6/4/2005 Suedafrika / Pretoria
Christina
Beginn der ruckweisen Rueckreise
(Harald) Kapstadt liegt etwa auf dem 34. Breitengrad, wie Osaka und Santiago auch. Das Klima ist bestimmt durch die Meere und nachts kuehlt es schon mal auf nahe Null Grad ab und auf dem Tafelberg liegt dann Schnee. Die Kernregenzeit beginnt gerade, denn hier fallen Winterniederschlaege. Es macht fuer mich wenig Sinn auf Gut Glueck noch weiter auf eine Wetterbesserung zu warten und so setze radle ich am Mittag zum Flughafen weit draussen vor der Stadt, nehme Abschied vom Tafelberg mit einem letzten Blick. Irgendwie eine Art Fatalismus ist da in mir- es hat einfach nicht sollen sein und wer weiss wozu das gut ist? Kapstadt war so schoen, wie ich es in Erinnerung hatte, nur das ich seit 1998 eine Menge schoener Stellen auf diesem Globus gesehen habe, macht einen Unterschied. Ich verstehe Afrika jetzt besser und ich weiss, dass ich mich immer danach sehnen werde, es gibt da ein Ziehen in mir, eine Sehnsucht jetzt schon, wo ich mich beginne damit abzufinden, dass ich zurueckreise. Ich werde herauszufinden versuchen, warum das so ist. Aber auch wenn ichs nie verstehen werde- es wird trotzdem so sein. Manchmal finden sich keine beschreibenden Worte. Morgens nochmal die Long Street, Mails checken in der "Computeria", ein Cappuchino dabei, Christina hat wie jeden Tag geschrieben und viele Glueckwunschmails sind in der Box. Wo, bitte, gehts zum Flughafen? Tja, afrikanische Wegbeschreibungen, das wuerde allein ein witziges Buch fuellen. Viel Geste, wenig Beschreibung. "Sie fahren dahinten durch..." (eine wischende Handbewegung) "Wodurch?" Dort, sehen sie...?" "Was sehen?" "Sie fahren diese Str. entlang bis dahinten und dann..." (heftige Geste nach rechts mit der Anweisung nach LINKS zu fahren, etwas, was ich sehr oft erlebt hab) "Wo "hinten"? Bis zur naechsten Kreuzung?" "Ja, und dann weiter..."etc. Es waere fuer die meisten Afrikaner schlichtweg ruede zu sagen: "Ich weiss es nicht, ich kann ihnen nicht helfen." Man zeigt stets Bereitschaft und guten Willen und schickt dich lieber falsch, als nicht zu "helfen". Es liegt am Fragenden herauszulesen, ob der Gefragte wirklich Bescheid weiss. Exakte Wegbeschreibungen sind eher Sache einer Stadt- und Strassenkultur und Akkuratess und Abstraktion sind noch nicht ganz heimisch in Afrika, dem Kontinent der Vagheit und des Ungefaehren. Eine Bahnfahrt nach Pretoria kostet Dritter Klasse etwa 28 Euro und dauert 25 Std., eine Busfahrt ist wg. meines Rades nicht moeglich, der Flug kostet 40-55 Euro und dauert weniger als 2 Std. Zugfahrten in Suedafrika, auch etwas Spezielles. Ueber Lautsprecher: "Der Zug nach XY faehrt in 5 Minuten ab! Sie haben auf Bahnsteig 3 noch fuenf Minuten fuer den Zug nach XY. Passagiere nach XY haben jetzt noch 3 Min. bis der Zug abfaehrt, steigen sie jetzt ein! Noch drei Min. Schnell! Beieilen sie sich! Nur noch 2 Min. Zeit, schnell, der Zug faehrt gleich ab..." Wie ein Fischverkaeufer auf der Auktion. Sehr freundlich vorgetragen, gelassen, mit viel Verstaendnis fuer afr. Schwierigkeiten mit Peunktlichkeit. Uhren wurden nicht in Afrika erfunden, nicht mal Sonnenuhren. Ich fliege Standby mit Kulula Airways. Ich bin etwas nervoes, wie immer vor Fluegen. Jetzt gehts zurueck. Ruckweise. Das Bordpersonal in Blue Jeans und grellgruenen Hemden. Anweisung: "Wenn sie sich uebergeben muessen, benutzen sie die braunen Papierteuten vor ihnen. Gehen sie nicht zur Toilette- andere muessen auch kotzen. Halten sie unser Flugzeug sauber. Werfen sie keine Abfaelle auf den Boden. Oeffnen sie wahrend des Fluges nicht die Nottueren, sonst fliegen sie raus. Bei Druckverlust fallen Masken vor ihnen herab. Hoeren sie dann auf zu schreien. Schreit ihr Nachbar, hauen sie ihm eine runter." Ich brauche einen Moment, um Ernst und Witz des Textes auseinander zu klamuesern. Neben mir sitzt eine verhuellte Muslimin namens Fatima, Mitte Zwanzig, Transportingenieurin. Unsere Buecher bleiben unbenutzt, wir reden ueber Europa und Afrika und Christentum und den Koran. Das hab ich auch in Afrika gelernt: man muss richtig reden miteinander, am Ball bleiben, um Unterschiede zu ueberbruecken- nicht um sie zu egalisieren. Fatima teilt nicht meine Gottessicht, als ich zitiere: "Jemand hat die nicht unschickliche Anmerkung gemacht: um ein Gott zu sein, muesse man den Menschen Wohltaten erweisen." (Ersamus von Rotterdam, "Lob der Narrheit") Muslime sehen ihren Gott als sehr allmaechtig und akzeptieren seine Forderung nach voelliger Unterwerfung und Anbetung. Eine Haltung eines Glaeubigen, die etwas dafuer fordert, was den Anbetenden statistisch ueber den Glueckszustand der Nichtanbetenden erheben wuerde, ist einem Muslim fremd. Landung im schoensten Sonnenschein. Bordlautsprecher: "Willkommen in Joburg. Wenn dies nicht ihr Zielort ist, haben sie jetzt ein ernstes Problem. Bitte, wenn sie etwas im Flugzeug vergessen wollen, solte es etwas sein, was wir gebrauchen koennen. Wir haben keine Verwendung fuer alte Handys oder Schwiegermuetter..." Ich haette mich nicht gewundert, wenn man durchgesagt haette: "Kapitaen Masuplolu ist etwas muede, weil er direkt von der Flugschule heute nacht ankam. Er wird jetzt eine Landung versuchen. Wir suchen im Moment die Landebahn. Hoppla! Ein kleiner Aufsetzer- alle noch drin?" Man raet mir dringend davon ab, mit der Bahn nach Pretoria zu fahren, weil ich an der Station ueberfallen wuerde. Busse verkehren nicht, nur Taxis und die kosten Unmengen. Ich rufe einen Backpacker an und fahre im Sammeltaxi. In Pretoria-Hatfield quartiere ich mich ein und radle dann zu Christinas BP. Wir kennen uns ja nur einen Tag in Plettenberg lang, aber durch die Mails sind wir uns schon vertrauter geworden. Und es gibt viel zu erzaehlen. geschrieben am 23.6. in Pretoria
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