Home Page english version deutsche Version

  Worum es geht...
  Highlights der Reise
  Ueber Harald Radtke
  Zeitungsartikel

  Tagebuch (952 Eintr.)
  Lesermeinungen
  Leseproben
  Reiseroute
  News Archiv

  Pamphlet zur Faulheit

  Laenderinformationen
  Literatur

  Kontaktformular
  Mediainfo/Fotos
  Impressum


Reisetagebuch

7/30/2005   Zimbabwe / Masvingo

Mein Hemd von Loewen zerrissen (Die Goldenen Vier)

...das glaubt mir kein Mensch!

(Harald) (Ich habe ein Hemd im Gepaeck, dass mir am Koerper von Loewen zerrissen wurde. Wenn ich dass unterwegs jemandem erzaehle, lacht mich jeder aus. Aber es ist wahr und das kam so:)

Rina und ihr Mann haben eine ganze Aufzucht von Loewen jeden Alters, insgesamt etwa 70 Tiere. Als ich Rina erzaehle, dass ich gerne mal mit groesseren Loewen frei umgehen moechte, laedt sie mich ein, dies heute zu versuchen. Ich bin aufgeregt, wie ein Junge zu Weihnachten.

Mary und ich fahren zu Rinas Farm und gemeinsam gehts raus zur Aufzuchtstation. Grosse Gehege reihen sich da aneinander, die schoensten Wildgehege, die ich je gesehen habe. Grosszuegig, mit kleinem Huegel darin, runden Felsen, auf denen die Loewen gerne Ausschau halten, Schattenplaetze unter Akazien und zwischen den riesigen Felsbloecken, Sand, in denen sich die Katzen waelzen koennen, um sich gegen Zecken u.ae. zu wehren, richtige Landschaftsausschnitte, ihren natuerlichen Habitaten gleich.

Die Loewen gestern waren drei Monate alt. Meine heutigen Spielpartner sind 6 Monate alt, gross wie Schaeferhunde, aber schwerer, mit Tatzen gross wie Handteller und Zaehnen lang wie kleine Finger. Und es sind nicht zwei, wie gestern, sondern vier.

Rina ruft die Bande zum Zauntor und vier freudig maunzende, aufgeregte Loewen erscheinen, reiben sich am Gitter, richten sich auf. Ich versuche ruhig zu bleiben, moechte nicht nach Adrenalin riechen. Rina geht schnurstracks ins Gehege, die vier Loewen freuen sich sichtbar ueber ihren Besuch. Ich hintendrein. Himmel, sind die gross! schiesst mir durch den Kopf. Jetzt nur keine Manschetten zeigen. Ich werde von den Goldenen Vier einfach mitbegruesst. Dieses Phaenomen kennt man ja aus der Fernsehsendung "Stars in der Manege": neben dem Dompteur, der als Rudelfuehrer respektiert wird, nehmen die Tiere fuer kurze Zeit auch eine zweite Person als Rudelfuehrer wahr.

Ich werde also sofort mit Beschlag belegt, harte, staubige Felle reiben sich erst an meinen Beinen ("wie Steiff-Tiere" schiesst es mir durch den Kopf) baertige Koepfe stossen mich an, ich greife herzhaft zu, hinein ins Fell, in die Nacken. Jetzt zieht sich Irina zurueck: "Die sind schon recht gross und ich bin nicht mehr die Juengste. Mach du mal!" sagt sie munter. Ich gehe in die Hocke, schaue in Gesichter, von denen ich nie im Leben gedacht haette, dass ich sie mal ohne Gitter zwischen uns, so nah vor mir sehen wuerde. Die Tiere richten sich auf, Irina versucht die Kontrolle zu bewahren, verscheucht immer wieder allzu heftige Raufer, aber dann sind alle Vier um mich, auf meinen Beinen und dann werfen sie mich um, Mary macht Fotos und lacht unsicher, sie traut sich nicht naeher. Und dann passierts: einer der 40-kg-Brummer springt mir ins Kreuz, beisst in mein Hemd-ratsch! und mein Hemd haengt in Fetzen. Und, ganz ehrlich, ich bin nicht beunruhigt, denn die Grosskatzen verhalten sich wie Hauskatzen, sie spielen, beissen in meine Haende, Arme, aber sie wollen nicht verletzen und sobald man erkennen, hoeren laesst, dass es genug ist, springen sie zurueck. Es ist schon ein seltsamer Anblick, seinen Arm im Maul eines Loewen verschwinden zu sehen, seinen Atem zu riechen. Meine Balgpartner haben keine Scheu wie die Dreimonatigen gestern. Ich greife nach Beinen, nach wedelnden Schwaenzen. Jetzt lecken sie meinen Schweiss, mein Gesicht, meine Stirn...Autsch! Das tat weh und spaeter stellt sich heraus, dass sie meine Haut auf der Stirn regelrecht abgeleckt haben. Die Zungen sind rauh wie Schleifpapier 150er Korn und so wirken sie auch. Tagelang heilt meine rosa Unterhaut danach.

Ich grinse die ganze Zeit, ich mag nicht aufhoeren, was fuer ein "umwerfendes" Erlebnis. "Es ist moeglich! Es ist moeglich!" geht mir immer wieder durch den Kopf. Wir haben das Paradies ja gar nicht verloren, wo wir Menschen mit allen Tieren Freund waren. Samsons Geschichte ist wahr. Ich verstehe Siegfried und Roy voellig. "Frei-geboren-Elsa" laesst gruessen.

Ich weiss nicht, wie lange es dauert. Aber das koennte ich jeden Tag tun.

Ueber unseren Koepfen turnt ein kleiner Blauaffe, aufgeregt keckernd. "Der sieht sich als Beschuetzer der Vier" klaert mich Rina auf. Ein Affe als Beschuetzer von Loewen? Ich mache die Probe, aergere einen Loewen und tatsaechlich bleckt der Affe seine Zaehne und reisst die Augen auf, stuerzt auf mich herunter und droht mir, indem er mit seinen Armen auf den Ast stoesst. Unglaublich! Wie kann einen Affe einen seiner Todfeinde lieben. Lieben? Ja, was sonst ist denn Beschuezterinstinkt wenn nicht Liebe?

Wer von meiner Begegnung mit der Gepardin in Kenia gelesen hat, weiss, dass diese schnurren wie Rasenmaeher. Aber Loewen (und Leoparden) schnurren nicht, sie maunzen, eine freundliche Variante ihres Bruellens.

"Mal sehen, ob wir zu den Einjaehrigen koennen" lockt mich Rina. Was? Fast ausgewachsene Loewen? Ich bin Feuer und Flamme. Bis ich die Tiere sehe. Im Gehege stehen elf Loewen zwischen 12 und 14 Monaten alt, jeder 70-100 kg schwer. Und ich will da rein. Wirklich. Mir steht der Schweiss diesmal unvermeidlich in den Handflaechen. Jeder dieser Kameraden toetet dich mit einem Biss. 100 Kg Zaehne, Krallen, Muskeln pur, schnell wie kein Mensch sein kann. Ich will da rein!

Aber Rina hat keine Schluessel und der Pfleger ist nicht in der Station. Wir warten eine Stunde, aber die Chance verfliegt. "ich geh zu denen nicht mehr gerne rein, ich steh da nur noch am Gitter, die sind zu schwer und werfen mich um. Mein Mann spielt noch mit denen", erklaert Rina. Die Tiere legen sich alle nebeneinander an den Zaun, ein Spalier von elf Loewen, gross wie Bernhadiner. Einige maunzen freudig, ich setze mich an den Zaun, streichle sie, das Kinn, die Schnauzen, sie versuchen meine Haende zu packen, aber ohne Krallen auszufahren, ganz freundlich.

Mary und Rina lassen mich mit den Loewen alleine und ich sitze beim Rudel, geniesse einfach die Anwesenheit der Tiere.

Rina fuehrt uns zu den ausgewachsenen Tieren. "Wir haben drei ausgewachsene Kater aus Tansania bekommen. Die haben wir zu drei Weibchen ins Gehege gelassen. Binnen 10 Minuten waren die alle tot. Die viel staerkeren Kater haben sich sofort auf die Katzen gestuerzt, jeder auf eine, und sie unverzueglich erledigt." Da sitzen die Killer. Rina ruft sie beim Namen, sie hat sie grossgezogen. Aber keiner der Kater reagiert noch auf seinen Namen und die einstmals so vertrauten Locklaute. "Die sind schon zu verwildert" sagt Rina. Einem Kater, Rinas Liebling Archibald, hat ein Konkurrent aus dem Nachbargehege den Schwanz abgebissen. Was fuer ein Riese, eine Maehne gross wie ein Sofasessel. Kater werden bis zu 280 kg schwer und sind, nach den Sibirischen Tigern, die groessten Katzen der Welt. Ihre schiere Groesse, die Haerte der Koerper, die brettharten Muskeln, die gebogenen Reiszaehne lang wie Mittelfinger, die messerscharfen Krallen in maennerhandgrossen Tatzen, das Maul, gross genug deinen ganzen Kopf zu verschlucken, all das ist furchteinfloessend und macht sie zu den wahren Koenigen der Tiere. Ihre ansatzlose Schnelligkeit, explosive Kraft, sind die Herausforderung fuer jeden Jaeger. Solche Kraft zu toeten hebt dich. Mit einem Gewehr mit Zielfernrohr, vielleicht aus einem Auto heraus, ist das wie Tontaubenschiessen. Aber die Samburu-Morani toeteten Loewen mit Speeren und ihren Schwertern. Solchen Mut kann man sich angesichts dieser Kreaturen kaum vorstellen. Heute zahlen reiche Freizeitjaeger 40.000 Dollar und mehr (Geruechte sprechen von illegalen Jagden fuer 80.000 Dollar!) fuer die Abschusslizenz eines erwachsenen Loewen. Dabei sind die Loewen vom Aussterben bedroht. Gab es einstmals Loewen in Europa und Asien und noch 1985 etwa 230-250.000 in Afrika, sind es heute weniger als 17.000 und die Zahl nimmt rapide ab.

Die einzige Hyaene in der Station ist leider zu scheu, um sich anfassen zu lassen und lugt nur misstrauisch auf mich.

Wir fahren in die Stadt zurueck. Ich bin voller Freude, tief beeindruckt. In einer Galerie schaue ich mir Rinas Oelbilder an: da ist Archibald und dort der kleine Affe. "Den habe ich schon oft gemalt" lacht Rina. Wir danken ihr fuer dieses unersetzliche Erlebnis. Ein Loewe in einem Kaefig mit Betonboden, fern seiner Heimat, seines Klimas und natuerlichen Umgebung kann eine solche Begegnung nicht ersetzen.

geschrieben am 10.9. in Iringa


 


  Team Login

© biketour4goodhope