5/11/2005 Suedafrika / Wilderness
Goldene Bruecke
Eine seltsame Geschichte
(Harald) Heute wollte ich eigentlich weitergefahren sein. Aber eine seltsame Geschichte haelt mich fest. Gestern abend wandte sich die Besitzerin des BP mit einem sehr persoenlichen Problem an mich- vielleicht nur, weil wir im gleichen Alter sind, waehrend die anderen Gaeste alle juenger sind. Sie fragte mich, was ich vor der Reise beruflich gemacht habe und danach rueckte sie mit der Sprache heraus. Ihre Schwester ist als Managerin hier beschaeftigt, aber die Inhaberin hat in den letzten Tagen entdeckt, dass sie von ihrer Schwester um mind. 13.000 Euro betrogen wurde und die Reaktion ihrer Schwester beunruhigt sie, denn die schwankt zwischen Verleugnung, Aggression und Andeutungen dunkler Gedanken. “Ich habe Angst, die tut sich was an”, sagt die Frau. Sie sei schon einmal von einem Zimbabwer betrogen worden, der ebenfalls als Manager Geld reichlich abgezweigt habe. Sie mache sich Vorwuerfe, so dumm zu sein, eine Wiederholung nicht verhindert zu haben und was sie denn nun machen solle. Das Geld sei ihr garnicht so wichtig, aber sie sei tief verletzt ueber den Betrug, sie habe ihrer Schwester nach deren Tief wieder auf die Beine geholfen etc. Ihr Ehemann liege mit ihr im Dauerstreit und warte nur auf einen Fehler, um wieder aufzutrumpfen, dem koenne sie das garnicht erzaehlen. Ich schlage ihr vor, erstmal die Buecher genau zu pruefen, worauf sie mich einlaedt kostenlos zu bleiben. Ich rate ihr, eine Goldene Bruecke zu ihrer Schwester zu bauen- einen Ausdruck, den sie aus dem Englischen nicht kennt. Ich erklaere ihr, sie solle ihrer Schwester zu sagen, dass sie nicht zur Polizei gehen wolle, sondern das Problem gemensam mt ihr loesen wolle und das Geld koenne sie ueber einen laengeren Zeitraum zurueckzahlen. Ich rate, sie zu fragen, wozu sie neben dem ueppigen Gehalt das Geld benoetigt habe, um das tiefer liegende Problem zu erkennen. Und ich rate ihr dringend, keine Zeit zu verlieren. Je oefter, laenger die Schwester leugnet, desto schwerer wird es ihr fallen, endlich mit der Wahrheit rauszuruecken. Die Frau hat Manschetten, sich mit der Schwester zu konfrontieren, ich biete mich als Hilfe, Mediator an- keine Reaktion. Heute morgen stehen wir nebeneinader auf der Terrasse und schauen aufs Meer hinaus, wo ich Delphine entdeckt habe und sie vier Wale, eine kleinere Spezies, die nicht ins antarktische Meer wandert. Ich warte auf einen Vorschlag, einen Auftrag. Die Gespraeche legen nahe, dass ich mich anbiete, die Leitung des BP zeitweise zu uebernehmen, aber ich unterlasse es, obwohl mir ein Job irgendwie auch gelegen kaeme, um die Reisekasse aufzufuellen. Statt die Dinge in die Hand zu nehmen, drueckt sich die Frau den ganzen Tag mit Aktionismus herum, Telefonate mit dem Steuerberater, der ja unfaehig sein muss, wenn er den monatelangen Betrug nicht bemerkt hat. Belege fehlen en masse, Bargelduebergaben haben nicht stattgefunden, Einzahlungen fehlen etc. Ich bedraenge die Frau nicht weiter, bin aber den ganzen Tag unruhig: wozu bin ich geblieben, wenn sie nicht auf mich hoert? Ich sehe den Kummer, die Angst in der Frau, sie spielt Billiard, am Abend ist sie betrunken und kommt an meinen Tisch- ich habe mich kaum aufs Lesen konzentrieren koennen: warum passiert nichts? Jetzt steht sie wieder hilflos vor mir. Die Schwester hat sich nicht gemeldet. Ich wiederhole meine “Goldene Bruecken-Geschichte”- ohne Wirkung. Das ist nicht mein Ding, sage ich mir. Als ich am uebernaechsten Tag im BP in Mosselbay morgens die lokalen Nachrichten hoere, hat man die Schwester ertrunken in ihren Kleidern angespuelt am Strand gefunden.
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