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Reisetagebuch

4/15/2005   Suedafrika / Kenton on sea

Sue und Kevin

Mangocreme

(Harald) Am Montag bringt mich Eileen, die Irin, zum Chiropraktiker. Kevin Christie heisst der und als ich ihm meine finanzielle Situation schildere, behandelt er mich umsonst. Er hat neben seiner Praxis ein kleines Zuhause fuer 10 Waisenkinder geschaffen und sammelt Spenden, um dieses private Projekt auszudehnen. Er beschaeftigt eine deutsche Lehrerin, um den Kindern eine Schulausbildung zu geben und sie gleichzeitig zu beaufsichtigen.

Kevin presst mich auf seiner Liege zusammen wie eine Zitrone und es kracht mehrmals gewaltig in meinem Ruecken, dass es mir den Schweiss in die Handflaechen treibt. Danach ist es zwar nicht besser, aber wenigstens tut sich was.

Eileen bringt mich wieder zurueck und ich beginne mit Geaechze mit Rueckengymnastik- was ueber die Tage ebenfalls nicht hilft.

Sue nimmt mich mit nach Grahamstown, um dort ihre Tochter in den Greyhound-Bus nach Kapstadt zu setzen. Grahamstown ist eine romantische Kleinstadt mit einem sehr schoenen Zentrum, einer Kathedrale und mehreren alten, neogotischen Kirchen und Buergerhaeusern im klassizistischen und Jugendstil.

Man koennte hier glatt meinen, in einem hollaendischen Oertchen zu sein, aber da sitzt eine Mama auf dem Gehsteig, die Einkaufstueten neben sich, sie wartet auf Abholung und da rasen zwei Teenager in wilder Jagd vor Freude schreiend ueber den stillen Kirchplatz und aus einem Laden mit chinesischen Namen ertoent ebensolche Musik und ein Auto schneidet einem beim Ueberqueren der Strasse einfach den Weg ab und ein paar Frauen tragen ihre in Tuecher gewickelten Einkaeufe auf dem Kopf und man weiss: Afrika!

Die Ueberschrift der hiesigen Tageszeitung "The Herald" sagt, dass in Bathurst ein 17-jaehriger Weisser letzte Nacht im Streit seinen Vater erschossen hat. Schusswaffen sind hier in fast jedem Haus.

Mit Sue kann ich ohne Pause reden, uns wird die Zeit nicht lang, ueber Deutschland, Afrika, Suedafrika, meine Reise, Naturschutz und gutes Essen. "Du kannst kochen?" fragt Sue erstaunt. Suedafrikanische Maenner kochen nicht, sie grillen nur, Braai heisst das und es sind vor allem

desserttellergrosse Steaks und Wors, Afrikaans fuer Wurst, die auf den Tisch kommen.

"Ich koche meistens Indisch", erklaere ich. Sue liebt indische Kueche und fragt was ich koche. "Eintoepfe. Ich improvisiere gerne, was halt da ist. Fisch mit Knoblauch und Ginger, Joghurt..." Treffer! Ihre Augen weiten sich. "Was noch?" "Nun, Lammfleisch, frische Chillis, Gruener Kuemmel, Huehnchen in Safran..." "Oh mein Gott!" Jetzt noch eine Breitseite: "...und Rogan Josh, Rinderfiletspitzen, scharf, mit Basmatireis..."- sie wirkt angeschlagen. "Und Dessert, z.B. Mangopassiertes, mit einem Hauch Banane und Limone, mit Sahne und frischem Zimtbruch..." Sue verdreht die Augen. Versenkt!

Sue, 58, ist eine Seele, hat aber ein langes Ehemartyrium hinter sich. Geboren in Sambia, aufgewachsen in Malawi, Mosambik und Zimbabwe, nach der Heirat nach Botswana... Sie ist ueber 60 mal in ihrem Leben umgezogen, man fasst es nicht. In der Ehe schwer misshandelt, hat sie sich, nachdem die drei Kinder aufgezogen waren, ein Herz gefasst und sich nach 26 Jahren Ehealptraum getrennt ohne es je zu bereuen, aber auch, ohne sich je wieder neu zu binden, obwohl ihr hier mancher Kavalier schwer den Hof macht. "Suedafrikanische Maenner sind Machos, allesamt", sagt sie und schuettelt den Kopf. "Ich spiele keine Haushaelterin und Mami mehr fuer einen Mann" und kuesst ihre 13-jaehrige Enkeltochter, die sie an Mutter statt grossgezogen hat, auf den Mund.

Ich kann mich mittlerweile wieder etwas bewegen und will die Gastfreundschaft nicht ueberfordern, setze mich also auf mein Rad und fahre nach Port Alfred zu Eileen, die mich ja eingeladen hat. Aber trotz telefonischer Verabredung nur zwei Stunden vorher, ist Eileen nicht da. Die Haushaelterin (hier scheint jeder eine zu haben) laesst mich ein und vier riesige, schwarze Hunde umlagern mich.

Dann erscheinen Eileens Tochter und ihr Ehemann und komplimentieren mich zur Tuer hinaus. Wie nett. Danke auch vielmals. Ich soll spaeter wiederkommen, wenn Mama zurueck ist? Herzlichen Glueckwunsch!

Ich schwinge mich, besser gesagt, steige steif wie Pinocchio, auf mein Rad und fahre 25 km bis in den naechsten Ort, Kenton on sea. In einem Laden fuer Spirituosen frage ich den weissen Inhaber nach dem oertlichen Backpacker. Den finde ich nach 6 km Herumgefahre nicht, niemand hat dort von einem Hostel gehoert (wie sich herausstellt, war ich beim direkten Nachbarn und selbst der kannte sich nicht aus und das Schild vor dem Grundstueck war Vandalismus zum Opfer gefallen). Es ist schon dunkel. Falls ich nicht klar kaeme, koenne ich bei ihm uebernachten, hat der Mann vom Liquer-Shop nach 3 Minuten Konversation gesagt! Ich fahre zurueck und werde waermsten willkommen geheissen, ein grosses Gaestezimmer mit duftender Bettwaesche ist mein und wir sitzen am Abendbrottisch zusammen und wie auch bei Sue ueblich, legen wir die Haende ineinander und der Hausherr spricht ein Tischgebet.

Allerdings kann ich mich vor Schmerzen kaum noch bewegen. Das Radfahren war keine gute Idee und ich hoffe anderentags auf dem Damm zu sein.

geschrieben am 24.4. in Port Alfred


 


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