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Reisetagebuch

6/26/2005   Suedafrika / Pretoria

Sun City

Afrikas Las Vegas

(Harald) Vermutlich muss man es nicht gesehen haben, aber um das alte und das neue Suedafrika zu verstehen, ist es wohl hilfreich, dort gewesen zu sein: in Sun City.

Die “Sonnenstadt” wurde von einem der suedafrikanischen Tycoons im Gebiet eines der “Bantustans” mitten im Nowwhere geschaffen. Die Bantustans (auch "Homelands" (Heimatland) genannt) waren Wohngebiete der verschiedenen Staemme, die zur Zeit des europaeischen Mittelalters aus dem Gebiet der Grossen Seen- Viktoria, Tanganika- nach Suedafrika eingewandert waren. Neben den Xhosas und Zulus, waren das auch die Ndebele, die in ihrem Homeland eine Art Scheinselbstaendigkeit in einem selbstverwalteten Gebiet (man koennte auch sagen: "Reservat") hatten, wie sich solche Einrichtungen in den USA nennen. Diese Abtrennung verhinderte u.a. Feindseligkeiten zwischen den Staemmen, wie die Africaander betonen, aber der Hauptzweck war wohl die Abtrennung grosser Teile der schwarzen Bevoelkerung von den Wohngebieten der Weissen. Das bekannteste Homeland waren die Transkei und die Siskei, aber es gab deren viele. Lediglich Lesotho und Swasiland waren als echte Staaten anerkannt, wenn auch abhaengig von der Burenrepublik.

Wir fahren ca. 150 km Richtung Nordwesten durch trockenes Buschland und Townships- besser: Siedlungen. Richtige Doerfer sind es ja nicht, denn diese Siedlungen sind neu, kuenstlich geschaffen. Es gibt nur noch einen geringen Anteil an traditionellen Bauten, also Lehm-Rundhuetten in diesen Siedlungen und die Strassen verlaufen im Karee, statt gewunden, die grossen Maerkte sind weitgehend von Supermaerkten verdraengt und eine Umfriedung, wie sie die Kraals und Bomas haben, gibt es nicht. Kilometerlang ziehen sich diese Wohngebiete aus kleinsten Haeuschen und Wellblechhuetten.

Wir sind fast die Ersten, die auf dem gigantischen Parkplatz von Sun City ankommen. Erstmal ein Fruehstueck auf ein paar Rundgraniten, dann steigen wir in eine Art Schienenbahn, die auf Raedern zwischen Betonmauern rd. 15 m ueber dem Gelaende faehrt.

Wie in Disneyland zahlt man eine Eintrittsgebuehr, (ca. 8 Euro), wovon die Haelfte in Plastikchips rueckerstattet wird, sog. Sun-Dollars, der “heimischen Waehrung”.

Sun City ist ein Mini-Las-Vegas, erbaut, um vergnuegungssuechtige weisse Suedafrikaner zu unterhalten. Hier traten vor dem Ende der Apartheid internationale Superstars wie Elton John auf und Golfstars wie der Deutsche Bernd Langer liessen sich vom grossen Geld verlocken, entgegen dem internationalen Boykott des Regimes, hier zu spielen.

Herz der Sache ist das Casino, in einem der luxurioesesten Hotels der Welt gelegen, zu dem nochmals Eintritt faellig ist. Das muessen wir denn doch nicht haben und gehen stattdessen zum Strand. Ja, ganz richtig, hier mitten in der Halbwueste gibt es ein Freibad mit Anlage, die 2-Meter–Wellen produziert. Sandstrand, Strohschirme, hawaibehemdete Kellner, Diskomusik mit DJ, darueber thront eine kitschige, kuenstliche Amphitheaterruine und ein grosser Pool, der von scheinbar uralten Saeulen umstanden ist. Dazwischen Palmen, Blumenpracht, jede Menge Voegel, die fast zahm scheinen. Man isst Eis, Pizza, trinkt Cola und Cocktails.

Es gibt mehrere, nicht ganz so luxorioese Hotelanlagen mit kleinen Spielhallen, in denen Spielmaschinen ditiales Glueck versprechen. Echte Raeder drehen sich in den Boxen nicht mehr, Programme sind es und man hat nicht mal mehr die Illusion, das die Raeder tatsaechlich stoppten, wenn man die Taste drueckt. Ca. 25.000 Euro sind zu gewinnen, aber viele wissen nicht, wann sie aufhoeren muessen. Da helfen auch nicht die vielen Alibi-Schildchen, die empfehlen, aufzuhoeren oder die Hilfe per Hotline anbieten. Ich hoer schon den Anrufer foermlich sagen: “Ja, danke fuer den Rat. Aber ich brauch nur Geld. Koennen sie mir was leihen?”

Ein ganzer See wurde hier zum Boetchenfahren gebaut, ueber die umgebenden Huegel kreisen Sight-Seeing-Hubschrauber. Nandoos, Spur, KFC und Chicken Licken gibts und ueberall rasselt und klingelt es.

Wir schauen uns den winzigen Zoo an. Neben vietnamesischen Haengebauchschweinen und Zwergponys, gibt es ein grosses, dichtbewachsenes Freigehege mit Antilopen, die ich mir nicht nehmen lasse, mit der Hand zu fuettern. So nah, so zahm- unglaublich. Einmal mehr faellt mir ein, dass wir Menschen die einzigen Lebewesen auf diesem Planeten sind, die mit fast allen groessern Tieren Freundschaft schliessen koennen. Was fuer eine faszinierende Vorstellung.

Um 16.30 Uhr ist Krokodilfuetterung. Die Werbung “Wir haben die drei groessten, in Gefangenschaft lebenden Nilkrokodile der Welt” ist nicht mehr ganz richtig, nachdem das Groesste die beiden kleineren getoetet hat. “Arnold” ist ein Gigant von ueber 5 Metern und liegt inmitten seiner Weiberschar aus dutzenden 3-4-Meter-Damen. In der jetzigen Winterkaelte verdauen die Reptilien nicht mehr richtig und fressen kaum. Die Warter steigen mitten unter die Krokodile und hauen Arnold mit einem dicken Platikrohr auf den Kopf, damit er sein Maul aufmacht und dann schmeissen sie ihm ein ganzes gerupftes Huhn hinein, das er im zweiten Anlauf verschluckt wie unsereins eine Pille.

Die Waerter erzaehlen den Touristen allerdings groben Unfug. Da ist von Krokodilen die Rede, die fast 200 Jahre alt und 7 m lang seien etc. Wie alle Reptilien wachsen auch Krokodile solange sie leben. Aber irgendwann ist dieses Wachstum kaum noch messbar und sie werden nur noch fetter und legen bis zum Doppelten des Gewichtes zu. Die laengsten und schwersten sind also immer die aeltesten.

Das Indo-Pazifische Krokodil ist Weltmeister und erreicht tatasechlich gut 7 m Laenge. Auch die indischen Gaviale, eine Krok-Art mit ueberlangen, schmalen Maeulern, werden so lang.

Der Waerter fragt, ob jemand runterkommen moechte und die Tiere fuettern. Ich rufe und gehe sofort zum Abstieg, aber es war nur ein Scherz, auf den ausser mir keiner reinfiel, weil es allen anderen wohl absurd erschien.

Krokodile werden i.d.R. 60-70 Jahre alt, in Ausnahmefaellen vielleicht 80- max. 100 Jahre. Sie koennen nicht kauen, weil sie die Kiefer nicht quer bewegen koennen und keine Mahlzaehne, wie z.B. wir Menschen haben. Also muessen sie alles im Stueck verschlingen oder abreissen. Dies tun sie durch Rotationsbewegungen um die eigene Achse, oder- und das ist der Grund, warum sie sich gegenseitig beim Jagen tolerieren- indem sie an verschiedenen Enden zubeissen und die Beute zwischen sich zerreissen.

Krokodile haben eine der staerksten Verdauungssaeuren der Welt. Die Salzsaeure dieser Echsen zersetzt selbst Knochen.

Krokodilmuetter bewachen ihre Gelege, graben ihre schluepfenden Jungen aus, wenn diese sich quaekend bemerkbar machen und tragen die Brut in ihrem Maul zum Wasser, wo sie ihren umterarmlangen Nachwuchs noch wochenlang weiter beschuetzen. Solche Fuersorge traut man den so erschreckend aussehenden Riesen nicht zu.

Die Maennchen sind territorial und verteidigen darin auch ihre Weiberschar. In Gefangenschaft kann das im Kampf unterlegene Maennchen nicht fliehen und wird somit getoetet- was in freier Wildbahn kaum vorkommt.

Mit Einbruch der Dunkelheit lassen wir den Vergnuegungstempel Sun City hinter uns. Durch den scheinbar allgegenwaertigen Smog abertausender Feuer, der wie eine graue Decke ueber dem Land liegt, gehts zurueck. Ueberall brennt Gras und Busch, am Horizont leuchten die Flammenwaende, die Strassen sind endlos gesaeumt von schwarz-verkohlter Natur und in Pretoria fliegen einem den ganzen Tag draussen Aschestuecke ins Essen. Wozu das gut sein soll, bleibt schleierhaft. Bei diesen Feuern sterben alle Schildkroeten, Eidechesen, Schlangen, Vogelnester verbrennen, alle Heuschrecken, Spinnen etc. Es ist wie eine Wut, als ob man noch immer die bedrohende Natur bekaempfen muesse. Dabei ist sich der Mensch und seine extensive Lebensweise laengst der einzige Feind geworden.

Wir Deutschen habens nicht anders gemacht. Baeren, Woelfe, Luchse, Wildkatzen, Adler, Schlangen, Schildkroeten, Auerochse und Bison und die einzige Antilope Europas, das Saig, Gross-Trappen und das Wildpferd “Tarpan”- die Liste ist lang, alles ausgerottet oder fast jedenfalls.

Beim Chinesen ein Take-Away-Menue fuer 2,20 Euro, ein Videofilm und wir machens uns gemuetlich in unserem kleinen Zuhause, am Wohnzimmertisch neben Ian und Trix und dem Hund Daisy.

geschrieben am 4.7. in Louis Trichard


 


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