7/7/2005 Zimbabwe / nahe Rutenga
Eine Giraffe in meinen Haenden
Eine unglaubliche Begegnung
(Harald) Tag der Terroranschlaege in London, wie ich spaeter erfahre. Ich habe zuviel geschlafen, denn nach Einbruch der Dunkelheit bin ich meist nicht mehr lange wach und dann wache ich um vier Uhr auf und warte nur noch auf das Morgengrauen. In der Nacht hat es leicht geregnet und auch am Morgen nieselt es, so dass ich ein nasses Zelt einpacken muss. Ich schiebe zur Strasse zurueck, kontrolliere die Reifen auf Dornen und fahre los. Gegenwind aus 13-14 Uhr, die Landschaft weiterhin flach mit einzelnen kleinen Huegeln, bewoelkt. Pause an einer der zahlreichen Raststellen, die aus ein bis zwei runden Tischen und halbrunden Baenken aus Beton bestehen, meist alles zerschlagen, zerstoert, vermuellt. Die Metallschilder, die die Entfernungen angeben, sind fast ausnahmslos aus den Betonfassungen gerissen, ueberall ragen verrostete Eisenstangen aus dem Boden, die einst Hinweisschilder auf Farmen oder Werbung trugen. Dieses rigorose Abreissen saemtlichen Metalls erinnert mich an Malawi. Pause an einer Tankstelle, die tatsaechlich etwas Benzin hat. Ein altes Ehepaar, in S.A. geboren, aber seit 60 Jahren in Zimbabwe, seit 40 Jahren Farmer. Die alte Dame sagt: “Sie muessen Tiere lieben, denn meine Hunde sagen ihnen “Hallo”. Ein Retriever und zwei Jack-Russel wedeln mich durchs Autofenster an, waehrend sie fast hysterisch jeden Schwarzen anbellen, der sich dem Wagen naehert. “Es ist gut das sie kommen auf ihrem Rad und selbst sehen, was hier los ist. Wenn man so im Auto durchs Land rast, koennte man meinen, alles sei in Ordnung, aber sie reisen langsam und bekommen mit was los ist. Wir haben unsere Farm verloren und jetzt wollen sie uns sogar noch aus unserem Haus verjagen. Wir mussten saemtliches Vieh verkaufen… Ich lade die beiden zu einem Kaffee ein, aber wohin? Es gibt keinen Kaffee hier. An einer Durchreiche erstehe ich ein knorpeliges Stew mit Reis, den fuer umgerechnet fast 3 EU angebotenen Saft lehne ich ab. Nachtisch: Schokokekse und Wasser, dann gehts weiter. Bei einem Seitenblick falle ich fast vom Rad- eine Giraffe steht direkt neben mir an einem klapprigen Zaun, nur 3 Meter entfernt! Ich steige ab, aber das Tier weicht in den Busch zurueck. Ein paar Meter weiter eine Farmzufahrt, an der ein Arbeiter repariert. "Sie wollen die Giraffe sehen?" fragt er mich nach der ueblichen Hoeflichkeitsprozedur. Und ob ich will! Er weist mir den Weg zu ein paar Huetten im Busch und da steht mitten zwischen den Huetten eine ausgewachsene Giraffe, ein Bulle von gut 5 Metern Hoehe und nur 6 m neben seinen baumartigen Beinen spielen ein paar Kinder. Ich steige ab und der Bulle scheint von dem weisshaeutigen Ding auf dem blauen Gaul mit dickem schwarzen Hintern (dem Gepaeck) derart fasziniert, das er fast hastig zu mir kommt, der weiche Lehmboden vibriert unter seinen Hufen. Ich steige ab und stehe unter dem lebenden Turm, direkt vor diesen Saeulen von Beinen, die mir bis zur Brust reichen, ich koennte fast unter dem Riesen durchlaufen. Der Bulle ist vorsichtig, freundlich, fast scheint mir, er wolle mir keine Angst machen, er neigt seinen Kopf zu mir hinunter und ich fasse sein Gesicht mit beiden Haenden und schaue in seine wunderschoenen, schwarzen Augen, gross wie Golfbaelle, von langen Wimpern umrandet. So stehen wir beide voreinander, ich reibe seine Nase, weich, seine Wangen, hart, sein Kinn, hohl wie bei einem Pferd. Diese Haltung ist fuer das Tier sehr anstrengend und nach einer Weile muss es den Kopf aufrichten, um den Blutdruck wieder zu stabilisieren. Und wieder neigt er sich zu mir, kommt noch einen Schritt auf mich zu, will mit seinem Kinn meinen Hinterkopf beruehren, als wolle er mich unter sich schieben. Das ist mir nicht geheuer, denn Giraffen treten vorwaerts und wenn sich der Bulle erschreckt, wuerde ein einziger Tritt dieser Hufe mich toeten koennen (trotzdem bereue ich heute, das ich ihm nicht vertraut habe und ihn hab gewaehren lassen, um heraus zu finden, was er bezweckte). Ich kann mich kaum loesen, dieser unerwartete Moment gehoert zu meinen schoensten Tierbegegnungen. Ich gebe den Leuten etwas Geld und fahre weiter. Ueberall Autowracks, Lehmhuetten, die Baobabs werden jetzt seltener, die alte Strasse, schmal wie ein Fahrradweg nur, verlaeuft meist nahe rechts im Busch. Pause unter einem uralten Baobab, gut 15 m Umfang, seine Schwarte wie aus fluessigem Sand gegossen, 1000 Jahre oeder aelter ist die Pflanze. Als ich gerade einen unter seiner irrwitzigen Ladung zusammengebrochen Bakkie (4x4 mit Ladeflaeche) fotografiere, haelt ein ebensolcher hinter mir und ein Mann spricht mich aus dem Autofenster an: "Laden sie doch auf meinen Wagen auf, ich fahre zu meiner Rinderfarm, da koennen sie miterleben wie Rinderzucht in Zimbabwe funktioniert. Unterkunft und Verpflegung frei." Wir sind am Mwenezi-Fluss und von hier wuerde ich somit weit zurueckfahren muessen. Ich lehne also ab, denn in Harare wartet ansonsten Christina auf mich. Der Mann stellt sich als Peter vor (ein Deckname) und laedt mich stattdessen ein, bei ihm zu wohnen, wenn ich Masvingo erreiche. Die Passagiere des von mir fotografierten Wagens kommen zu mir und stellen mir die Frage, was und warum ich fotografiert habe. Ich spuere diese Paranoia in diesem Moment, die eine von der Regierung verbreitete Propaganda verbreitet hat. Ich sage den Maennern, dass so ein Achsenbruch bei uns in Deutschland nicht vorkomme, weil niemand sein Auto derart ueberlade und das etwas Komisches habe und ich dies zu Hause zeigen wolle- also genau die Wahrheit und das scheint die Maenner zu beruhigen. Hauptsache, ich bin kein Spion oder sowas... Weiterfahrt, eine letzte Pause, Biltong (Trockenfleisch) und Maheu, ein Getreide-Joghurtdrink. 30 Min. bis Sonnenuntergang, ich erreiche Rutenga, noch 15 Min. Zeit um einen Zeltplatz zu finden! Ich muss jetzt entscheiden, sonst wird es zu dunkel und meine Kopflampe wuerde mich verraten. Also fahre ich in einen Landweg rechts der Str., ueberquere die buschueberwachsene alte Strasse und schummele mich durchs Gestruepp, ducke mich immer wieder, warte, bis Fussgaenger vorbeigegangen sind. Dismal brauche ich 20 Min fuers Bodenvorbereiten, grabe ein Loch fuer den Beckenknochen. Es ist waermer als gestern. Ich benutze die Lampe nicht, denn das blaue Zelt leuchtet in der mondlosen Nacht wie ein Riesenlampion. Stimmen, Muhen, Glockengelaeut- das Vieh wird fuer die Nacht in den Kraal gefuehrt, Hunde wittern mich, bellen, aber ich bleibe mucksmaeuschenstill und sie geben das Alarmieren auf. geschrieben am 4.8. in Masvingo
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