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Reisetagebuch

7/3/2005   Suedafrika / Louis Trichardt

Clouds End Hotel

Madonna Evita

(Harald) Der Manager heisst Dennis, ca. 60, ein ruhiger Typ, den seine ca. 20 Jahre juengere Frau foermlich anhimmelt. Er spricht die hiesige Sprache "Venda" und bietet mir an: “Harry, iss was Warmes, ich mach dir nen guten Preis.”

Im Compound des Hotels stehen herrliche Bougainvilleen in Scharlachrot, Violett und Sonnenblumengelb und ein Feigenbaum mit einer 9-Meter-Basis, zahlreiche Katzen streunen umher und die Affenhorde ist stets auf den Daechern, darauf wartend, das der Abfall aus der Kueche kommt.

Ich habe beschlossen einen Tag zu bleiben und setze mich in die Sonne und zeichne einen weisslackierten Eisen-Pavillion. Etwas eingerostet, meine Federfuehrung.

Eine religioese Versammlung hat den grossen Saal des Hotels gebucht, alle schwarz und in Anzuegen und Krawatten. Dennis Frau sagt, man habe angekuendigt, dass es morgens gleich losginge, aber das Fruehstueck zieht sich hin und bis Mittags ist nicht viel passiert. “So ist das immer. Die haben grosses Programm und davon schaffen sie nicht die Haelfte”, sagt sie.

Mittagessen draussen. Danach sieht die feine Terrasse aus, als habe man mit Essen geworfen statt es zu verzehren. Die Affen versuchen den Abfall zu erhaschen und werden mit Krachern verjagt. Den Abfall einfach aufzuheben- darauf kommt anscheinend niemand. Brot, Maisbrei, Salat und Knochen liegen auf Tischen, Stuehlen und der Erde.

Am Abend draengen sich Betrunkene zwischen unsere kleine Gruppe am Kamin. “Die wollen nur unbedingt stoeren, klarmachen, dass wir Weissen nicht einfach ohne sie hier sitzen koennen”, sagt Hilary, die alte Dame aus Zimbabwe. Einmal mitten unter uns, haben die Betrunkenen uns tatsaechlich nichts zu sagen.

Mir erscheint die Freundlichkeit der Weissen dem rein schwarzen Personal gegenueber gezwungen, ja verlogen, denn mir gegenueber aeussern sie sich wesentlich negativer ueber die Schwarzen.

Abends setzt Nieselregen ein, der hier “Guti” heisst, ein fuer diesen Teil Afrikas im Winter haeufige Erscheinung. Im Fernsehen laeuft BBC. Der einzige zimbabwische Sender ist lt. Alan und Hilary, die 25 km noerdlich von Harare wohnen,zu einem reinen Propagandaorgan verkommen. Die BBC hat einen ganzen Monat dem Thema “Afrika” gewidmet. Anlass sind die “Live-8”-Konzerte in Europa. Bob Geldof glaubt man sein Anliegen. Er plaediert wie viele andere, fuer einen “Marshall-Plan” fuer Afrika. Dieses US-Entwicklungskonzept half Deutschland nach dem 2.Weltkrieg wieder einen Industriestaat aufzubauen. Fuer Afrika scheint mir das abwegig. Was Deutschland half, wird Afrika nicht helfen, weil die Voraussetzungen voellig andere sind. In differenzierten Loesungen liegt eine Chance. Afrika wird auch nicht in 20, 30 Jahren ein Industriekontinent sein. Ein “Morgentau-Plan” waere fuer die laendlichen Gebiete passender. Dieses alternative US-Konzept sah fuer Deutschland vor, sich zu einem Agrarstaat zu entwickeln. Afrika waere schon geholfen, wenn Malaria, Aids und andere Massenkiller eingedaemmt waeren und sich die Menschen weitgehend selbst versorgen koennten. Mit dem Differenzieren haben grosse Organisationen jedoch so ihre Probleme und mit den Erfolgskontrollen noch mehr. Das Einpumpen von Milliarden in afrikanische Regierungen fuehrt zu Korruption, das Geld versickert oft in Politikerkonten in der Schweiz (wer macht diesem staatsgeschuetzten Missbrauch eigentlich mal ein Ende in Europa?) oder in Ruestungseinkaeufen in Russland oder China, bei Polizeigeneraelen und jedem denkbaren Machtapparatchik. Ohne wirksame Kontrolle ueber die Verwendung der Darlehen oder Spenden foerdert man lediglich den Aussatz, der Afrika zerfrisst. Ohne innerstaatliche Ordnung duerfen Spenden niemals in politische Haende fliessen. “Menschen fuer Menschen”, Karl Heinz Boehm, hat das seinerzeit richtig gemacht. Als der aethiopische Botschafter ihn seinerzeit bat, die gesammelten Millionen per Scheck einzureichen, lehnte er ab und investierte das Geld vor Ort selbst. Und HOKISA macht es in Kapstadt genauso.

Auf dem Bildschirm im Speisesaal ist die Reihe an Popstar “Madonna”. Sie zerrt eine sichtlich irritierte Aethiopierin ueber die Buehne, die seinerzeit durch die Spenden vor dem sicheren Hungertod gerettet wurde. “Seid ihr bereit eine Revolution zu beginnen?” schreit die 47-jaehrige mit dem anmassenden Namen pathetisch. “Ja!” johlt die Menge begeistert auf dieses Kommando zurueck. Ich sehe das foermlich vor mir: Die heilige Madonna Evita fuehrt die reichen Massen an. Fuer Stars macht sich so ein Auftritt gut.

Immerhin rueckt der Kontinent mehr ins Blickfeld. Meine Tischnachbarn sind mir zunehmend peinlich, denn die Kellner und Kellnerinnen koennen teilweise das Rassengerede ueber breite Nasen, dicke Lippen und fehlende Gene hoeren. “Zimbabwe hatte 1980 (ab diesem Datum wurde es von einer schwarzen Regierung gefuehrt) alles: Infrastruktur, stabile Waehrung, kaum Korruption, funktionierende Post, Polizei, Gerichte etc. Und jetzt? Schauen sie sich das Elend an!” fordert mich Hilary auf. Das werde ich, Hilary, das werde ich.

Die Klimanlage heizt mein Kaemmerchen auf und draussen saueselt der Spruehregen auf die Daecher.

geschrieben am 4.8. in Masvingo


 


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