5/18/2005 Suedafrika / Swellendam
Im Drostdy
Damals und heute
(Harald) Heute Nacht war Charlotte aus Deutschland meine Bettnachbarin. Wir hatten beschlossen, zusammen auf den 1500er zu steigen- aber heute regnet es. Fuer Touristen wie Charlotte, die nur 2, 3 Wochen zur Verfuegung haben um einen Eindruck von diesem riesigen Land zu bekommen, heisst es dann weiterziehen. Warten kann man da nicht. Und es gibt so viel zu sehen. Ich empfehle ihr ein paar BP auf dem Weg- die meisten habe ich ja gesehen. Es regnet in Stroemen. Ich schreibe Tagebuch, gehe ins Drostdy (Vogtei)-Museum-heute kostenlos, weil landesweit der Tag der Museen ausgerufen wurde. Swellendam ist eine Kleinstadt, beschaulich, ruhig. Seinerzeit eine der ersten Siedlungen ausserhalb der direkten Kapumgebung. Geschichte beginnt hier um die Mitte des 18. Jh.. Die ersten Siedler hatten alsbald die hier lebenden Khoikhoi-Staemmen, die sie “Hottentotten” nach den Lauten nannten, die sie aus deren Tanzgesaengen zu erkennen glaubten, unterworfen. Neben dem der “Buschmaennern” war auch die dritte respektlose Bezeichnung “Strandlooper” (Strandlaeufer) gebraeuchlich, womit die Staemme an der Kueste benannt wurden. Zwar leisteten die Khoikhoi, die als Hirten von der Viehzucht lebten, Widerstand. Aber den weittragenden Schusswaffen wie Musketen und Armbruesten und langstieligen Hellebarden, sowie den Saebeln hatten die kleingewachsenen Afrikaner nichts entgegenzusetzen. Zudem wurden die Afrikaner durch hier nicht bekannte Krankheiten dahingerafft und ihr Vieh infiziert. Weiter im Landesinneren lebten die San (eigentlich “Housouana”), gleichen Ursprungs, aber reine Jaeger und Sammler, die vornehmlich in Hoehlen lebten, waehrend die Hirten Laubhuetten errichteten, um ihrem Vieh staendig nahe sein zu koennen. Alle diese Staemme lebten in mit anderen Staemmen abgestimmten Terretorien, waren eher friedlich und militaerisch nicht organisiert. Ihre im Museum ausgestellten Boegen waren nur ca. 80 cm, die Pfeile gar nur 50 cm lang, wenn auch mit einem starken Gift versehen. Die Speere, die sie Hassagaye nannten, waren sehr kurz; spaeter uebernahm der erste Zulukoenig Shaka diese Waffe fuer seine Truppen unter dem abgeleiteten Namen “Assegai”. 1657 wurden erste Sklaven ans Kap gebracht, die fuer die Siedler arbeiten mussten. Seltsamerweise wurden keine Sklaven im eigenen Hinterland gefangen. Die angeschifften Sklaven stammten aus Westafrika, Angola, Mosambik, Madagaskar, Zansibar, Indien und Indonesien. Dieses Vielvoelkergemisch steht den Bewohnern der Kapprovinzen heute noch buchstaeblich ins Gesicht geschrieben und erklaert, warum sich Afrikaans als Einheitssprache in der Kapregion so gut durchgesetzt hat. Das Museumsgebaeude wurde von der Hollaendisch-Ostindischen Gesellschaft (Sitz Amsterdam) 1747 erbaut. Holland hatte die Verwaltung der neuen Koloie dieser Firma ueberlassen, die sich im 17. und 18. Jh. zur groessten Seehandelsfirma der Welt entwickelte. Gehandelt wurde mit allem, wonach Europa und deren andere Kolonien verlangten: Sklaven, Gummi, Parfum, Pfeffer, Zimt, Muskat, Gewuerznelken, Tee, Seide, Baumwolle, Teppiche, Porzellan, Perlen, Edelsteine, Salpeter, Indigo uvm. Der Komplex umfasst eine Kupferei, in der Toepfe, Kannen, Schuesseln aus Kupfer, Zink, Zinn und spaeter Messing hergestellt wurden, einer Eisenschmiede, in der Werkzeuge, Radnarben, Drechseln, Hufeisen und Waffen produziert wurden, einer Baeckerei, einem Dreschplatz, auf dem Pferde im Kreis ueber den Weizen gefuehrt wurden, um ihn von der Spreu zu trennen, einer Kueferei/Gerberei, in der Tierhaeute zu Leder verarbeitet wurden, einer Sattlerei, die Zaumzeug, Saettel, Schuhe und Lederkleidung herstellte, sowie Tenne und Muehle, die mittels Wasserraedern vor allem Weizenmehl mahlte. In den nebenan gelegenen Gaerten gesellt sich ein riesiger Kampfhund zu mir, den hier offensichtlich alle fuerchten und fast panisch meiden. Der Ruede, gute 50 kg Gewicht, mustert mich erst durch den Zaun, ich rede mit ihm, er laeuft zum Tor, ich oeffne ihm und von Minute an begleitet er mich still und gutgelaunt. Im grossen Garten wurde alles angebaut, was man in Afrika seinerzeit wie heute entbehrte: Bohnenkraut, Thymian, Salbei, Minzen, Lavendel (von dem ich mir was abrupfe) etc. und alle Arten von Rosen. Hier stehen Mango, Avokado, Bananen, Papaya, Limonen, Orangen usw. Zum Komplex gehoeren Reste eines Gefaengnisses, unterteilt auch seinerzeit in Zellen fuer Maennlein und Weiblein und Schwarz und Weiss, wobei die hellbraunen Khoisan dieser Bezeichung nicht genuegten. Schoen ist die guterhaltene Einrichtung aus dunkel-glaenzenden Moebeln, sowie Kerzenhaltern, Oelbildern, die Boeden teilweise aus festgestampften Pfirsichkernen und Nuessen. Die Daecher sind reetgedeckt, die Waende dick und waermespeichernd, die kleinsprossigen Fenster mit Butzenglas gefuellt und im Winter waermte man sich an den Kaminen oder auf kleinen Eisenbaenkchen, die wie die Buegeleisen mit gluehender Kohle gefuellt wurden, die Fuesse. Man wusste auch vor 250 Jahren schon, wie man sichs gemuetlich machen kann. Als ich das Gelaende verlasse und in die Sadt und in einen Supermarkt gehe, laeuft mir mein Begleiter nach mir suchend hinterher. Ich schicke, begleite ihn hinaus, der ganze Laden ist in Aufregung ob dieses schwarzen Monstrums, nach 10 Minuten sucht er mich schon wieder zwischen den Regalen, wieder schicke ich ihn raus und er gehorcht seltsamerweise, trotz Sprachunterschiedes, denn hier wird Afrikaans und nicht Englisch gesprochen. Er weiss einfach, was ich will. Draussen wartet er schon auf mich und die Geschaeftsfuehrerin kommt und sagt, sie kenne die Besitzerin des Hundes. Ich sage ihr, kein Problem, ich bringe das Tier jetzt sowieso zurueck, aber troztdem ruft sie an und eine geradezu muerrische Frau erscheint in einem Lieferwagen, keinen Blick goennt sie mir mit Leichenbittermiene. Der Hund wird seine Gruende haben, warum er trotz Ueberfuetterung gerne bei mir geblieben waere. Waehrend hier mehr als jeder zweite Hund und auch die Katzen so fett sind, dass sie kaum laufen koennen, waehrend sie gestreichelt und gekuesst werden, geben viele Afrikaander auch heute noch keinem Schwarzen die Hand. Wie verbittert muss das ein Farbiger sehen, dass fuer ein von ihm als schmutzig verachtetes Tier soviel Zuneigung aufgebracht wird und gleichzeitig jede Beruehrung mit ihm vermieden wird. Ich habe oft erlebt, dass sich Farbige entschuldigen, wenn sie mich unbeabsichtigt oder notgedrungen beruehren und am liebsten wuerde ich dann sagen: “Was soll der Quatsch, ist doch kein Problem!”- aber solche Konversation macht keinen Sinn. Morgen fahre ich weiter, wenn es nicht regnet, denn bei soviel Regen komme ich sonst nicht recht weiter. Dann lasse ich den Berg eben rufen. geschrieben am 24.5. in Woodstock
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