7/24/2005 Zimbabwe / Harare
Rambo-Nation
Suedafrikanische Realien
(Harald) Zeit zu reflektieren. Ich war ueber sieben Monate in Suedafrika, laenger als in Kenia. Und ich werde hier unterwegs gefragt: "Wie war Suedafrika?" Suedafrika hat zwei Gesichter. Es gibt das europaeische, reiche, dass der meisten Touristen. Das der bunten Vielfalt, der Toleranz, das S.A. Mandelas. Krueger Park, Kapstadt, Table Mountain etc. Und es gibt das afrikanische S.A., dass daneben existiert, meist ignoriert, unbewaeltigt und unverstanden. Das entwurzelte, verwirrte, nach neuer Orientierung suchende S.A. Bei der schnellen, vorlaeufigen Beurteilung eines Menschen, halten sich manche an den Gesichtsausdruck oder an die Augen, an Haende, die Fingernaegel, an das Schriftbild, die Stimme, ja an die Schuhe etc. Jedes Detail kann dir Aufschluss ueber das Ganze geben. Will man S.A. jenseits der Glanzprospekte verstehen, so hilft ein ein selektiver Blick in die Zeitungen oder Nachrichten. Hier, wie auch in den Krankenhaeusern, Schulen, Polizeistationen, Gefaengnissen usw. ist das andere, das rohe, archaische S.A. zu finden. Ich erzaehle nachfolgend in Stichworten ein paar Geschichten aus dem S.A. Alltag, ohne Angabe von Orten, Daten und Quellen. Eine der spektakulaersten Dauerverbrechen ist in S.A. die Vergewaltigung von Babys. Zwischen 50-70 Faelle werden jaehrlich aktenkundig. Die Taeter sind HIV-infizierte Maenner, die glauben, durch die Vergewaltigung den Virus loszuwerden, indem sie ihn an das Baby weitergeben. Vergewaltigung zaehlt zu den haeufigsten Gewalttaten. Auf der Titelseite: Eine Mutter dreier Kinder: "Nehmt meine Kinder, bevor ich sie toete." In einer einzigen Fahrschule werden ueber 4000 Faelle von gekauften Fuehrerscheinen bewiesen. Ein weisser Polizist schiesst einen Warnschuss in die Decke und wird wg. Mordversuchs monatelang in Haft gehalten. Ein schwarzer Polizist laeuft Amok, erschiesst 3 schwarze Kollegen und 5 Inhaftierte, kommt frei und versieht unbescholten weiter Dienst nach Versetzung. Der Richter haelt dem Massenmoerder zu Gute, es handle sich um eine Eifersuchtstat. Bei einem Hauseinbruch brechen die Gangster durch 3 Gittertueren im Inneren des Hauses, nur um im Schlafzimmer das alte Ehepaar zu erschiessen. Im Schlafzimmer war nichts zu holen. Ein Mann wird nachts ueberfahren und 1200 Meter unter dem Auto mitgeschleift. Selbst dem ermittelnden Kriminalbeamten versagen beim Interview die Nerven. Eine Weisse wird wg. Trunkenheit am Steuer festgenommen und in der Polizeistation mit Handschellen mit einem Schwarzen zusammengekettet, der sie mehrfach vergewaltigt und ihr AIDS uebertraegt. Ein 19-jaehriger wird an einer Bushaltestelle von zwei jungen Maennern ueberfallen. Sie rauben ihm etwa 25 EUR und seine Sandalen und stechen ihm die Augen aus, damit er sie nicht identifizieren kann. Bei einem Hausueberfall erschiesst einer der Taeter das Baby der Familie, weil es schreit. Einer Weissen durchschneiden zwei Schwarze nach gemeinsamer Vergewaltigung die Kehle, nachdem sie sie mit Eisenstangen gepruegelt haben. Die Frau ueberlebt, schleppt sich zur Strasse. Die Taeter werden identifiziert, sind aber weiterhin auf freiem Fuss und drohen der Frau mit Mord. Eine 72-jaehrige Weisse wird von mehreren Maennern gemeinschaftlich vergewaltigt. Sie ueberlebt. Ein bekannter Politiker rast mit seinem BMW derart, dass er die Kontrolle ueber den Wagen verliert, in einen Minibus schleudert und dadurch mehrere Menschen toetet. Er wird freigelassen und bezahlt ein geringes Strafgeld. Der LKW-Fahrer, der als Zeuge den Unfall erlebt hat, wird stattdessen festgenommen und vor Gericht beschuldigt, der Taeter zu sein. 2 junge Maenner werden wg. wiederholter Einbrueche von einer Dorfgemeinschaft gefangen, gefesselt und ueber Kopf aufgehenkt und mit Stoecken gepruegelt. Beim Abschneiden fallen die Bewusstlosen derart hart auf den Kopf, dass ihr Genick bricht. Ein 15-jaehriger wird in einem Metro-Zug von zwei Jugendlichen ueberfallen. Da er kein Geld hat, wollen ihn die Taeter mit einer Schusswaffe zwingen aus dem fahrenden Zug zu springen. Als er sich weigert, stossen sie ihn hinaus. Der Junge ueberlebt schwerverletzt. Beim Ueberfall auf einen Schulbus zwingen die Taeter die Fahrgaeste auszusteigen. Eine geistig behinderte 15-jaehrige verweilt im Wagen und die Maenner erschiessen sie. Der Richter sagt der Presse, er haette gerne die Todesstrafe verhaengt. Muetter die vor den Augen der Kinder vergewaltigt werden. Zwei junge Maenner sprechen eine junge Frau auf deren Heimweg an und verlangen ihr Handy. Sie schmeisst das Handy auf den Boden, wo es zerschellt, worauf einer der Taeter ihr ins Gesicht schiesst. In den Doerfern wird ein Mann, der wg. Trunksucht seiner Familie die Sozialhilfe unterschlaegt, von den Maennern solange gepruegelt, bis er zahlt. Die Polizei verhaftet den Vater eines Autodiebs und laesst ihn in Handschellen, bis der Sohn den Wagen zurueckgebracht hat. Der Mercedes gehoerte einem Politiker. In S.A. gibt es Faelle von Kanibalismus und Mob-Justiz. In den Zeitungen wird darueber diskuttiert, warum es Mobjustiz gibt, z.B. das "Necklace", also das Verbrennen bei lebendigem Leib mit einem Autoreifen um den Nacken, sogar wg. Taschendiebstahl. Die Bevoelkerung ist die Erfolglosigkeit der Polizei und Bestechlichkeit der Justiz satt. Die Polizei ist unterbesetzt, schlecht bezahlt, mangelhaft ausgebildet und ausgeruestet. Es ist allgemein bekannt, dass die Polizei ihr Gehalt z.B. dadurch aufstockt, dass sie wiedergefundene, gestohlene Autos von Profis auf ihren Parkplaetzen ausschlachten laesst. Den protestierenden Besitzern wird gesagt, sie sollten froh sein, das Auto z.B. ohne Hardtop oder Ersatzreifen, aber ueberhaupt wiederzubekommen. Es gibt viele Faelle von Vergewaltigungen innerhalb von Dienstkommandos oder von Polizisten, die Frauen "nach Hause begleiten". Ganze Polizeikommandos machen gemeinsame Sache mit Raeuberbanden und teilen deren Beute, z.B. solange diese keine Waffen benutzen. Die Polizei kassiert Provisionen dafuer, die Fotoreporter von Zeitungen und Fernsehen sofort zu benachrichtigen und laesst Opfer dafuer warten. Beweismittel verschwinden regelmaessig in Aservatenkammern. Es trifft Weisse, aber es trifft vor allem Schwarze. 21.000 Tote (2002) durch Kriminalitaet, dazu die Verkehrstoten in etwa gleicher Zahl pro Jahr. Das ist keine hohe Kriminalitaetsrate mehr, sondern Krieg im Frieden. Ein unabwendbarer Preis fuer die Modernisierung der Gesellschaft in S.A.? Ueber 1500 weisse Farmer wurden bei Ueberfaellen seit 1994 ermordet. Im vielgescholtenen Zimbabwe waren es seit 1980 weniger als 30 "Blankes", wie sie von den Schwarzen genannt werden. "In S.A. gibt es viele Leute, die durch die Apartheid brutalisiert wurden und jetzt Schwierigkeiten haben, sich mit der Idee einer sozialen Verantwortung vertraut zu machen und dem Respekt vor Eigentum." Der Autor Wilbur Smith, in Zambia geboren. In den Zeitungen finden sich Anzeigen, in denen Abtreibungen fuer umgerechnet 25 EUR angeboten werden. Werbung obskurer Wunderheiler an oeffentlichen Plaetzen, die AIDS heilen koennen wollen, ist Gang und Gebe, wenn auch illegal. Im Fernsehen ist eine der beliebtesten Sendungen "Rambo Nation". Der Weisse Leon Schuster ist eine Art Kurt Felix der "Versteckten Kamera." Er provoziert, z.B. als Obdachloser oder schwarzer Polizist geschminkt und verkleidet, Passanten, ueberwiegend Weisse. Der Gag: sie schlagen ihn fast ausnahmslos binnen Sekunden mit Faeusten, er hat bereits Zaehne eingebuesst. In Deutschland wuerde in jeder vergleichbaren Situation wohl nicht ein einziger Mann zuschlagen. S.A. hat die Todesstrafe abgeschafft, aber grosse Teile der Richterschaft, der weissen und schwarzen Community, wollen diese wieder einfuehren, obwohl sie erwiesenermassen nichts aendert. Die USA verurteilen die Schariah des Koran, richten jedoch im eigenen Land mehr Menschen mit dem Elektrischen Stuhl, durch Giftspritzen, Vergasung, Erhaengen und Schusswaffen hin, als der Iran. In Marseille, Frankreich wurde noch 1977 der letzte Moerder mit der Guillotine gekoepft. "Wir verurteilen am anderen immer das am entschiedensten, was wir in uns am meisten fuerchten." Robert M. Pirsig: "Zen und die Kunst ein Motorrad zu reparieren" "Wem viel gegeben ist, bei dem wird man auch viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umsomehr fordern." Neues Testament, Lukas 12, Vers 48 "Man gewinnt nie etwas, ohne dafuer etwas zu verlieren." Thoreau geschrieben am 25.8. in Lilongwe
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