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Reisetagebuch

6/29/2005   Suedafrika / Pretoria

Melrose House

Letzter Tag in Pretoria

(Harald) Es ist unser letzter gemeinsamer Tag. Wir fahren mit dem Leihwagen in die Stadt und schauen uns das Melrose House an. Eine kleine, schmucke Jugendstilvilla inmitten grosser Jacarandas, gegenueber dem groessten Stadtpark Pretorias. Die Hauptstadt wird wegen ihrer ca. 30.000 Jacaranda-Strassenbaeume auch Jacaranda-City genannt. Im Oktober bluehen die aus Suedamerika eingefuehrten Baeume mit abertausenden kleiner, violetter Blueten und verwandeln die Stadt in einen Farbentraum. Mich erinnert die Vorstellung an Nairobi.

Das weissgetuenchte Melrose House hat eine bewegte Geschichte und ist heute als ein schoenes Museum bewahrt. Altrosa gestrichener Blumenstuck, lilienartige, gusseiserne Balkonstuetzen, Tiffanylampen, saeulentragende Terrassenumfassung, ein winziger, schneeweisser Metall-Pavillion und ein ebensolches Gewaechshaus. Das alles hat etwas Weibliches, Feines. Innen schwere Teppiche aus China, Persien und Afghanistan, die zeigen, dass, wer es sich leisten konnte, bereits vor ueber 100 Jahren durch britischen Kolonialhandel an alles kam was die Welt zu bieten hatte: Prozellan aus China und Japan, Murano-Glas aus Venedig, Tafelsilber und Meissner Porzellan aus Deutschland, indische Gewuerze und ceylonesischen Tee, Standuhren aus den USA etc.

Das Haus war waehrend des 2. Anglo-Buren-Krieges Hauptquartier der Englaender. Die Buren hatten den ersten Krieg (1880/81) verloren und versuchten nun erneut ihre Unabhaengigkeit in Transvaal, Natal und Oranje zu bewahren. Es ging nicht nur um Freiheit, sondern auch um die juengsten Goldfunde in der Region.

Nachdem der erste, ritterlich-zimperliche britische General der Lage nicht Herr wurde und die Briten zunaechst Niederlagen hinnehmen mussten, kam der Manns fuers Grobe: Lord Kitchener, der Held von Sudan/Omdurman (meine Leser erinnern sich vielleicht an Karthum/Omdurman, wo auf dem Campingplatz noch das ehemalige Kanonenboot von Kitchener lag). Kitchener hatte dem Mahdi und dessen muslimischer Armee dort mit seinen modernen Waffen den Garaus gemacht und liess sich fuer die erbittert und taktisch klug kaempfenden Buren eine neue Kriegsvariante einfallen: da er die Guerillaeinheiten der Buren nicht fassen konnte, verlegte er sich auf das Konzept “Verbrannte Erde” und vernichtete die Farmen, Ernten, das Vieh, die Werkzeuge der Buren und nahm deren Frauen und Kinder gefangen und sperrte sie in Gefangenenlager- die ersten Konzentrationslager waren entstanden. Kitchener hatte schon in Omdurman gezeigt, dass fuer ihn die Zeiten der Ritterlichkeit im Krieg vorbei waren und in S.A. bewies er erneut seinen Sinn fuers Praktische. In den KZs des Lords und seines Empires begann ein grosses Sterben, Fotos von verhungernden Kindern, von Mitarbeitern des Roten Kreuzes aufgenommen, gingen durch die Weltpresse, vor allem Frankreich empoerte sich gegen diese Art von Krieg gegen Zivilisten. Insgesamt starben in den britischen KZs ueber 28.000 Frauen und Kinder an Hunger, Erschoepfung und Krankheiten. Dieses Kapitel koennen die Buren den Englaendern bis heute nicht verzeihen.

Im Gewaechshaus wird das Geschehen mit Fotos und Kopien von damaligen Karikaturen dokumentiert.

Erfreulicher sind die Kueche, das Bad, die Arbeits- und Kinderzimmer, alles voller originaerer Ausstattungen. Das Gesinde lebte unter dem Dach juchhe, war somit jederzeit verfuegbar, 24 Std. Im Dienst und musste den Kopf einziehen, um stehen zu koennen.

Am grossen Esstisch im Paterre fand dann 1903 die Verhandlung und Unterzeichung des Friedensvertrages zwischen den Briten und den Buren statt, die es fuerderhin aufgaben, gegen die Militaermaschinerie der groessten Kolonialmacht der Erde anzukaempfen. Und so hatten sie das Privileg fuer diese dann nur 11 Jahre spaeter in den Ersten Weltkrieg zu ziehen und somit Krieg gegen ihre deutschen Vorfahren dort zu fuehren.

Die Briten wendeten in den 50er Jahren eine “bereinigte” Varinate dieser Taktik gegen Guerillas des Mau-Mau-Aufstandes in Kenia an, indem sie dort ueber 100.000 Kikuyu in KZs sperrten- ich habe seinerzeit darueber geschrieben.

So liegt das Schoene und das Haessliche nicht nur in diesem herrschaftlichen Melrose House nah beieinander.

Vor ein paar Jahren versuchte eine extremistische Gruppe Weisser den Tisch zu zerstoeren, auf dem ihre Niederlage dokumentiert wurde und warf eine Bombe durchs Fenster, die zwar das ganze Zimmer zerstoerte, nur- der Tisch stand in einem anderen.

Christina und ich gehen noch einmal indisch Essen und versuchen uns mit dem Gedanken vertraut zu machen, wieder aus den Augen zu verlieren, was wir gerade erst gefunden haben. Ich packe meine Sieben Sachen in drei Taschen und bin mental auf den letzten Abschnitt meiner Radtour eingestimmt: Zimbabwe, ich komme!

geschrieben am 11.7. in Masvingo/Zimbabwe


 


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