7/27/2005 Zimbabwe / Masvingo
Die Voegel
Manguanani!
(Harald) Die Haushaelterin begruesst uns morgens auf Shona: "Manguanani!" Guten Morgen. Der Gaertner fragt "Magadi-i?" Wie gehts? Es geht uns bestens. Wir fahren mit einem der mittelgrossen Busse 25 km in die flachen Berge hinter Masvingo, um uns gemeinsam Greater Zimbabwe anzusehen. Das Wetter ist jetzt viel besser, als bei meinem letzten Besuch. Wir laufen ein Stueck, suchen den Eingang, bis mir klar wird, dass wir falsch sind. Aber ich sehe den Huegel mit der Festung rechter Hand das Buschland ueberragen. Wir schluepfen durch den Stacheldrahtzaun, suchen uns den Weg durch den Busch, Laub in allen Gelb- und Brauntoenen raschelt um unsere Fuesse. Ich bin mit dem Gelaende durch meinen letzten Besuch noch vertraut und finde alsbald den Aufgang zur "Akropolis". Hinter uns liegt der Lake Kyle im grau-blauen Dunst des Morgens, ringsum erheben sich Huegel, erstreckt sich das lichte Buschland, klingen Kuhglocken herauf und vereinzeltes Kindergeschrei. Die ca. 100 m sind schnell erklommen, die jahrhundertealten Trittsteine sind mit neuen ergaenzt worden, der Weg fuehrt durch die eigentuemlich einladenden, geschwungenen Durchgaenge und schliesslich ducken wir uns durch den Eingang zum Inneren der Anlage. Statisches Wissen um Rund- oder Spitzboegen ueber Eingaengen kannten die Baumeister nicht und die Tragsteine und Holzbalken haben im Laufe der Jahrhunderte nachgegeben und zur Stuetzung wurde ein beinstarker Granitpfosten aufgestellt. Ich bin zum zweiten Mal hier und empfinde erneut sofort diese angenehme Stimmung dieser Architektur. Sie hat nichts Trutziges, Duesteres wie die deutschen Burgen, nichts Gigantomanisches, wie die Kreuzfahrerburgen, nichts Perfektes, wie europaeische Schloesser. Die Erbauer haben die riesigen, rundlichen Granitbloecke nicht bearbeitet, nicht in ihrer Lage veraendert, sondern die naturgegebenen Formen lediglich ergaenzt. Sie wollten die Natur nicht bezwingen, gewaltsam brechen, sondern diesen "Kopje" optimal nutzen, wobei sie den steilen Hang des Huegels terrassenartig mit Mauerringen umlegt haben, durch die enge Durchlaesse fuehrten. Steile, enge, teils nur 20 cm breite Stufen fuehren da mehrfach zwischen garagengrossen Bloecken durch. Oben erhebt sich dann eine mehrere Meter dicke Mauer, ueberragt von etwa 1,5 Meter hohen groben Steinstelen und kleinen Rundtuermchen, deren kleine Mauersteine nahelegen, dass dies nur Verzierung war. Auch Christina gefaellt die Kopje-Burg und wir bleiben zwei Stunden lang hier oben, setzen uns zu einem zweiten Fruehstueck auf eine Mauer und geniessen den fantastischen Ausblick ueber die Ebene, in der die "Great Enclosure", also der wahrscheinliche Palast des damaligen Koenigs liegt. Wir steigen ab, unten hoeren wir die ersten Touristen heraufkommen. Ueber eine Art Felsboulevard, einen breiten, beidseits mit niedrigen Mauern flankierten Weg, der ueber massiven, glatten Fels fuehrt, erreichen wir nach ein paar hundert Metern den Palast. Wir Zivilisierten definieren unseren Geschichtsbegriff ueber das, was schriftlich ueberliefert ist, ueber Steinbauten und Metallwerkzeuge und Tongefaesse. Lange Zeit war SSA somit ein "geschichtsloser" Kontinent. Abgesehen von der Frage, ob eine muendlich ueberlieferte Geschichte nicht auch eine solche ist, ist Greater Zimbabwe kein Einzelfall. Aehnliche Bauten des Volkes der Karanga gibt es in ganz Zimbabwe, mindestens 150 sind bekannt, wenn auch keine in dieser Groesse, aber doch erkennbar im gleichen Stil gebaut. Diese Kultur existierte ueber Jahrhunderte und das Koenigreich erstreckte sich vom heutigen Botswana bis zur Kueste des heutigen Mosambiks und war groesser als das heutige Staatsgebiet Zimbabwes. Daneben gab es in Afrika andere Kulturen, die Bauten errichteten. Im Gebiet des heutigen Benin umgaben die Herrscher ihre Staedte und Doerfer mit einem System aus Graeben und befestigten Waelle, der Grossen Mauer in China aehnlich. Im aethiopischen Hochland schuf die Zagwe-Kultur die Felsenkirchen von Lalibela und errichtete Steinforts und Palaeste. Im Grasland Ugandas wurde der Sitz des Koenigs in Bigo mit Waellen und Mauern von ueber 10 km Laenge geschuetzt. An der ostafrikanischen Kueste wurde auf der Insel Kilwa der grosse Palast des Husuni Kubwa errichtet, mit Tuermen, Wasserbecken und Innenhoefen und im westafrikanischen Urwald schufen die Kuenstler des Reiches der Ife beeindruckend schoene und beruehmte Buesten in Bronze und Terracotta. Das Politikum "Wer inspirierte die Karanga-Kultur?" existiert nur fuer Rassisten. Ob alle diese Bauten ohne phoenizischen, arabischen, pharaonischen oder sonstwegen Einfluss entstanden, werden wir sehr wahrscheinlich nie beweisen oder widerlegen koennen. Dass der Reichtum dieser Kultur, die Greater Zimbabwe schuf, auf Gold, Elfenbein, vielleicht Sklavenhandel, Edelsteine und andere Metalle beruhte- was solls? Dass Araber sehr wahrscheinlich die Aufkaeufer waren, dass sie ggf. Ideen aus ihrem Kulturraum weitertrugen, schmaelert nicht die Eigenstaendigkeit dieser Bauten, deren es keine zweiten in Afrika gibt. Sie aehneln weder phoenizischen, noch arabischen Palaesten. Sie sind so afrikanisch, wie man sich das nur ausmalen kann. Hier lebten Tausende in Huetten und Waechter, Soldaten mussten versorgt, Waffen und Geschirr produziert, Nahrungsmittel angebaut oder herangeschafft werden. Dies war eine Zivilisation, auch nach unserer Definition. Im kleinen Museum finden sich die "Voegel", ein wenig menschlich angehauchte, sitzende Voegel, die aus Speckstein geschliffen wurden und von denen acht Stueck gefunden wurden. Der Vogel "Nr.1" wurde in zwei Teilen zerbrochen Anfang des 20. Jh. gefunden und die untere Haelfte landete ueber Umwege in einem Berliner Museum und wrude erst 1997 der zim Regierung zurueckgegeben. Diese vogelartige Figur ist das Nationalsymbol des heutigen Staates, wie er seit 1980 existiert. Die Zimbabwier sind mit recht stolz auf ihre alte Kultur und der Vogel ziert nicht nur die Flugzeuge der Zimbabwean Airlines, sondern auch viele Logos staatlicher Unternehmen. Experten nehmen an, dass die Mauern und zahlreichen Podeste saemtlich mit Lehm verputzt und bemalt waren, Holzbauten ergaenzten, gaben Schatten. Religioese Symbole, wie die Voegel, waren sicher praechtig praesentiert und durch bemaltes Leder, vielleicht auch bunte Stoffe dekoriert, Pflanzen begruenten, Horn- und Knochenschnitzereien verzierten. Steinstelen, die ueberall gefunden wurden (ich habe eine wieder aufgerichtet), moegen wie Fahnen symbolisch weithin sichtbar gewirkt haben. Wie auch den konischen, massiven Tuermen und den kleinen, daumengrossen Specksteinphalli kam ihnen machtverkuendende Eigenart zu. Im letzten Abendlicht steige ich nochmals alleine hinauf, lasse mir den warmen Wind ins Gesicht wehen, schaue ueber das tiefe Land, den See, die Paviane bellen zum Sammeln, irgendwo hier oben verbringen sie gemeinsam die Nacht. Wir verpassen den letzten Bus, es dauert eine Weile, bis uns eine kleine Familie auf der Ladeflaeche ihres 4x4 mitnimmt. In der Dunkelheit erreichen wir das Haus von Peter und Mary. Peter hat uns bereits aus Sorge gesucht und ist die Strecke mit seinem Wagen abgefahren. Aber entgegen allen Befuerchtungen: wir fuehlen uns sicher in Zim. geschrieben am 26.8. in Lilongwe
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