7/5/2005 Suedafrika / Musina
Big Tree - der dickste Baum Afrikas
Rappelkiste
(Harald) Die weisse Inhaberin des Hotels stellt mein Rad und Gepaeck unter und ich frage mich zum Minibus ins Vendaland durch. Ich moechte dort den groessten Baobab Afrikas sehen. “Sie sind sehr mutig mit den Taxis zu fahren”, sagt sie. Jaja, das hab ich oft gehoert. Die oft schrottreifen Taxis sind in S.A. (und nicht nur dort) die Killer Nr. 1 im Strassenverkehr. Ob die Dame aber diesen Aspekt gemeint hat? Ich frage einen Mann am Bus, der sich als Fahrer ausgibt. 3 EU kostet die Fahrt in der vollgestopften Rappelkiste. Als wir losfahren, stellt sich heraus, das er natuerlich nicht der Fahrer ist. Ich bin mittlerweile nicht mehr erstaunt ueber diese schamlose Luegerei, deren Sinn oftmals ueberhaupt nicht klar wird. Das gesprochene Wort, ueberhaupt jegliche Zusage, hat kaum Wert. Es geht, wenn ueberhaupt, stets nur um Mittel das Zugesagte auch zu bekommen. Auf Zusagen zu pochen, ist oft reine Zeitverschwendung. Ich bin von dicken Mamas und rotznasigen Kindern eingequetscht. Beim Pausenhalt auf der 120-km-Strecke essen alle Pap, oder Millipap, also Maisbrei, mit Sosse und fettigem Fleisch. Taschentuecher hat hier niemand, weswegen die Finger an Prospektblaettern und Kleidung abgewischt werden und der Rest verrieben wird. Im Wagen herrscht der Minestronegeruch nach lange ungewaschenen Koerpern. Abfall jeder Art fliegt einfach aus dem Fenster, dieser Output haengt ueberall in den Akazien. Trotzdem eine Bombenstimmung im Wagen, da wird auch schon mal geklatscht oder gesungen, in jedem Fall droehnt die Musik und die Mamas haben sich lautstark viel zu erzaehlen. Ich witzel so gut es geht mit, das vertreibt die Zeit. Tshipise, eines der zahlreichen kleineren Tierreservate. Ein grosser, voellig ueberfuellter Campingplatz, radelnde Maenner, joggende Frauen mit Baseballkappen, der Qualm von Grillfeuern. Ich bin am Ziel der letzte Passagier, der Fahrer faehrt mich gegen kleines Geld bis zum Eingang der Umzaeunung des Baumriesen. Eintritt ca. 0,80 EU. Der Baum ist gigantisch. Nur ca. 20 m hoch, aber 43 m Umfang an der Basis. Baeume wachsen ihr Leben lang und dieser ist demnach sehr alt, ein Methusalem seiner Gattung. Zu Zeiten Jesu war er schon etwa 1000 Jahre alt. Die hoechsten Baeume der Welt stehen in den USA, im Sequoia- und im Yellowstone-Nationalpark und gehoeren zu den Mammutbaeumen. Die ueber 1000 Jahre alten Giganten sind ueber 100 m hoch und es gibt Aussagen, dass selbst 130, 140 m Hoehe erreicht wurden. Auch Eukalyptusbaeume koennen diese Ausmasse erreichen. Die aeltesten Baeume der Welt fand man ebenfalls in den USA, an der Baumgrenze in den Rocky Mountains. Die kleingewachsenen Grannenkiefern dort sind bis zu 6600 Jahre alt. Und als ein Biologe sich in Kanada ueber einen kleinen Wald wunderte, in dem die Aeste der Baeume immer wieder den Boden beruehrten, stellte er fest, dass alle Baeume des Waldes genetisch identisch waren- was bedeutet: der ganze Wald war ein einziger Baum. Die groessten Pflanzen der Welt sind jedoch nicht die Baueme, sondern Pilze. In konzentrischen Kreisen wachsen manche Arten zu Durchmessern von mehr als 2 km! Ich klettere auf den Baobab, schaue in seine grosse Hoehle, in der gut 10 Leute Platz haben und in der schon oft ein Feuer entzuendet wurde. Die Rinde ist silbrig-braun und glaenzt wie eine Schwarte. Am ehesten wuerde ich diese Rinde mit der Haut eines Wals oder eines Nilpferdes vergleichen, voller Narben und Gravuren. Was koennte dieser Baum alles erzaehlen! Er stand hier schon, bevor die ersten Bantustaemme aus dem Norden kamen und das Land noch den Khoisan, den Buschmaennern gehoerte, hellhaeutigen, kleingewachsenen Menschen mit einer Sprache voller Klicklaute, die auch in die Sprache der Xhosa und Zulus einflossen. Und ich denke: 3000 Jahre leben! 6600 Jahre leben! Wann wuerde man des Lebens muede? Nur mit der unendlichen Ruhe und Geduld eines Baumes ist solch eine Spanne zu ueberstehen. Der Taxifahrer hat auf mich gewartet und wir fahren auf dem Rueckweg durch sein Dorf. Ein Muli lag scheinbar verendet auf dem sandigen Weg als wir vor einer halben Stunde vorbeifuhren und jetzt liegt er immer noch da. Ich bitte den Fahrer anzuhalten und stelle fest, dass das Tier noch lebt, aber derart abgemagert und geschwaecht ist, dass es nicht aufstehen kann. Kinder laufen herbei, als sie mich sehen und halten dem grossen braunen Tier Blattwerk hin und dieses sterbende Tier, voellig ausgehungert, versucht vergeblich zu fressen. Der Besitzer habe nur diesen einen Maulesel erklaert der Fahrer. Was er sagen will: dieser Mann ist auf seinen Esel angewiesen und musste ihn so schinden, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das ist auch eine Logik sage ich dem Fahrer. Jetzt hat er das ehemals starke Tier derart hungern lassen, dass er gar keinen Muli mehr hat. Und laesst ihn einfach verrecken, jaemmerlich, mitten auf der Strasse. Das Tier hebt den Kopf, schaut mich aus rollenden Augen an, die nicht verstehen, aber wie eine Bitte in der Luft haengen. Ich frage, ob jemand eine Schusswaffe hat. Verwunderung. Oder ein scharfes Messer? Niemand antwortet. Ich steige wieder ein und fahre zurueck nach Musina, schaue aus dem Fenster, auf all die Schoenheit dieser Landschaft, die Gemaechlichkeit der Menschen, die Lebensfreude der Kinder, die an der Strasse spielen und mich beruehrt wieder dieser Hauch von Traurigkeit ueber das Erbarmungslose, Rohe, Gewalttaetige Afrikas. In Musina belade ich meinen Gaul und reite Richtung Grenze, um heute noch hinueber zu gelangen. Aber ein vorbeirasender LKW schlaegt den Lenker um und macht Gaengen und Bremsen den Garaus und ich muss Rosinante auf einen Bakkie aufladen und nach Musina zurueck. Das Hotelzimmer ist belegt und so schlage ich das Zelt auf dem Campingplatz vor der Stadt auf. In der Nacht regnet es etwas, aber ich bleibe trocken. geschrieben am 4.7. in Masvingo
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