleicht hat er auch kein Geld mehr fuer den Bus oder Angst, seiner Frau ohne Geld unter die Augen zu treten.

Nebenan wird Ostern von einer der tausenden christlichen Sekten mit einem naechtlichen Dauergottesdienst gefeiert. In jeder Tankstelle, Supermarkt, ueberall verfolgen einen diese mit Gestoehne, Geschrei vorgetragenen Predigten.

Auf dem Stuhl hinter mir haengt die Jeansjacke des nicht anwesenden Inhabers dieses Hotels. Zwei Hakenkreuze, Swastikas, verunzieren sie und erinnern mich an die Symphatie, die viele Afrikaander dem Nationalsozialismus entgegenbringen. Wie widerlich-menschenverachtend muss man sein, um Nazitum immer noch toll zu finden?

geschrieben am 2.4. in Cintsa


 


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