Home Page english version deutsche Version

  Worum es geht...
  Highlights der Reise
  Ueber Harald Radtke
  Zeitungsartikel

  Tagebuch (952 Eintr.)
  Lesermeinungen
  Leseproben
  Reiseroute
  News Archiv

  Pamphlet zur Faulheit

  Laenderinformationen
  Literatur

  Kontaktformular
  Mediainfo/Fotos
  Impressum


Reisetagebuch

7/10/2005   Zimbabwe / Masvingo

Gross Zimbabwe

Die Ruinen einer der wenigen antiken Zivilisationen in Sub-Sahara-Afrika

(Harald) Morgens gemeinsames Fruehstueck, in der Kueche werkelt die Haushaltshilfe, draussen waessert der Gaertner- wie in S.A., so haben auch in Zim alle “weissen” Familien ihr Dienstpersonal. Diese erhalten im Monat etwa 100 EUR, neben Lebensmitteln, manchmal einem Bekleidungsstueck, wie z.B. einem Overall. Die Arbeitgeber bezahlen meist auch Arztkonsultationen sowie notwendige Medikamente, manchmal auch fuer naechste Familienangehoerige. In Notfaellen hat Peter auch andere Kosten getragen wie z.B. Busfahrten o.ae. Aber letztendlich war und ist Arbeitskraft in SSA (Sub-Sahara-Afrika) spottbillig, das hat sich in den letzten hundert Jahren nicht geaendert. Peter und ich diskutieren darueber. Er sagt, dass, wenn er seinen Arbeitern mehr bezahlte, sie nicht mehr zur Arbeit erschienen, vor allem Montags fehlen ihm schon so oft Arbeitskraefte. Die Maenner trinken viel Alkohol, speziell selbstgebrautes Bier aus Sorghum-Getreide. Wenn Geld ueber das notwendige Minimum vorhanden ist, “braucht” der Mann nicht zu arbeiten und ihn dann zu feuern, bringt nicht viel, weil der naechste Arbeiter genau dasselbe tun wuerde.

Peter sagt:“Ich handle Vieh mit einem Schwarzen. Der Mann ist sehr clever, kennt sich mit Vieh aus und weiss, wie er Profit macht. Durch den Handel mit mir verdient er ne Menge Geld. Und was macht er damit? Er kauft sich die naechste Frau und hat jetzt schon drei und zeugt neun Kinder und das frisst alles Geld auf und wenn er mit mir kein Geld mehr verdienen kann, sind Frauen und Kinder immer noch da und was macht er dann?” Frauen sind nicht nur zum persoenlichen Vergnuegen des Mannes da, sondern bringen ihm auch Prestige, sie zeugen von seiner monetaeren und sexuellen Potenz und viele Kinder bedeuten eine breite Basis fuer seine Altersversorgung. Aber sie kosten auch Schulgeld, benoetigen Kleidung und Nahrung, die neue Frau wohnt in einer eigenen Huette, sie moechte genauso viel Kleidung und Schmuck haben wie die anderen Ehefrauen. Arztkosten erhoehen sich, Geld fuer Busfahrten etc. sind aufzubringen. Sparen wurde nicht in Afrika erfunden, Vorraete anlegen, Ansammeln. Wer weiss was morgen ist? Man lebt von Tag zu Tag, von der Hand in den Mund. Morgen schon herrscht eine Duerre und meine Ernte ist zerstoert. Oder eine Regenflut schwemmt mein Auto von der Bruecke, oder meine Frau stirbt an Krankheit oder bei der Geburt, oder ich verliere meinen Job, oder die neue Regierung mischt mein Leben auf, oder ein Krieg bricht aus- der Unwaegbarkeiten sind viele und wer Geld bei Banken anlegt, hat hier in Zim oft alles verloren, weil viele Banken zusammengebrochen sind, denn die der indigenen Bevoelkerung gegebenen Kredite sind zu grossen Teilen nicht zurueckgezahlt worden (“Was solls? Banken haben eine Menge Geld und sie sind versichert und im Moment muss ich mein Geld fuer Wichtigeres ausgeben, als fuer eine Kreditrueckzahlung, mein Kind ist krank etc…”) und die Inflation hat den Wert aller Barguthaben aufgefressen.

Es ist diese immer waehrende Ungewissheit, die jede Lebensplanung unsinnig macht und fuer eine- aus unserer Sicht- kurzgegriffene Lebensweise sorgt. Peter:“Mein Bankmanager ruft staendig mich und meine Kollegen an, um uns Kredite anzudienen, weil er weiss, dass wir diese auch zurueckzahlen. Erstens, weil wir Gewinne machen und zweitens, weil wir zuverlaessig sind.”

Nachmittags setzt mich Peter am Eingang von Greater Zimbabwe ab, dem zweitwichtigsten Touristenhighlight des Landes nach den Viktoriafaellen. Da ich ein Auslaender bin, zwingt man mich, mit auslaendischer Waehrung zu zahlen, d.h. in meinem Fall mit S.A. Rand. Das Land benoetigt dringend stabile Waehrungen, also verlangt man US-Dollar, Euros, Schweizer Franken und Britische Pfund, um im Ausland, wo die eigene Waehrung nicht mehr akzeptiert wird, Benoetigtes, wie z.B. Strom, Treibstoff etc., einkaufen zu koennen, aber auch Unsinniges wie neue Militaerjets von China. Zimbabwe hat keine feindlichen Nachbarn.

Greater Zimbabwe ist eine Ruinenstaette mitten im Huegel-Buschland. Die Huegel sind von den so einzigartigen Kopjes ueberkront, diesen fuer Zim so charakteristischen Granitmonolithen-Haufen. Was diese Ruinenstaette so besonders macht ist die Tatsache, dass es in SSA nur sehr wenige Steinruinen aus dieser Zeit gibt..Dies ist ein Politikum, denn die Weissen im suedlichen Afrika glauben, dass “Schwarze” nicht in der Lage gewesen seien, diese Bauten selbst zu erschaffen und wenn doch, dann nicht ohne Planung und Anleitung von Nicht-SSAfrikanern, waehrend die zimbabwische Regierung darauf besteht, dass ihre direkten Vorfahren, das Volk der Karanga, diese Bauten selbst erdacht und geschaffen haben. Und dieser Stolz auf die in Afrika so seltenen Steinbauten-Kultur hat Zimbabwe seinen Namen gegeben, dass ja bis zur Befreiung 1980 Rhodesien hiess (nach dem Gross-Unternehmer Cecil Rhodes).

Ich selbst habe bis vor kurzem nicht gewusst, dass solche Bauten ueberhaupt existieren und bin entsprechend neugierig. Vor mir breitet sich ein kleines Tal aus, zwischen vier ca. 100 Meter hohen Huegeln erstreckt es sich ueber mehrere hundert Meter. Und da ist es! Die sog. “Great Enclosure”- die Grosse Umschliessung, eine fast ovale Mauer von 225 m Umfang, an der Basis 6 Meter dick und 11 m hoch, ist das schoenste Ruinenstueck der ganzen Anlage, die dereinst eine Art Stadt war, also Zivilisation. Ich gehe durch einen der wenigen, sehr engen Eingaenge und schon der erste Eindruck ist: so etwas gibt es nirgends auf der Welt, das ist einmalig! Die Granisteine sind lose aufeinandergelegt und passen nicht gut aufeinander, verglichen mit Bauten der Roemer, Maya, Inka, Athener, Minoern oder Pharaonen. Sie scheinen unbearbeitet und entstehen durch natuerliche, schalenfoermige Abplatzungen der Granitbloecke ringsum. Sie wurden also nicht von weither herangeschafft und von Steinmetzen behauen. Aber gerade das macht die Aesthetik dieser Bauten aus. Einmalig auch die Form der Mauern: alles ist rund, geschwungen, einladend, folgt keinerlei perfekten Kreisformen oder geraden Linien, das Ganze wirkt sehr organisch, fast anthroprosophisch, um dem Stil einen Namen zu geben. Fuer mich ist sofort klar: da ist kein Einfluss bekannter Baustile zu sehen und wenn ich mir selbst einen afrikanischen Baustil ausdenken muesste, dann koennte er wohl so aussehen.

Innerhalb der hohen Mauer spriest Gras, das Oval ist wiederum in kleinere Ovale unterteilt, nirgends aber gab es ein Dach und Wehrgaenge, wie man sie von europaeischen Burgen kennt, keine Tunnel, keine Wendeltreppen o.ae. Es wurden nie Schrifttafeln gefunden und so weiss man nur wenig ueber diese Zivilisation, die hier um 1100 n.C. entstand.

Das Gebiet war schon Jahrhunderte frueher besiedelt, aber die Steinbauten stammen alle aus dieser Zeit und wurden bis etwa Mitte des 15.Jh. bewohnt, danach nur noch als Heilige Staette benutzt. Die ersten Europaeer, die die Ruinen sahen, waren 1552 Portugiesen und erst 1868 entdeckten Adam Renders und 1871 Carl Mauch die Ruinenstaette erneut.

Ich bin alleine in der Ruine, der Himmel ist bewoelkt und dann beginnt es zu regnen, “Guti”, Nieselregen. Schaustueck der Anlage ist der 10 m hohe, konische Turm. Sein Zweck ist unbekannt, da er nicht hohl ist und keine Treppe ihn erklimmbar macht. Ich kann deutlich erkennen, wo vor 100 Jahren sog. “Forscher” seitlich den Turm aufgebrochen haben, um sein inneres Geheimnis aufzudecken- sie fanden nur Geroell. Der Turm ist wohl nicht mehr oder weniger als eben das: ein Turm ohne praktischen Zweck und da man in den Ruinen kleine Phalli aus Speckstein gefunden hat und auch andere Steinstelen bis zu 4 m Hoehe gefunden wurden, liegt der Gedanke eines gemauerten Phallus nahe, der von der Macht der hier einst lebenden Koenige zeugt.

Ich streife umher, zwaenge mich durch eine Schlucht aus zwei hohen Mauern, an deren schmalster Stelle man fast seitlich gehen muss um durch zu passen. Meine Gedanken ueber den Zweck schweifen immer wieder Richtung “Burg”, “Festung”. Aber warum hat die Mauer dann keine Bruestung obenauf, hinter der sich Bogenschuetzen oder Steinschleuderer vor feindlichem Beschuss schuetzen koennten? Und wie hat man sich vor Regen geschuetzt?

Des Raetsels Loesung wurde durch Grabungen entdeckt. In den Innenovalen standen Lehm-Rundhuetten, sehr afrikanisch und die Mauer war wohl tatsaechlich ein Schutz.

Ich verlasse diesen so angenehmen Ort, an dem es kaum einen 90-Grad-Winkel gibt und sehr wenig Ornamentik und streune durch die vielen kleineren Enclosures, die sich im Tal erstrecken, die wie kleine Kopien der grossen wirken und wahrscheinlich dem Hofstaat und Honorationen dienten.

Dann gehe ich zum zweiten Higlight der Anlage, der “Akropolis”. Auf dem naechsten Huegel haben die Karangas eine Art Fort erbaut, jedenfalls erscheint mir dies so. Ein breiter, mit niedrigen Mauern beidseits geschuetzter Weg fuehrt vom grossen Oval ueber granitenen Boden hinueber zum Huegel, zwei antike Treppensyteme winden sich, teils nur zwei-Fuss-breit, durch die riesigen rundlichen Monolithen, immer wieder geschwungene Schutzmauern, Plattformen, ich gehe unter Felsen durch, die ueber mir aneinanderlehnen und erreiche ein verschachteltes Plateau, auf dem in zig Stufen immer wieder neue Plattformen und Mauern eine Art Naturfestung steht. Noch nirgends hab ich eine solch perfekte Anpassung von Steinbauten an natuerliche Felsformationen gesehen.

Es regnet und gute Fotos sind mir so nicht moeglich. Ich lass mich jedoch nicht verdriessen und bleibe bis zum Einbruch der Dunkelheit, streune immer wieder durch die verzweigten Gaenge, klettere auf Mauern und geniesse den einmaligen Ausblick auf die Grosse Umschliessung und das Tal, esse mein Picknick-Paket, hoere den Pavianen zu, die sich durch Schreie zusammenfinden, um jetzt hier oben, irgendwo unter den Felsen oder in einer Hoehle, gemeinsam die Nacht zu verbringen.

Fuer den Besuch des winzigen Museums komme ich 3 Minuten zu spaet, aber es ist mir auch genug fuer heute und ich radle im letzten Tageslicht los. Die 28 km bis zum Haus der Farmersfamilie sind recht gefaehrlich, weil ich kein Licht habe und die mondlose Nacht verhindert, dass ich im Busch das Haus der Schwiegereltern finde, die mich eigentlich nach Masvingo haetten bringen sollen.

Peter kann sich beim Abendbrot kritische Worte ueber den Wert der Ruinen nicht ganz verkneifen. Im Buecherregal finde ich Literatur weisser Autoren, die den Ursprung der Ruinen auf Phoenizier und Araber zurueckfuehren. Aber wieso ist dies nicht in der Bauform zu erkennen? Warum wurden keine Muenzen dieser Kulturen gefunden?

Entdeckt wurden jedoch Porzellanstuecke der chinesischen Ming-Dynastie des fruehen 16.Jh., chinesische Steinfiguren und eine Glocke, viele Draehte aus Kupfer, Bronze und Eisen, die zur Herstellung von Schmuck verwendet wurden, eine Faience aus Persien, 14. Jh., Korallenschmuck und solcher aus dem Fernen Osten. Nicht nachweisbar ist, ob diese Gegenstaende nicht spaeter nach Greater Zimbabwe gebracht wurden und ueberhaupt etwas mit jener Kultur zu tun haben.

Die ebenfalls hier reichlich gefundenen Goldschmuckstuecke und die Tatsache, dass Zimbabwe dereinst wahrscheinlich der groesste Goldproduzent der Welt war, legen jedoch ebenfalls nahe, dass zumindest Araber auf diesen Reichtum stiessen, als sie um das Jahr 900 Sofala gruendten, an der am naechsten gelegenen Kueste bei Beira, heute Mosambik, 400 km Luftlinie von Greater Zimbabwe. Sofala ist arabisch und bedeutet “niedriges Land”.

Wegen der vielen offenen Fragen werden diese Ruinen immer wieder als “Mysterium” bezeichnet. Wenn man sie jedoch als nichts anderes ansieht, als ihre Erscheinungsform, sind sie ueberhaupt nicht mysterioes: ein Koenigssitz mit Hofstaat, Adeligen, einer Siedlung und begrenztem Handel wahrscheinlich mit arabischen Haendlern. Und somit Beleg fuer alte, afrikanische Zivilisationen.

geschrieben am 14.8. in Harare


 


  Team Login

© biketour4goodhope