Home Page english version deutsche Version

  Worum es geht...
  Highlights der Reise
  Ueber Harald Radtke
  Zeitungsartikel

  Tagebuch (952 Eintr.)
  Lesermeinungen
  Leseproben
  Reiseroute
  News Archiv

  Pamphlet zur Faulheit

  Laenderinformationen
  Literatur

  Kontaktformular
  Mediainfo/Fotos
  Impressum


Reisetagebuch

6/21/2005   Suedafrika / Pretoria

Soweto

In beruehmtesten Township Suedafrikas

(Harald) Nachmittags fahren wir nach Soweto. Obwohl es sehr afrikanisch klingt, ist SoWeTo nach der geografischen Lage in Bezug auf Johannesburg "SOuth-WEstern-TOwnship" benannt und das groesste, beruehmteste und beruechtigste S.A.s.

In die Schlagzeilen der Weltpresse kam Soweto erstmals 1976 bei den sog. Schueleraufstaenden, einer Art "Intifada" in S.A.

Goldfunde loesten ab 1886 eine Art Goldfieber, einen "Goldrush" in S.A. aus, wie er auch in den USA zur gleichen Zeit stattfand. Die Funde fuehrten um Pretoria herum zur Ansiedlung von Minenarbeitern- stets Schwarze. Haendler, Transportunternehmen, Hotels, Vergnuegungsstaetten siedelten sich an. Die Arbeiter, fern der heimatlichen Doerfer, wohnten in selbstgebauten Verschlaegen, 1904 bereits 110.000 in dieser Gegend. Neben anderen Krankheiten brach die Pest aus, eine Krankheit, die durch Rattenfloehe uebertragen wird und Folge der unhygienischen Zustaende war.

Die Regierung und die Minengesellschaften bauten kleine Haeuschen fuer die Arbeiter, die zunehmend ihre Familien nachholten. Aber diese Massnahmen hielten nicht Schritt mit den Notwendigkeiten. Erst 1951 gruendete man eine Verwaltungsgesellschaft fuer die Slums und begann mit Strassenbau, der Anlage von Kanalisationen und der Installation von Wasserleitungen. Etwa 6000 Ziegelhaeuser wurden gebaut. Der Unternehmer Sir Ernest Oppenheimer organisierte 1956 mit anderen Unternehmern zusammen eine Kreditsumme von 6 Mill. Rand, die als zinslose Kleindarlehn ueber 30 Jahre rueckzahlbar waren, damit die Arbeiterfamilien sich ihre Haeuser kaufen konnten.

Soweto bedeckt eine Flaeche von rd. 150 qmk (!) und hat geschaetzte 3-4 Mill. Einwohner, wovon etwa ein Viertel illegal sind. Ca. 120.000 Haeuser in 31 Orten bilden den "Cluster" Sowetos. Eine halbe Mill.

Menschen pendeln taeglich zu ihren Arbeitsplaetzen nach Joburg, denn in Soweto selbst gibt es fast keine Arbeitsplaetze. Hinzu kommen derzeit viele Fluechtlinge aus Zimbabwe, etwa 1 Mill. sollen sich im Gebiet um Joburg aufhalten.

Hier leben alle Ethnien des Staates, vor allem Zulus und Sothos. Gesprochen wird Africaans und die Mischsprache "Fanagalo", die entstand, weil die Arbeiter aus Zimbabwe, Botswana, Lesotho, Swasiland usw. kamen und sich verstaendigen mussten. S.A. selbst besitzt ja bereits ein Dutzend offizielle Amtssprachen, darunter Africaans, Englisch, Zulu, Xhosa, Swati, SiSotho, Tswana.

Wir werden ueberall gegruesst, was einem in Joburg sicher nicht passiert. Das gibt der Grossstadt Soweto einen doerflichen Touch.

Miethaeuser sind selten hier. Die Nobelpreistraeger Nelson Mandela und Bischof Desmond Tutu lebten hier in derselben Strasse. Nachdem jedoch auf das Haus Mandels zwei Anschlaege veruebt wurden, ist er weggezogen.

1976 brach hier ein Schueleraufstand los, als Africaans, dass in diesem Landesteil weder die Lehrer, noch die Schueler sprachen, als alleinige Unterrichtssprache verordnet wurde. Im Fussballstadion von Orlando, einem Statdtteil in Sowetos Nordwesten, schoss die Polizei zunaechst mit Traenengas, dann mit Kugeln. Steine flogen, weitere Schuesse fielen. Barrikaden wurden errichtet und saemtliche stattlichen Einrichtungen kurz und klein geschlagen und abgebrannt. In der Folge schloss die Regierung fuer fast zwei Jahre alle Schulen und sandte immer mehr Polizei in die Townships des Landes, denn die Unruhen hatten auf Kapstadt usw. uebergegriffen. In Polizeigewahrsam starben dutzende an Folter und willkuerlicher Gewalt.

Mahnmale erinnern heute an diese Unruhen, deren Todesopferzahl offiziell mit 114, inoffiziell mit ueber 500 angegeben wurde.

Die Haeuser sind durchschnittlich 56 qm gross und pro Haushalt leben i.D. 7 Personen darin. Auf den Wartelisten fuer Neubauten stehen mehr als 30.000 Familien. Solche Haeuser kosten mit allen Anschlusskosten und incl. zweier Baeume nach Wahl ca. 1000 EU. Von den jaehrlich etwa 8000 in Soweto neugepflanzten Baeumen werden 90 % sofort abgeholzt- fuer Kochen und Heizen, obwohl mittlerweile das ganze Gebiet elektrifiziert ist. Aber viele haben kein Geld fuer Elektroherde und-oefen, oder koennen die Gebuehren nicht aufbringen.

Hausbesitzer bessern ihre Gehaelter durch illegale Vermietungen auf, indem sie anderen erlauben, Blechhuetten auf ihren Grundstuecken zu bauen, wofuer bis 30 EU Miete verlangt werden.

Wir haben nur eine winzige Karte Sowetos, aber die Orientierung ist auf Grund der Huegeligkeit einfach. Christina ist sehr nervoes, aengstlich, als ich den Wagen einfach in die engen Gassen der Siedlungen steuere. Ueberall spielen Kinder auf den staubigen Wegen und Plaetzen, das Gras ist wg. der Trockenheit gelb, Abfallhaufen, teils qualmend, ueberall Plastiktueten. Zunaechst ist Christina ueberrascht, wie gut die kleinen Haeuser aussehen und wie fantasievoll sie gebaut sind. Die meisten Hausbesitzer legen keinerlei Gaerten an. Dafuer stehen hier und da Autos herum. Auffallend die oft gepflegte Kleidung- sich bei dem Staub sauber zu halten ist garnicht einfach.

Etwa die Haelfte der Strassen ist geteert, an mehreren Stellen wird gebaut. Waesche baumelt im leichten Wind, auf lehmig-staubigen Plaetzen wird Fussball gespielt, ueberall Ein-Mann-Telefonstaende, wo man per Mobilfunknetz telefonieren kann. Und die ueblichen Strassenhaendler, die Sonnenbrillen, Handy-Cover, Kaemme etc. anbieten. An den Busstaenden stehen Kolonnen von 15-Personen-Bussen, an den Bahnstationen wimmelt es von Menschen die an den Obst- und Gemuesestaenden vorbei gehen.

Ich halte, mache Fotos. Kinder und Jugendliche bitten mich um eine Foto, posieren, ohne nachher Geld zu verlangen. In einer Lotteriehalle sprechen mich die Maenner an: "Wir haben hier 45 % Arbeitslosigkeit. Ich bin 46. Koennte ich bei ihnen zu Hause in Germany Arbeit finden?" Tja, jenseits der 40 wirds auch bei uns zu Hause eng. Erfahrung, Zuverlaessigkeit fallen weniger unter "Leistungsfaehigkeit" und zaehlen nicht so sehr, wie Einsatzbereitschaft, wie sich der Wille, mehr als 8 Std. pro Tag zu arbeiten, nennt. Ehemaenner, Familienvaeter sind da nicht sehr gefragt. Spontane Ueberstunden, Wochendarbeit sind Domaene der Ehrgeizigen, die nicht soziale Belange, sondern Prestige im Vordergrund sehen. Das ist wohl ueberall dasselbe.

Beim Lotto versuchen die Maenner- und es sind keine Frauen hier- DEN grossen Treffer zu landen, mit einem Ruck raus aus den Sorgen zu kommen, vor allem die aelteren, die keine grossen Zukunftschancen mehr vor sich sehen.

Zwei buntbemalte Kuehtuerme des E-Werkes, Krankenhaueser, in denen auch die Opfer der hoechsten Verbrechensrate der Welt landen. Mord und Vergewaltigung sind hier taeglich Brot. Die Polizei hat den kampf gegen das Verbrechen in Joborg und Soweto laengst verloren, dass ist hier Gangsters Paradies.

Wir besuchen das groesste Krankenhaus der suedlichen Hemissphaere, das "Baragwanath" oder "Chris Hani" genannt. Auf Tafeln in den Warteraeumen sind die laecherlich niedrigen Behandlungskosten aufgefuehrt. Schwangere z.B. werden kostenlos behandelt. 5000 Betten gibt es, die Anlage erstreckt sich ueber mehrere qkm. Wir werden aber alsbald hinauskomplimentiert- ohne spezielle "Erlaubnis" sind Besucher nicht erwuenscht.

Blutrot und riesig geht die Sonne unter. Wir fahren ueber die Autobahn N 1 60 km zurueck nach Pretoria, die ruhige Schwester des hungrigen Joburg. Voller Eindruecke, still.

geschrieben am 28.6. in Pretoria


 


  Team Login

© biketour4goodhope