8/2/2005 Zimbabwe / Masvingo
Der beste Fisch und der beste Gast...
...haben eines gemeinsam:
(Harald) Sie stinken nach drei Tagen. Das ist ein arabisches Sprichwort. Und ich bin schon mehr als drei Tage bei Peter, Paul und Mary zu Gast. Am heutigen Sonntag sind wir zu Gast bei Marys Eltern. Peter aber ist zum Arbeiten gekommen. Heute stehen Kastrationen auf dem Programm. Eine Arbeit die er nicht gerne macht, denn sie ist blutig und er hat schon Bullen verloren, weil er die Blutungen nicht stoppen konnte. Meine Rueckenschmerzen lassen mich steif wie einen Pinocchio umherwandeln. Trotzdem lasse ich mir die Operationen nicht entgehen. Marys Vater empfielt Peter ein Betaeubungsmittel zu verwenden, aber Peter sagt, dass sei schwer zu beschaffen und teuer und er brauche es fuer andere Zwecke. Aber was ist schmerzhafter fuer die Tiere als eine Kastration? Wie der Schwiegervater, so spricht auch Peter Shona. Waehrend er sein OP-Besteck aus einer kleinen Holzkiste packt, die wie ein Naehkaestchen aussieht, erklaert er mir, warum er kastriert. "Siehst du den Bullen dort? Der bespringt die Kuehe den ganzen Tag, dass ist sein Testosteron, der kann nicht anders. Die Kuehe kommen nicht zum Grasen, werden umhergejagt und magern ab und das kostet mich Geld. Der Bulle verausgabt sich ebenfalls voellig. Ich halte ein paar Zuchtbullen, der Rest wird kastriert." Gesagt, getan. Die Bullen werden in ein enges Gatter getrieben, indem sie sich nicht mehr drehen koennen, der Kopf wird eingeklemmt, ein Hinterbein von drei Maennern an einem Seil langgezogen, ein Vorderbein festgebunden. Peter hockt sich hinter das Tier und schneidet zuegig. Binnen 10 Minuten liegen die faustgrossen Hoden auf einem Zaunpfahl und Peter vernaeht die Adern. Seine Hand zittert, er schwitzt. Der Bulle verharrt den Grossteil der Prozedur mit verdrehten Augen fast unbeweglich. Dann faengt er an zu treten, bricht ein, die Wunde wird schmutzig und Peter waescht sie mit Wasser aus. Ich bin mit Blut und Dung bespritzt, ueberall sind Fliegen. Drei Bullen sind es heute. Dann schient Peter das gebrochene Bein einer Kuh. Er legt drei Latten an das Bein und umwickelt einfach alles zigfach mit Malerkreppband. "Das klappt oft und die Kuh kann dann noch Gewicht zulegen und bringt mehr Geld." Es gibt auch mehrere Kuehe mit amputierten Laeufen. Die brechen z.B., wenn die schweren Bullen die zu jungen Tiere bespringen oder zwei tun dies gleichzeitig. "Wenn ich die sofort zum Schlachten verkaufe, sind sie zu mager. Ich fuettere sie ein paar Monate und dann bringen sie mir viel mehr. Amputieren ist nicht so schwer, wie es sich anhoert. Das geht fast leichter als Kastrieren." Wenn man das Elend einer Kuh sieht, die nur noch einen Hinterlauf hat, mag man dem finanziellen Argument nicht folgen. Aber Viehzucht ist Business. "Keine meiner Kuehe wird alt", lacht Peter. "Wir kommerziellen Farmer erzeugen ein Vielfaches an Fleisch, was die Kleinbauern schaffen. Wir sorgten fuer Export und damit fuer Steuern und auslaendische Waehrungen, wie z.B. den S.A. Rand. Das Gleiche gilt fuer Milch, Kaese, Joghurt, denn unsere europaeischen Kuehe geben viel Milch, muessen aber speziell gefuettert und viel getraenkt werden. Sie sind anfaellig gegen Zeckenkrankheiten usw. Das alles kriegen die Kleinbauern nicht hin. Jetzt gibt es kaum noch Kaese. Und mit Getreide, Gemuese, Tabak etc. ists dasselbe. Es wird auf den von den Veteranen besetzten Farmen kaum noch was angebaut, erzeugt und wenn doch, wirds ins Ausland verscherbelt, um fremde Waehrungen zu haben und im Land gibt es nichts mehr." Peter hat recht. Selbst fuer Zucker stehen, in einem Land das Zucker anbaut, in Masvingo 300 Leute an, fuer Salz, fuer Oel, fuer Benzin, ja selbst fuer Mais. Die Versorgungslage ist katastrophal und ohne die gigantischen Hilfslieferungen der EU u.a., die ein Drittel der Bevoelkerung ernaehren (!), braeche laengst Hunger aus. Trotzdem wettert Mugabe gegen die Sanktionen der EU, weil er den Volkszorn umleiten muss, der ihn sonst seinen Kopf kosten wuerde. Abends rufe ich in Deutschland an. Christina ist wohlbehalten in Deutschland angekommen. Da die S.A. Airline bis vorgestern bestreikt wurde, dauerte die Rueckreise laenger. geschrieben am 10.9. in Iringa
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