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Reisetagebuch

5/10/2005   Suedafrika / Wilderness

Gerechtigkeit und Loesungen

Tischgesellschaft

(Harald) Noch eine Nacht in diesen geraeuschvollen Haengematten? Nein, da fahr ich lieber weiter. Das Personal ist freundlich, hilfsbereit, das Haus liebevoll eingerichtet. Insgesamt bekommt man in den meisten BP fuer sein Geld eine gute Gegenleistung.

Packen, bezahlen. Ich fahre zu den "Heads" (Koepfen), wie die Knysnies die Berge nennen, die das Tor zur grossen Lagune der Stadt bilden , ca. 150 m hoch, steil. Von hier oben habe ich eine unvergessliche Aussicht auf das Meer und die Stadt, die mit einer feinen Decke aus Nebel ueberzogen ist. Ein Bild wie ein Traum. Ich wuenschte, ihr waeret dabei gewesen.

Nicht das es mir schwerfiele, alleine zu sein. Tatsaechlich ist es eher so, dass man mir manchmal vorgeworfen wird, zu gerne alleine zu sein. Aber ich empfinde oft das Beduerfnis das Schoene zu teilen.

Im "Subz" 2 Kaffee, Essen. Ich werde schon angesprochen, bevor ich nur die Handschuhe ausgezogen habe. Was ich ueber die Loesung der Probleme in S.A. denke? Oft erzaehlt man mir, dass die Schwarzen faul seien, unzuverlaessig, dass man nie wisse, was sie denken und sie daher unberechenbar seien. Ratlosigkeit, obwohl diese Weissen schon seit Generationen hier leben. Einheimischer zu sein, scheint auch nicht weiter zu bringen, eher ist es wohl so, wie in Deutschland: von innen erkennst du die Dinge nicht so gut, wie von aussen, dir fehlt der Abstand und du denkst im Kreis. Und ueberhaupt: liegt nicht jeder Loesungsansatz eher in der grundsaetzlichen Bereitschaft? In Respekt, Akzeptanz, Anerkennung und nicht in Programmen und Strategien?

Hier in S.A. ist der Rassismus noch so verbreitet, er zeigt seine haessliche Fratze noch ganz offen, oft ohne Scham. Solange die Weisse Gesellschaft z.B. mir nicht widerspricht, wenn ich sie als "Europaeer in Afrika" bezeichne, sondern fast stolz ist dies bestaetigen zu koennen, solange kann von einer Vereinigung nicht die Rede sein.

Es gibt ja viele Ideen, Afrika “voran” zu bringen. Der Mann hier am Tisch, hat sich eigentlich nur selbst ein Stichwort gegeben, um nun seine oekonomischen Loesungen herunterzubeten. Alles altbekannt, die ganze Sosse von Fleiss und Wettbewerb und Eliten. Politik ist doch mehr als Wirtschaftswissenschaften und globaler Markt. Ich habe ein Afrika gesehen, dessentwegen die Menschen um die halbe Erde fliegen, um es zu sehen. Und das waren nicht die Fabriken in Durban oder Joburg, die Fast-Food-Ketten, die Malls und die Global-Player-Shops von Vodaphone und Konsorten, weswegen sie kommen. Es ist auch nicht allein die Sonne, die gibt es anderenorts auch, und die Straende und Duenen. Nein, es sind die Tiere in der fuer sie notwendigen Natur. Was fuer ein armseliges Geschoepf ist ein Tier im Kaefig, im Zoo! Wozu Arten erhalten, wenn wir ihnen nicht mehr ermoeglichen, natuerlich zu leben. Wenn sie nicht mehr jagen koennen, weiden, umherziehen. Es geht ja um mehr, als nur Artenerhalt mittels Zuchtprogrammen. Es geht um Naturerhalt und es ist ja nicht 5 vor 12, sondern spaeter.

Wie schoen sind Kuesten noch, wenn sie mit Hotelbunkern zugebaut wurden? Wenn wir es nicht schaffen, dem Gewinnstreben bald absolute Grenzen zu setzen, wird fast nichts mehr uebrig bleiben. Viele Tierarten sind ja schon ausgestorben, fuer die ist die Uhr abgelaufen und Tiere, wie Geparde, Wildhunde, Loewen stehen kurz davor fuer immer zu verschwinden- jedenfalls aus der Natur. Und das ist es, was die Safaritouristen sehen wollen: Tiere in ihrer natuerlichen Umgebung, mit natuerlichen Verhaltensweisen und der grosste Thrill ist stets der “Kill” einer grossen Katze oder eines Krokodils. Wie oede ist dagegen das In-den-Kaefig-werfen von Fleischbrocken im Gehege!

Neben Naturerhalt ist Ausgleich ein Thema. Statistisch ist Afrika das reichste Land Afrikas. Aber der Reichtum verteilt sich nicht, es gibt Obdachlose, Strassenkinder, Entwurzelte und Gefaengnisse und Krankenhaeuser sind ueberfuellt. Die Wiedereinfuehrung der Todesstrafe, die hier sogar per Autoaufkleber von den Weissen gefordert wird, wird an der Kriminalitaetsrate auch nichts aendern, genausowenig, wie sie das in den USA nicht schafft. Niemand in der Welt toetet per Gesetz statistisch mehr eigene Bevoelkerung, als die USA- trotz 10 Geboten und Menschenrechten und reicher Oekonomie.

Joburg ist laengst voellig ausser Kontrolle, ein Gangsters Paradies. Eine Millionen Zimbabwer sollen in der Stadt sein, Wirtschaftsfluechtlinge. In der Stadt soll es ueber 1000 Strassenkameras geben, auch mehrere im Joburg-Park, in dem ich ueberfallen wurde. Aber wenn die Zustaende derart sind, dass Polizisten erst die Fotoreporter anrufen, um sich ein paar Rand Provision fuer dramatische Fotos zu sichern und abwarten, bis der Mob das Problem auf seine Art geloest hat, kann von Ordnung nicht die Rede sein. Leute, die mehrmals im Leben ueberfallen, angeschossen wurden, denen man 5 Mal das Auto mit vorgehaltener Waffe raubt. Ueber 1500 Farmer auf dem Land erschossen. Die Gefaengnisse quellen ueber, die Bedingungen dort zuechten geradezu neue Gewalttaeter und die Weissen sagen mir immer wieder, dass es in den Gefaengnissen viel zu gut sei, dass die Schwarzen da gerne reingingen- nur waren sie noch nie in einem dieser Zuchthaeuser. Die Mord- und Selbstmordrate dort spricht fuer sich.

Meine Ideen fuer Loesungen? Beim Wettbewerb mit den gebildeten Eliten der Weissen wird die schwarze Mehrheit stets 2. Sieger bleiben. Es braucht Bildung. Unterstuetzung vom Ausland, Zins- und Schuldenerlass, Aufnahme von mehr Fluechtlingen in Europa, Bekaempfung von Diktatoren und Korruption, Beseitigung von Handelsschranken, Verstaerkung der Importe afrikanischer Waren u.v.m.- die Liste ist lang.

Ein weiterer Geschaeftsmann bittet, sich zu uns an den Tisch sitzen zu duerfen, ich geniesse Salat und Sandwiches.

Mein Gegenueber sagt, man duerfe, solle, er wuerde, wenn er koennte, keinen Cent mehr an Unterstuetzung an die Schwarzen zahlen. Das Wort vom “Schwarzen Loch” in dem alles wirkungslos verschwinde, faellt, bestens bekannt, oft gehoert und so unwahr wie Nonsens fuer mich. Der Mann ereifert sich, er habe hart fuer sein Geld gearbeitet. Ich frage ihn, ob er glaube, dass auf einem Feld arbeiten leichter sei, oder als Krankenschwester in einem hiesigen Landhospital, wofuer nur Hungerloehne gezahlt wuerden, so dass gut Ausgebildete scharenweise das Land verliessen. Der Mann geht am Stock, hatte einen Unfall mit seinem Flugzeug.

Eine Maklerin stellt sich zu uns, auch sie voll des sicheren Wissens ueber den AWOL- American way of life. Ich hoere zu, knabbere mich durch mein Thuna-Brot. Die Kellnerin steht jetzt ebenfalls an der Tischkante. Dann frage ich, ob hier am Tisch wirklich alle glauben, dass die Politik der S.A. Regierung auf die Formel: ”Weisser, gib mir dein Geld” reduziert werden koenne. Verlegenheit, Durchatmen, weggedrehte Koepfe. Natuerlich nicht. Aber irgendwie dann doch. Mandela war toll, der hat ihnen nichts weggenommen, Mbeki (den jetzigen Praesidenten) mag keiner. Ueber den “Afrikanischen Weg” nur Gelaechter. Ich habe bis 1994 suedafrikanische Produkte boykottiert, um diese Art Politik zu kippen, aber sie ist immer noch da.

Die 50 km bis Wilderness fallen mir leicht. 15 km hinter Knysna liegt die Industriestadt George, die lasse ich aus. Seit Jeffreys Bay sehe ich immer mehr Khoisan-Gesichter. Die frueher “Buschmaenner” genannten Menschen reichen mir oft gerade bis zur Schulter, haben hellbraune, kleine Gesichter und sprechen auch untereinander Africaans, dass seit Port Elisabeth immer staerker verbreitet scheint.

Drei kleine Paesse sind zu bewaeltigen, im Dunkeln finde ich den BP nahe der Kueste.

geschrieben am 18.5. in Swellendam


 


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