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Reisetagebuch

7/19/2005   Zimbabwe / Victoria Falls

Terry und Mike

Gentle Giant

(Harald) Heute Abflugtag. Lisa laedt uns ein nach unserem Ausflug wieder hier zu wohnen. Mein Fahrrad und den Grossteil des Gepaecks lassen wir deshalb hier.

Lisa faehrt uns morgens zum Flughafen, 12 km vor der Stadt. Die Fahrt fuehrt uns durch ein kleines Game-Reserve. Das Flughafengebaeude ist ein eher kleiner, hochmodener Neubau in Schwarz-Weiss. Unser Inlandflug wird jedoch ueber ein altes Nebengebaeude abgewickelt, mit abblaetternder Farbe, zerbrochenen Fensterscheiben, nicht funktionierenden Toiletten und bei weitem nicht genug Sitzplaetzen fuer die Wartenden.

Um 8 Uhr sollte der Flug starten. Draussen stehen zwei Maschinen, Rolltreppen, die Tueren geoeffnet. Ein Mitarbeiter der Zimbabwean Airlines erscheint und gibt zu, dass es keinen Treibstoff fuer den Flug gibt. Er erzaehlt etwas von „man hat gestern abend noch Benzin versprochen...“, was nur Kopfschuetteln bei den Passagieren hervorruft, weil jeder ahnt, dass die Rechnungen fuer das Flugbenzin, dass aus S.S. kommt, nicht bezahlt wurden.

11 Uhr soll es losgehen. Dann um 13, 14 Uhr. Wir gehen auf Kosten der Airline essen, obwohl wir von dieser Moeglichkeit nur durch andere zimbabwische Fluggaeste erfahren, anstatt von der Airline selbst.

Ein weisser Ingenieur laedt uns zu einer Coke ein. Er und sein Kollege unterhalten sich angeregt mit einem Farmer namens Bruce. Der erzaehlt uns seine „Enteignungsgeschichte“: „Meine Farm war 2.700 Hektar gross (27 qkm). Ich habe, zusammen mit meinem Bruder, jaehrlich 100 Tonnen Tabak erzeugt, 30 Tonnen Zwiebeln und Malz. Im Busch unserer Farm lebten einige Kudu, Dyker (die kleinste Antilopenart), sowie etwa 60 Sable (eine grosse Antilopenart mit praechtigen, gebogenen Hoernern), von denen wir einige pro Jahr von europaeischen Jaegern schiessen liessen. Ein grosser Bock brachte uns rd. 4000 USD.

Durch die Farmenteignung 2001 blieben uns danach noch 400 Hektar, der Rest wurde in Parzellen von 70-100 Hektar aufgeteilt. Die Schwarzen, die kamen, haben sofort alles Wild getoetet- wie dumm, denn es haette ihnen ja viel Geld gebracht, aber von Tourismus haben die keine Ahnung. Dann wurde alles gestohlen, was sich zu Geld machen liess. Saemtliche 26 km Zaundraht wurden abgerissen. Dann wollten sie uns ganz verjagen, belaestigten uns, versuchten die Farmarbeit stillzulegen und eines Nachts brannte unser schoenes Haus nieder. Wir bauten ein neues. Vier Monate nach Fertigstellung wurden wir gezwungen es zu verlassen. Man hat schoen gewartet, bis wir fertig waren. Mein Bruder ist nach Zambia gegangen. Ich habe keinen britischen Pass, habe aber in den UK Aufenthaltsrecht. Meine Vorvaeter kamen aus Schottland und Frankreich, Hugenotten. Mein Vater wurde 1972 im Buschkrieg erschossen, er war Zivilist. Ich selbst war Fallschirmspringer im Rhodesienkrieg und habe im Lowveld gekaempft.

Die jetzigen Besitzer der Farm sind z.B. Banker aus Harare, die mich anrufen und wissen wollen, wie es aussieht, stellen sie sich das vor! Ich sage ihnen: geh zur Hoelle, komm selbst und schau dir deine Farm an. Mugabe nennt diese Dilletanten „Handy-Farmer“. In vier Jahren wurde auf meiner Farm nichts produziert. Wir koennen kaum Getreidesamen oder Duenger besorgen. Es ist eine Katatrophe. Als ein Freund nahe Nyanda einen Autounfall hatte, gab es im Krankenhaus nicht mal Verbandsmull- alles gestohlen, wie die Arzte sagten und neues sei nicht zu beschaffen. Wo sind wir hingekommen mit diesem bis 1980 so gut funktionierenden Land, wenn man im Krankenhaus nicht mal mehr Mull hat?“

Fuer Bruce ist klar, dass Mugabe sterben muss, bevor es eine Chance auf Wechsel gibt. „In der ZANU/PF gibt es nicht nur Extremisten, sondern auch Moderate. Die werden einen Wechsel wollen wenn der Bastard erstmal tot ist.“

Einige Passagiere verlassen jetzt den Flughafen, geben auf, denn ihr Besuchstermin in Vic-Falls ist eh nicht mehr einzuhalten.

15.30. Ein Tankwagen erscheint. Man habe aus einer Maschine, die nach London fliegen sollte, aber nicht genug Sprit dafuer hat, dass restliche Benzin abgepumpt und fuelle nun um. Fliegt unsere Propellermaschine mit Jetbenzin?

16.15 Uhr Abflug. Die Maschine ist chinesischer Bauart, 2 Motoren und 60 Passagiere. Ich sitze direkt unter der rechten Tragflaeche und schaue auf einen bis auf das Gewebe abgefahrenen Reifen und kann es nicht glauben. Zim-Airlines hat nicht mal Devisen oder kuemmert sich nicht um einen derart abgefahrenen Reifen, mit dem ich nicht mal mehr Autofahren wuerde.

In 40 Min sind wir in Kariba. Bruce steigt angetrunken aus.

Die Stadt liegt am gleichnamigen Stausee, einem der groessten Afrikas. Da Zimbabwe keine natuerlichen Seen hat, wurden viele solcher Staudaemme gebaut.

Die Ansagen der Stewardessen sind zu leise, die des Piloten ohrenbetaeubend, zu verstehen ist beides nicht. Die Sicherheitsgurte sind viel zu lang und die Enden haengen herum, Gepaeck wird unter den Sitzen gelagert, meinen Sitz kann man nicht aufrichten.

Einer der Piloten erscheint am fraglichen Rad, taeuscht jedoch offensichtlich wg. der aus den Fenstern schauenden Passagiere vor, lediglich routinemaessig das Fahrgestell zu pruefen, wobei er verstohlene Blicke auf den abgefahrenen Reifen wirft. Nun, mit Daumendruecken ueberleben wir diesen Flug ja vielleicht. Die Piloten sind auch persoenlich dafuer verantwortlich, wenn sie mit diesem Reifen fliegen. Das sie fuer sich selbst dieses Risiko eingehen, enthebt sie nicht von der Verantwortung fuer die ihnen anvertrauten Leben. Guetiger Himmel, man kann sich in diesem Land aufreiben, wenn man sich keine dicke Haut zulegt.

Der 20-minuetige Weiterflug verlaeuft jedoch ruhig und gut und fuehrt ueber die Buschsavanne und Wadis, die Sonne geht unter, als wir Vic Falls anfliegen. Unter uns windet sich der weltberuehmte Zambezi-River durch die flachen Huegel, 2700 km lang von seinen Quellen in Angola und Zambia bis zur Muendung nahe Beira in Mosambik in den Indischen Ozean. Im Englischen heisst er bewundernd „The Mighty Zambezi“- Der Maechtige.

Wir landen im Dunkeln, ich werfe sorgenvolle Blicke auf den Reifen neben mir. Landung. Nasse Haende. Ueberstanden! Die beiden Ingenieure nehmen uns in ihrem Bakki mit. Die Ersatzteile, die sie in Harare gekauft haben und dringend fuer ihre Transporter benoetigen, sind nicht mitgeflogen und immer noch in Harare, Christinas Rucksack ist voellig mit schwarzem Oel verschmiert. Im Flughafen verkuendet eine Werbetafel vollmundig: „Zim Airlines- professionell, sicher, verlaesslich. Unser Erfuellung ist ihre Zufriedenheit.“ Haaalleluja! Halleluja! Halleluja soggi. Und Amen!

Eine Vollmondnacht mit einem klaren Firmament wie man selten eines sieht. Sternschnuppen, der Mars roetlich, das Kreuz des Suedens und die Milchstrasse.

28 Grad abends- wir sind hier nur wenige hundert Meter ueber NN. Terry Bailey, der Mineningenieur, arrangiert fuer uns eine guenstige Unterbringung in ZimDollar, anstatt in Rand. Und holt uns, wenn auch mit Verspaetung, wieder ab. Wir vier fahren zum Hotel- und Casino-Komplex „Great Enclosure“, Stil und Bauart ist offensichtlich von Sun-City in S.A. abgeschaut. Die Slot-Maschinen und Spieltische sind jedoch fast leer. „Bis vor ein paar Jahren war hier jeden Abend der Teufel los. Die Restaurants, die Veranstaltungssaele, das Casino- alles brummte. Schauen sie sich das jetzt an! Welcher Tourist will schon mit Angst im Bauch Urlaub machen? Nur so verrueckte Deutsche wie du Harry!“

Christina und ich muessen unbedingt „was Richtiges“ essen, was hier bedeutet: Fleisch, ein riesiges „Steak-on-the-rock“- hier allerdings auf einem gluehendem Stein. Das Fleisch schrumpft kaum, wie man das sonst gewohnt ist.

Terry, 61, ist der Direktor der Mine und nennt seinen huehnenhaften Vorarbeiter Mike, 40, „Freundlicher Riese“. Der Umgang der beiden Maenner miteinander ist hart aber herzlich. Staendig schubsen sie sich, nehmen sich gegenseitig auf die Schippe wie zwei Schulbuben, bohren sich die Finger in die Seiten.

Ob ich Journalist bin? Nein. Wussten sie das von 100.000 Weissen im Land weniger als 30.000 verblieben sind? Wie uns Zim gefaellt? Sehr gut, sicher, nett die Leute, nichts zu meckern eigentlich.

Terry ist in England geboren, aber im dritten Lebensjahr nach Zim gekommen. In seinem Steinkohlebergwerk ist er fuer 350 Arbeiter verantwortlich, er spricht fliessend Shona wie auch Mike.

Ich frage nach den Arbeitsbedingungen. Die Arbeiter erhalten umgerechnet etwa 22 EU im Monat, also etwa doppelt soviel wie Peters Farmarbeiter in Masvingo. Zusaetzlich wohnen sie frei, incl. Wasser und Strom, in einer Siedlung mit ihren Familien. Aber fuer dieses Geld riskieren sie ihre Gesundheit, denn unter Tage machen die Kohlenstaeube den Lungen den Garaus.

Rueckfahrt. Im Scheinwerferlicht grasen Wasserbueffel drei Meter neben dem Auto. Ein riesiger Baobab. Terry will uns morgen frueh zum Fruehstueck abholen. Wir sind in einem Holzhaeuschen untergebracht, von draussen schallen Trommeln und Gesang und das Droehnen des grossen Wasserfalls liegt unter allen Geraeuschen, fast vibriert der Boden.

Morgen werden wir „Die Faelle“ sehen.!

geschrieben am 15.8. in Harare


 


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