7/1/2005 Suedafrika / Bandelierkop
Wagn-bietje-Bos
Erster Radtag
(Harald) Heiligs Blechle, war das kalt heute Nacht! So eine grosse Luftmatratze zieht dir foermlich die Waerme aus den Knochen. Ich musste mir mitten in der Nacht eine Decke aus dem Gaestezimmer stibitzen und meine Schaummatte unterlegen. 2 Hosen uebereinander, 2 Pullover, Windjacke, Wollmuetze und Kapuze auf, 2 Paar Socken...Unter 5 Grad waren es draussen und hier drinnen wars nicht viel waermer. Ich dusche, packe, setze mich in die ersten Sonnenstrahlen um mich zu waermen,lese. Marlize bringt mir Rooibos-Tee, sowas wie ein Nationalgetraenk in S.A.. Rooibos- Africaans fuer “Rotbusch”, waechst nur in S.A. und ist teeinfrei. Marlize bietet mir Muesli an. Wie die Benutzung des Nets und das Abendbrot gestern alles kostenlos. Als ich mich verabschiede formt Marlize gerade einen Bruchgips bei einem Patienten. “Es war sehr interessant dich kennengelernt zu haben. Kommst du mal wieder?” Nein Marlize, wohl kaum. Das ist einer der vielen endgueltigen Abschiede. Aus der Stadt hinaus, durch trockenes, gelb-braunes Akazienbuschland. 70 km fahre ich heute, genug fuer den ersten Tag. Gestern abend ist die Amnestie fuer den illegalen Besitz von Schusswaffen in S.A. abgelaufen. Rd. 80.000 Schusswaffen wurden abgegeben, rd. 15.000 davon waren illegal. Heute morgen landesweite Strassenkontrollen mit schwerbewaffneten Polizisten, Durchsuchung von Bussen und PKWs- ich darf durchfahren. Wenig Wolken, strahlende Sonne, 22 Grad, Gegenwind aus Richtungen 12-14 Uhr, die Strasse, die N1, breit und glatt und stark befahren. Trotzdem ich wie immer auf der Standspur fahre, erwischt mich fast ein LKW- ein kleiner Schlenker und das waers gewesen. Schwein, mieser Hund! Hilflose Wut. Ich wechsle also wieder auf die Gegenfahrbahn. Alsbald die naechste Attacke. Ein Golf, 2 Schwarze halten direkt auf mich zu, ich muss blitzschnell absteigen und ins Geroell, Gewinke aus dem Wagen. Mann, bin ich das satt, staendig Buettel dieser Aggressionen zu sein! Ich nehme vier kleinfingerkuppengrosse Schottersteine auf. Eine halbe Std. spaeter der naechste Held der Landstr. Ich winke dem Fahrer des Minibusses ein “Mach Platz!”, dann drohe ich mit der Wurfhand, es hilft nichts, er steuert auf mich zu und im Vorbeifahren schmettere ich die Steine auf die Windschutzscheibe- und der Bus faehrt unbeirrt weiter! 20 Min. spaeter ein Honda-Civic und wieder schleudere ich die Steine und wieder faehrt der Wagen weiter, ich fasse es nicht. Aber so hilft das nichts, denn ich will ja keine Rache sondern Vermeidung. Also nehme ich einen richtig dicken Stein auf. Alsbald ein Einzelfahrer, ein Schwarzer wie alle anderen. Er lenkt auf mich zu, ich winke, er haelt weiter drauf, ich hebe den grossen, gut erkennbaren Brocken und –hah!- er dreht sofort bei. So geht das in S.A. Auf meiner Reise gab es mehrere Staaten, in denen mehr Wut zu spueren war, als in den uebrigen: Aegypten, Aethiopien und S.A. Aber die “Road-Rage” in S.A. ist unuebertroffen und die Kriminalitaet auch. Am Spaetnachmittag der oertlich passenste Platten meiner Reise: direkt an einer Raststaette mit “Steers”-Fast-Food. In den letzten Sonnenstrahlen flicke ich. Ein gebogener Dorn des “Wagn-bietje-Bos”- Africaans fuer “Wart-ein-bisschen-Strauch”, zu deutsch “Bueffeldornakazie”. Einmal richtig in den Aesten verfangen, kommt man ohne zerrissene Kleidung und Haut nicht frei. Ich erreiche Bandelierkop (“Patronengurt”) in der Dunkelheit. In einer kleinen Lodge frage ich nach guenstiger Unterkunft. Der Mann, ein Weisser wie fast alle Inhaber, mustert mich. Der Preis ist zu hoch, ich will gehen. “Sie sind Deutscher?” Er will mir helfen und handelt sich selbst herunter. “Zahlen sie, was sie wollen.” Als ich 80 Rand vorschlage, meint er, 50 taeten es auch. Vier Std. unterhalte ich mich mit Pierre und seiner Frau Rina. Wie vielen Maennern in S.A. ist es ihm wichtig, erstens seine Sympathie fuer die Deutschen zu betonen, zweitens seine deutschen Wurzeln zu unterstreichen und drittens mir verstaendlich machen zu wollen, warum die S.A. Politik, die Apartheid, richtig war. Im Zimmer ist es warm und ruhig und ich habe eine gute Nacht. geschrieben in Harare am 19.7.
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