5/24/2005 Suedafrika / Kapstadt
Menschen wie du und ich
Ein Hoch! auf die Drogen
(Harald) Ruhetag. Meine Oberschenkelmuskeln schmerzen. Seltsam genug, dass nach Jahren des Radelns immer noch feststellen zu muessen. Aber ich bin 46, nicht 26 und finde mich widerstrebend, aber einsichtig, mit der Tatsache ab, dass ich noch vor 7 Jahren fast 200 km an einem Tag fahren konnte, ueber Berge und Taeler der Alpen und am naechsten Tag keinen Muskelkater hatte. "Schoen war die Jugend- sie kommt nicht mehr." Ausser drei Dauergaesten, die hier Zimmer gemietet haben, bin ich der einzige Gast. Einer der “Manager” ist schwul, eine richtige Tunte, mit all dem fuer Maenneraugen so albernen, peinlichen Getue voll “Huch!” und “Hach!” und reichlich Ordinaerem “f**k”. Dann ist da ein schwungvoller, junger Schauspieler, der Shakespeare-Texte murmelnd in der Kueche auf und ab laeuft. Im TV-Raum sitzt ein Soap-Junkie, eine 29-jaehrige, die offensichtlich schwer auf Drogen steht. Ihre meist herabhaengenden Augenlider, der immer wieder sich wie in Betaeubung oeffnende Mund laegen nahe, dass sie irgendwas Sedierendes nimmt. Sie faengt vor dem Fruehstueck an mit "Ricki"- eine S.A.-Arabella Kiesbauer, dann kommt "Jerry Springer", alles Themen voller Peinlichkeiten und Koerperoeffnungen. Sitcoms voller Lacher vom Band ect. Ca. 15 Stunden TV arbeitet sie am Tag ab. Und da ist die Drogenqueen, eine alleinerziehende Mutter, ca. Ende 40, die nicht muede wird, von allen moeglichen Wirklichkeitsfluechtern zu schwaermen: “Du musst Koks probieren. Ist teuer, aber hier kriegst du erstklassigen Stoff, einfach Spitze, mmmmh!” Wenn man erstmal damit angefangen hat sich mit Kokain gross und maechtig zu fuehlen, hoert man nicht auf, solange Geld da ist. Dieses uebersteigerte Unantastbarkeitsgefuehl, dass Koks ausloest, ist der Grund, warum es DIE Droge der Maechtigen ist, derer, die in der Oeffentlichkeit stehen: Wecker, Friedmann, Fussballtrainer und Konsorten. “Ich rauche jeden Tag Dacha, immer schoen vor Sonnenuntergang, herrlich, immer wenn ich Stress habe, komm ich runter. Klasse! Musst du versuchen. Ist ganz natuerlich, nur gewachsenes Kraut.” Dacha ist besser als Marihuana bekannt, oder als Joint, Gras, Pot, Weed, Dope und Cannabis. Das Zeug “kiffen” in Deutschland etwa 18 % der Jugendlichen regelmaessig (Studie der WH0, befragt wurden 5600 Personen). Nur wissen das die Eltern meist nicht. Auch bei Alkohol und Tabak sind die Deutschen Spitzenreiter- trotz, oder wg. unseres guten Lebensstandards? Und die Dame empfiehlt fuer Partys Ecstasy, oder einfach "X" genannt: “Du kommst irre in Laune damit, die Musik wird besser, du willst nur noch tanzen. Und der Sex erst! Super! Aber wenn hier in Capetown die grossen Partys steigen, nehmen wir immer “Speed”, das ist das Beste. Schwer zu kriegen, aber Top!” Sie hat schon alles durchprobiert, auch Heroin. “Ich hab meine Dealer fuer alles. Wenn du was willst, sag mir Bescheid. Erstklassige Ware, vernuenftige Preise.” Ich frage, ob sie keine Bedenken habe, die Dealerszene mit ihrem Konsum zu unterstuetzen. Schliesslich stecken Banden dahinter, Organisationen, da wird gemordet und jede andere Form von Kriminalitaet ist involviert, z.B. Frauenverschleppung. S.A. ist voller junger Frauen, die mit Drogen vollgepumpt werden, um sie als Sex-Sklaven zu zwangsprostituieren. “Alkohol ist die Droge der Allgemeinheit. Ich trinke selten bis ich betrunken bin. Dacha macht nicht aggressiv, wie Alkohol. Ich kiffe seit 30 Jahren und es hat mir nicht geschadet.” Nun, verlebt sieht die Dame ja schon aus. Aber das liegt wohl eher am Kettenrauchen und ihrem sonstigen Lebenswandel. Spaeter kommt ein Gespraech ueber die Kriminalitaet auf. Unser TV-Zombie-Maedchen ist beim Einkauf von einem Schwarzen angeboten worden, ihre schweren Einkaufstueten zu tragen. Sie hat ihm angedroht ihn zu erschiessen, falls er versuchen sollte, mit den Tueten abzuhauen. Dabei hat sie gar keine Schusswaffe in der Handtasche. Aber der junge Kerl weiss das nicht. Ich stelle mir gerade vor, wie die Szene in Deutschland aussaehe- undenkbar. Niemand wuerde da noch die Einkaufstueten anruehren, sondern wahrscheinlich gleich den naechsten Polizisten ansprechen: “Die Dame da hat mir angedroht mich zu erschiessen.” Aber in Deutschland gibt es auch landesweite Radiodurchsagen, wenn jemand zu Fuss auf der Autobahn unterwegs ist (oder mir dem Fahrrad!), waehrend hier die Polizei kommentarlos vorbeifaehrt. Die Drogenverehrerin erzaehlt von Kids in der Nachbarschaft, die Flaschen auf der Strasse zerschmissen. Auf die Frage, warum sie dies taeten, anworteten sie, sie wollten Leuten einen Platten verursachen. Und als sie das erzaehlt, ereifert sie sich mmer mehr, fast schreit sie, und “f**k" hier und drei "f**k" dort, es f**kert nur so und sie steht drohend vor mir, droht mir mit der Faust und etwas Speichel sprueht mir ins Gesicht und ich laechle sie an, worauf sie wohl merkt, dass nicht ich die Flaschen geworfen habe. Was sie dem Jungen und seiner Mutter gesagt haben will, werde ich hier nicht wiederholen. Jedenfalls scheint ihr Dacha nicht recht geholfen zu haben. Also, insgesamt eine reizende Truppe hier. Menschen wie du und ich halt. geschrieben am 30.5. in Kapstadt
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