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Reisetagebuch

5/19/2005   Suedafrika / Riviersonderend

Was fuer ein schoenes Land!

Hotel California / Neues Leben

(Harald) Ich lasse Swellendam bei schoenstem Sonnenschein hinter mir. Der Gegenwind ist zunaechst ertraeglich und ich bin ausgeruht, die Landschaft wunderschoen. Die Bergkette hinter Swellendam mit ihren drei Spitzen, die einfach Zehn, Elf und Zwoelf Uhr genannt werden, nach dem Sonnenstand ueber ihnen, verhuellt sich in Wolken. Beidseits der Strasse kilometerlange Moore, aus denen Reiher auffliegen und hunderte von Froeschen ihre klickenden Laute erklingen lassen, die den Toenen aufeinanderschlagender Rhytmushoelzer aehneln. Viele Blumen bluehen im spaeten Herbst der Kapregion jetzt, Schmetterlingleichen saeumen die Strasse, auf Karossen geprallt, flattern noch einige hilflos und unbeachtet. Zahlreiche Vogelkadaver liegen stets ueberall auf den Banketten: Webervoegel, Glanzstare, Sperlinge und Greifvoegel. Da diese in Einehe leben, sehe ich oft den Witwer oder die Witwe auf den Ueberlandleitungen einsam sitzen.

Europaeische Stoerche segeln ueber die Huegel, Wollschafherden werden aufmerksam von schneeweissen Kuhreihern begleitet, die darauf warten, dass das Vieh Heuschrecken aufspringen laesst. Ich halte an, um eine Kuhherde zu beobachten. Man mag meinen, dass sei nichts besonderes. Aber diese ca. 50 Kuehe, uni-dunkelbraun, zeigen noch ein schoenes Herdenverhalten; so wie wilde Tiere gehen sie in Gruppen oder im Gaensemarsch zur Wasserstelle, einige gallopieren durstig, andere kuehlen ihr heisses Fell mit einem Vollbad. Ich radle bei Sonnenschein durch eine flache Huegellandschaft, ueber Bruecken ueber tiefbraunen Baechen hinweg. Ein Falke steht unbeweglich in der Luft. ich sehe eine Kuh mit tiefhaengendem Bauch, der sich zusammenzieht und irgendetwas schaut neben ihrem Schwanz hervor. Richtig! Sie wird bald werfen. Ich steige ab, gehe zum elektrisch geladenen Zaun. Wir beide sind hier weit und breit alleine. Die Kuh hat Schmerzen, muht gequaelt. Dann legt sie sich hin, waelzt auf den Ruecken, de beine stehen in die Luft, dann ein Schwall, sekundenschnell, und das Kalb ist draussen. Die Nachgeburt schiesst gleich hinterher, die Frunstblase ist geplatzt, das Kalb schuettelt die grossen Ohren. Neues Leben. In ener halben Stunde werden Kuh und Kalb schon nebeneinader stehen.

Ich koennte jetzt nach Sueden abbiegen und ueber Bredasdorp zum Cape Agulhus fahren. Nicht das Kap der Guten Hoffnung ist ja der suedlichste Punkt Afrikas, sondern das noch etwa 40 km weiter suedlich liegende Agulhus Kap. 1998 sind Jan und ich dort gewesen, aber ich bin ja nicht auf Spurensuche. Ausser einem Leuchtturm und dem Satz: Ich war da! ist dort nichts Besonderes zu finden.

Was fuer ein schoenes Land das ist! Solche Vielfalt in allem. Ich passiere Kiefernwaelder, mache Halt unter ein paar alten Eukalyptusriesen, setze mich auf einen dicken Ast mit dem Ruecken zur Sonne, eine Agame schreckt auf, gross, grau und neugierig beaeugt sie mich, ihre Flanken beben von Herzschlag und Atem. Ein Bach murmelt, ich wasche mir Gesicht und Haende im kuehlen, klaren Wasser, aus dem der fuer diese Gegend typische Eisengeruch aufsteigt.

Bergauf, Gegenwind, der Ort Stormsvlei, Pause.

Nach 65 km erreiche ich Riviersonderend, eine Kleinstadt, beschaulich, mit breiter Hauptstrasse erinnert das Szenario an amerikanische Kleinstaedte aus dem Mittelwesten.

Ich setze mich auf die Holzterrasse eines Cafes, lese, essen, dann suche ich mir eine billige Unterkunft, ein halbverfallenes Hotel. Im Erdgeschoss werden Tand und Gebrautmoebel verkauft, staubige Buecher, alte Landkarten, alte Kuechengeraete. Drei seltsam ausehende alte Ladies, eien offenbar nicht ganz richtig im Kopf, unterhalten sich in Africaans ueber mich und das Problem, wo man mich denn unterbringen koennte. das Ganze hat etwas bizarres, wie sie, etwas verschlampert einerseits mit loechrigen Wollsocken und verwaschenen Kleidchen, andereseits stellenweise aufgedonnert mit hochfrisierten Haarssraystil mich so ausschliessen aus ihrem Trialog.

Im ersten OG. gehe ich ueber einen halbzerfransten roten Teppich, eine Tuere steht offen, ein alter Mann kocht sich Kaffee, wie im Altenheim, ueber meiner Zimmertuere sitzt ein Spatz und hat in den letzten Wochen schon fleissig den roten Teppich unter ihm vollgekackt.

Aber es gibt heisses Wasser. Ich dusche, fahre danach suchend durch den Ort, finde ein kleines Schild: "Computer", klingle. Ein aelterer herr oeffnet, freundlich, ja, Internet koenne er anbieten, fuehrt mich in ein enges Buero, erbringt mir zweimal Tee und ist sichtlich auf Unterhaltung aus.

Nach 3 Std. Schreiben sitze ich mit ihm und seiner Frau bis in die Nacht in der Kueche und wir unterhalten uns ueber ihr Land und Afrika und Kunden, waehrend uns drei, vier Hunde umtollen.

Die Nacht ist ruhig.

geschrieben am 26.5. in Woodstock, Capetown


 


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