7/14/2005 Zimbabwe / 20 km vor Mvuma
Fuer eine Handvoll Dollar
Aufbruch
(Harald) Ich tausche privat Geld. Das ist Schwarzhandel und verboten, aber wer ist schon so dumm und tauscht in den Banken, wenn er bis zu dreimal mehr auf dem Schwarzmarkt bekommt? Anstatt den Gewinn in Grenzen zu halten, hat die gierige Regierung die Tauschrate derart unsinnig ueberzogen, dass nahezu alle Tauschbueros im Land schliessen mussten, da es keine Kunden mehr gibt. Noch mehr verlorene Arbeitsplaetze und niemand aendert etwas an diesem sinnlosen Gesetz, dessen Zweck ja Devisenbeschaffung sein soll, jedoch schlichtweg so nicht funktioniert. Der groesste Geldschein ist 20.000-Dollar wert. An der Grenze habe ich fuer 1 EU 25.600 ZimDollar (ZD) getauscht. Jetzt liegt die Rate schon bei fast 32.000- nach nur einer Woche! Ganze Packen von Geldscheinen beulen meine Taschen und passen natuerlich nicht mehr in den Geldguertel. Christina hat beschlossen ihre zwei Urlaubswochen mit mir in Zimbabwe zu verbringen und wird am Wochenende mit einem Fernbus in Harare eintreffen. Fuer den geplanten Flug von dort zu den Viktoria Falls muss ich 6 Mio ZD bezahlen. Mary arrangiert mit einer weissen Reisebueroagentin, dass ich dort in ZD bezahlen kann. Und so zahle ich statt 274 EU fuers Tickets nur 95! Auf den Tickets ist jedoch vermerkt, in welcher Waehrung, also ZD, bezahlt wurde. Wenn wir am Flughafen kontrolliert werden und man feststellt, dass wir lt. Paessen Deutsche sind und keine vorlaeufige Aufenthaltsgenehmigung haben, wird man uns fragen, ob wir einen Beleg vorweisen koennen, dass wir die ZD bei einer Bank offiziell (und zum staatlich festgelegten Abzockkurs) getauscht haben. “In diesem Fall sagen sie ganz bestimmt, dass sie selbstverstaendlich an der Grenze getauscht haben und fangen gaaaanz langsam an in ihren Taschen nach dem Beleg zu suchen. Wenn das nicht hilft, geben sie sich gegenseitig sie Schuld (“Du hast doch getauscht!” “Aber ich hab doch DIR den Beleg gegeben…”) und irgendwann geben die es dann auf,” sagt die Agentin.”Und immer alles ganz vage halten: Hab ich jetzt wirklich an der Grenze getauscht? Nein, ich glaube doch erst in Masvingo. Wann? Warten sie mal! Das war am 3. Nein, am 4. etc.” Das muss ich jetzt nur noch Christina beibiegen, der Juristin von der Botschaft. Den Gegenwert des Geldes wird fuer Peter, Paul und Mary auf ein Konto auf den Kanalinseln eingezahlt, in stabilen britischen Pfund also. So ist allen gedient. Im Haus darf ueber die Aktion nicht gesprochen werden, damit die Haushaltshilfe nichts mitbekommt. Bankbelege, die von England per Post kommen, sind schon mal in Masvingo bei einer anderen Stelle angekommen und so leben Peter und Mary auf einem Pulverfass, dass bei einer Hausdurchsuchung durchaus explodieren kann. Und deshalb die Decknamen. Ich breche um 10 Uhr auf. Sonnenschein, endlich gutes Wetter, gg. Mittag Wolken. Um 13 Uhr habe ich 40 km geschafft. Ich fuehle mich schwach, aber ich konnte nicht noch einen Tag warten. An mehreren Bars neben der Strasse trinken die Maenner ihr Chibuku, Sorghum-Bier, ein hellbraunes, grieseliges Gebraeu von joghurtaehnlicher Konsistenz. Die Maenner trinken aus rotbraunen 2-Liter-Plastikflaschen; Cola gibt es nirgends. Ausser in Syrien gab es die sonst ueberall. Auffallend auch, dass so gut wie kein Obst oder Gemuese neben der Strasse angeboten wird. Hier waechst ja alles, das Land ist fruchtbar und hat Fluesse, wenn auch keinerlei natuerliche Seen, aber es gibt zahlreiche Staudaemme. In einer Bar bin ich der einzige Kunde. Zwei gekuehlte Fantas kann ich hier erstehen und unterhalte mich mit der Mittzwanzigerin, die die Bar besitzt und sich von ihrer Freundin draussen in der Sonne die Haare zu Zoepfen flechten laesst. “Bald kostet die Fanta statt 7500 ZD 7 Mio.” “Ja”, lacht sie, “dass ist gut moeglich.” Ich hake nach. Wofuer die Leute im Religionskanal des Fernsehens denn beten. “Fuer Zimbabwe. Fuer Mugabe.” Sie lacht wieder. Ich frage, ob sie gehoert habe, dass dieser Kerl 1 Milliarde auf Schweizerkonten hat. Sie fragt zurueck, was ihr das nuetze, man kaeme ja nicht an dieses Geld und was ich fuer sie tun koenne. “Ich hab was fuer dich getan”, sage ich. “Ich hab dir eine Wahrheit gesagt. Jetzt kannst du was daraus machen.” Legal ist Mugabe nicht in 25 Jahren an dieses Geld gekommen- ganz abgesehen von seinen Besitztuemern im Lande selbst. Er, seine Frau, Familienmitglieder haben von der Landenteignung genauso profitiert, wie hohe Offiziere bei Militaer und Polizei und die ganze endlose Ministerriege. Zim leistet sich mit fast 60 Ministern die hoechste Anzahl weltweit und diese feinen Herren sind alle stinkreich in diesem armen Land. Nissen, die mit Mercedes und BMW trotz Benzinkrise durchs Land rasen, in aller Herren Laender fliegen, eine wahre Orgie von Staatsbesuchen feiern, in den teuersten Luxushotels absteigen, samt Gattinnen und der Kinderschar und einem ganzen Tross von Familienangehoerigen und Dienern und Sicherheitsbeamten. Das ganze Pack feiert sich, die Partei und ihren Diktator trotz der Not der Bevoelkerung. “Wir haben in der Schule immer aufsagen muessen: Lang lebe Mugabe!” sagt die junge Frau. “Jetzt muss er erst sterben, damit ein Wechsel kommt.” Fuer solche Worte sind Leute hier schon im Gefaengnis gelandet, dass ist gefaehrlich in Zim. Und nach einer Nacht in einem zimb.Polizeiarrest sieht man nicht mehr heile aus. Die Strecke wird leicht wellig, stetig gehts aufwaerts, wenig Verkehr fuer die Hauptverkehrsader des Landes, die Zims Hauptpartner S.A., mit Harare, Malawi und Zambia verbindet. Es wird immer wolkiger. Kopjes ueberall, wunderschoen, mit buntbelaubten Baeumen und Bueschen bestanden, manche in der Bluete. Die Brocken liegen wie von Riesenhaenden aufeinander gestapelt herum, geradezu unwirklich diese Konstruktionen. Das vertrocknete Gras gelb, verrostete, umgestuerzte Zaeune, zerstoerte Windraeder und Gebaeude, fensterlos, Tueren herausgerissen, dass ist kein Zerfall sondern Zerstoerung. In den Zaeunen neue, schmale Durchlaesse, dahinter Rundhuetten, meist neu und aus gebrannten Ziegeln gebaut, was ich in Afrika sonst nirgends gesehen habe. Das Buschland ringsum dort meist kahlgeschlagen, primitive Gatter, ein paar Ziegen, wenig Kuehe, meist Stiere anstatt Milchkuehe. Die Leute stets freundlich, nie eine einzige Unfreundlichkeit, kein einziger Wagen, der mich anzufahren droht wie in S.A. Ich bin dankbar fuer diese Erloesung. Zim ist ruhig, fast zu ruhig, ein Land in Warteschleife oder Agonie. Der Shashe-River auf 1300 m ueber NN fuehrt Wasser. Zwischen dem Limpopo und dem Shashe liegen 400 km und nur ein Fluss und diese Wasserknappheit war der Hauptgrund fuer die spaete Besiedlung des Gebietes. Zudem grassierte damals eine Tsetsefliegenplage im Lowveld. 15.30 Uhr, ich bin fast am Ziel, 80 km heute. Aber ich bin voellig erledigt. In der “Spiderweb”-Lodge eine lange Pause. Eine Oase aus Chalets und feinem Restaurant, Saeulen im griechischen Stil, Lavendel ueberall, Brunnen plaetschern und Keith Sweat, der R+B-Saenger, singt “Twisted”- Sakra, ich hab seit Nairobi nicht mehr richtig getanzt! Regenwolken ziehen auf, waehrend ich meinen Schokoladenkuchen mit Roiboos-Tee verzehre. Ich bin der einzige Gast, die Anlage muesste eigentlich pleite sein. Mugabe hat das Land schalltot gemacht, in einen erzwungenermassen ruhigen Zustand gepresst. “Get down on it” schallt es aus dem Gebaeude, “Kool and the Gang” lassen gruessen. Warum lernt die Welt nicht aus ihren Fehlern? Immer wieder Mord und Totschlag, Vertreibung, Rassismus, der ganze Dreck und immer wieder diese politischen Jammerlappen und Dilettanten, die es schaffen Millionen fuer sich einzunehmen und dann wie Schafe herumzutreiben. Ich habe heute zum ersten Mal ein Foto von Mugabe an der Wand in einem Laden gesehen: “Seine Excellenz”…Wenns nicht zum Heulen waere, moechte man lachen. Die Sonne geht als grosser, glutroter Ball unter, als ich einen weiteren Fluss ueberquere. Mary hat mich telefonisch bei einem Verwandten angemeldet und ein rostiges Schild weisst mir den Weg links in den Busch, ueber eine gewundene, sandige Strasse erreiche ich nach ein paar km eine Farm, verborgen hinter Laubbaeumen und bluehenden Bueschen und einem hohen, elektrischen Zaun, dahinter ein zweiter mit Stacheldraht bewaehrt. Pferde grasen hier, Zikaden haben ihr Nachtkonzert aufgenommen. Nach 15 Minuten Rufen erscheint ein o-beiniger alter Herr in kurzer, khakifarbener Hose und Hemd, braungebrannt und runzlig und lacht laut, weil seine riesigen Hunde trotz meiner Bruellerei nicht gebellt haben. Er heisst mich willkommen. Seine Frau ist klein und rund und asthmatisch. Die drei Kinder sind in der Weltgeschichte verstreut: London, Kapstadt, USA und keiner will die Farm weiterfuehren. “Ich hatte 24 Farmen und man hat mir alle genommen, bis auf diese eine kleine. Wir haben keine Kompensation bekommen und auch das ganze Equipment verloren. Den Leuten hat die Regierung weissgemacht, wir haetten fuer die Enteignungen Geld bekommen. Ich hab kaum noch Vieh. Das Land ist zu Grunde gerichtet.” Seine Vorfahren kamen aus Rotterdam nach S.A., aber jetzt koennte die Aera zu Ende sein. Seine Frau zaehlt die Namen der Farmer auf, die bei den gewaltsamen Landnahmen getoeten wurden, alles Freunde, Nachbarn, die Farmer kennen sich trotz riesiger Entfernungen mit Namen. “Die Taeter laufen frei herum, wir kennen einen davon. Den Leuten aber machen sie weiss (ich hab das schon in Malawi von Zimbabwern gehoert), dass die Moerder in Gefaengnissen saessen. Propaganda! Im Badezimmer finde ich Magazine, die die neuesten Landmaschinen vorstellen und erklaeren, wie man Rosen effizient gedeihen laesst. Zim war einer der grossen Blumenexporteure. Und eine Ueberschrift: “Wie mein Vater beim Angriff auf seine Farm erschossen wurde.” Und “21 Tipps, wie man seine Sicherheit verbessert.” Ich schaue mir die Wachhunde an, Mastiff-Mischlinge von 70, 80 kg, Koepfe gross wie Fussbaelle. Die Kolosse sind freundlich, verspielt. “Wehe ein Schwarzer kommt- den wuerden sie angreifen” sagt der Farmer. Die Frau sieht fern, S.A.-Fernsehen, Rugby, Golf, Formel 1, ansonsten Soaps und Sit-Coms aus USA und die “7th Laan”, sowas wie eine kapstaedter Lindenstrasse. Ich esse nichts, bin appetitlos. Mitten in der Nacht wache ich mit furchtbaren Kraempfen auf, winde mich vor Schmerzen, schlafe erst nach mehreren Schmerztabletten gegen Morgen wieder ein. Ich haette noch einen Tag Ruhe gebraucht. geschrieben am 14.8. in Harare
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