5/31/2005 Suedafrika / Kapstadt
Kapstadt im Regen (Traeume und Ungetraeumtes)
Im Fort / die Geschichte des Kaps
(Harald) Jeden Tag dieser duestere Anblick der Wolken um den Tafelberg. Ich mache mir klar, dass es zwar schoen waere, alle Traeume, die ich von meinem Aufenthalt in dieser Stadt hatte, wahr werden zu lassen, aber das es dann auch keine Traeume mehr zu traeumen gaebe. Und so hab ichs ueberall und jederzeit auf meiner Reise gehalten: ich nehms wie es kommt. So viele Traeme blieben ebensolche: Budapest, Pamukkale, Kapadokien, Beirut, Amman, eine Nacht an den Pyramiden, eine Bootsfahrt auf dem Nil, Lalibela, die Turmi in Suedwest-Aethiopien, Mombasa, Besteigung des Kilimandscharo, Massai-Mara, Zanzibar, die Nordkueste Mosambiks, Victoria Falls, Kaefigtauchen zu den Weissen Haien in Gansbaai, ein Kind gezeugt in Kapstadt... Und dafuer gabs Unertraeumtes in Huelle und Fuelle: Seven in Serbien, Kari in der Tuerkei, einen Bruder in Homs, -ueberhaupt: Syrien! Und: Die schoenste Stadt: Jerusalem, die Weisse Wueste in Aegypten, die Pyramiden von Dafur und Saccara, und auch ueberhaupt: Sudan! Die Kinder in Bahir Dahr, die Samburu und Rendille und Leudschi und Meraiyon und die Taenze, die Schoene Munia, Hyaenen um mein Zelt, mein Freund Oliver in Nairobi und unsere Wanderung durch die Serengeti am Ngorongoro, Elefanten in Tanzania vor meinem Lenker, eine neue Familie in Italien, der Malawisee, Musik in Mosambik, so viel Gastfreundschaft in Suedafrika, ueberhaupt: all die schoenen Begegnungen, unerwartet, gern gebene Hilfe, Gesundungen und Koestlichkeiten, Erfolge und ein erreichtes Ziel. Das ist mehr als genug. Das reicht gut und gerne. Da braucht es kein schoenes Wetter in Kapstadt mehr. Ich geh statt auf den Tafelberg ins Museum, dass im alten Fort in der Stadtmitte steht. Die Hollaender hatten an dieser Stelle, nahe des heutigen Hafens, zunaechst ein Fort aus Holz und Lehm errichtet, dass dann spaeter einem viereckigen Steinbau wich. Gegen Angriffe gegen die hier lebenden San brauchte man es nicht mehr, denn die waren unterworfen. Aber europaeische Maechte drohten: Spanier, Portugiesen, Franzosen und vor allem Englaender. Aber es war Ende des 15. Jh. Bartolomeu Diaz, der als Erster suedafrikanischen Boden betrat, im Auftrag des portugisischen Koenigs und auf der Suche nach dem beruehmten Seeweg nach Indien. Es dauerte dann noch 170 Jahre, bis 1652 Jan Van Riebeck eine Versorgungsstation fuer die Niederlaendisch-Ostindische Kompanie (VOC) verantwortet wurde. Der Mann war ein in Holland verurteilter Betrueger und er beklagte sich, dass ihm die hollaendische Regierung nicht erlaubte, die hier ansaessigen Khoikhoi als Sklaven zu beschaeftigen, die er als ein "wildes Pack ohne Gewissen" bezeichnete. Sklaven gehoerten aber ab 1658 zum Inventar der neuen Kolonie. Zwischen 1660 und 1670 versuchten die Khoikhoi die Ausdehnung der Kolonie zu unterbinden, aber den Gewehren, Kanonen und Pferden der Hollaender waren sie nicht gewachsen, was diese wiederum darin bestaerkte, Gott habe ihnen als die bessere Rasse und Menschen den Sieg gegeben. Ende des 18. Jh. gab es bereits ueber 15.000 Sklaven in der Kolonie- mehr als Freie Buerger. Bereits 1713 waren die Khoikhoi auf dem gesamten Kap unterworfen. Ihre 50.000 Rinder fielen in die Hand der VOC, Windpocken und andere in Afrika unbekannte Krankheiten dezimierten die Khoikhoi- eine Art indirekter, biologischer Kriegsfuehrung. Da die VOC alle Einnahmen verbuchte, gab es bald verarmte Siedler am Kap, die ins Landesinnere zogen und mit Waffengewalt Khoikhoi und die San-Jaeger jagten, weil diese, all ihres Viehs beraubt, immer wieder versuchten, den Siedlern deren Vieh zu rauben- das ja eigentlich ihnen gehoerte. Die San wurden in Suedafrika praktisch komplett ausgerottet. 1795 eroberten die Briten das Kap, 1803 ein zweites Mal, worauf die Buren (Bauern), wie die vornehmlich hollaendischstaemmigen Siedler genannt werden, weiter im Landesinneren einen eigenen Staat zu gruenden versuchten. Dort stiessen sie auf Bantu-Staemme, die sich militaerisch als wesentlich erfolgreicher erwiesen: Die acht Staemme der Xhosa und die sagenhaften Zulus, deren Koenig ab 1816 Shaka war. Es waren denn auch die Zulus, die 1879 in Isandlwana den Englaendern die groesste militaerische Niederlage ihrer Kolonialgeschichte zufuegten (uebrigens nur drei Jahre nach der Schlacht am Little Big Horn in den USA), bevor immer modernere Gewehre und Kanonen jeden Freiheitstraum der Kolonisierten zunichte machten. Die Gemaeldegalerie des Museums hat es mir besonders angetan. Oelbilder der Haeuptlinge jener Zeit: Maqoma, Oberhaupt der Xhosa 1846 in Burus Hill und dann ein Bild der Schlacht um seinen Kraal 1851, Haeuptling Sandile 1849, nackt und mit Penisschmuck, 1850 der Galeka (Xhosa)-Haeuptling Kreli. Ein Gemaelde der Tafelbucht, 1683, zeigt etwa 40 hollaendische Flaggen: wohl ein Auftragsbild, bei dem der Maler katzbuckeln musste. Ein Walfaenger in der Bucht, 1615. 1787 ankern in der Tafelbucht die ersten Siedlerschiffe nach Australien (den Aborigines gings dort auch nicht anders). 1488: Dias stellt ein Kreuz am Kap auf- sehr herrisch, die Schwarzen ganz unterwuerfig. Ein Gemaelde von William Hodges, als er 1772 mit Captain Cook hier war. Die Siedler von 1820 in Algoa Bay bei Port Elisabeth. Ein Portraet von Vasco Da Gama von 1840. Die groesste Jagd aller Zeiten 1861, anlaesslich des Besuchs des englischen Prinzen Alfred in Bloemfontein- zwischen 20.000 und 30.000 grosse Tiere wurden zusammengetrieben, Tiermassen bis zum Horizont, Schwarze, die von panischen Tieren ueberrannt werden, mit Speeren und Gewehren ein Massenschlachten, wie es die Welt noch nicht gesehen hat, sinn- und wuerdelos, eine Vernichtungswut der "Heger", tausende Tonnen Fleisch verrotten ungenutzt im Busch, Verwesungsgeruch der Kolonialzeit. Eine unglaublich genaue und richtige, deutsche Landkarte Afrikas von 1690 von Justus Dankertz, die bereits zwei grosse Seen als Nilquellen zeigt und das abessinische Reich bis zum Kongo und nach Malawai reichen laesst. Ein Fahrradfahrer in Camps Bay 1901, die Viktoria Faelle 1862 und stimmungsvolle Bilder der Planwagen in der Karoo, die von 16-18 Ochsen gezogen wurden (1880). Im Raum steht eine Festtafel mit ueber hundert Stuehlen, ein Teppich aus Afghanistan von 1875, japanische Vasen von 1700, chinesisches Prozellan 17. bis 18. Jh., Salutkanonen mit nur daumengrossen Durchmesser, ein Bibel-Lesesekretaer mit Inlays aus Elfenbein und Ebenholz, feinste Glaswaren aus England, ein Tafel-Klavier aus Hamburg von 1840. Man wusste damals zu leben und zu handeln. Auf der Rueckfahrt wieder Regen. Ich werde bald abreisen. geschrieben am 20.6. in Pretoria
|