Zeitungsartikel

Wer auffallen will, muss auf den Knien rutschen
Einen Kurzurlaub von Afrika goennt sich Harald Radtke. Fuer die letzten 3500 Kilometer sucht er fuer "action medeor" noch Unterstuetzung
Von Alexander Alber
Mit 84 Kilogramm Koerpergewicht, einem bestens ausgestatteten Mountain-Bike und einer Begleiterin war der fruehere Krefelder Geschaeftsinhaber Harald Radtke am 25. Juli 2002 zu einer 20.000-Kilometer-Tour nach Kapstadt aufgebrochen- die WZ berichtete damals. 29 Monate spaeter hat er die "20.000 locker runter, ohne bisher in Kapstadt gewesen zu sein. Die Distanz ist geschaetzt, denn der Tacho ist laengst geklaut. Radtke wiegt jetzt elf Kilo weniger und ist solo. Die Begleterin hat sich in Addis Abeba einem anderen Afrikaradler angeschlossen, strampelt derzeit durch Namibia. Seinen schoenen stossgedaempften Drahtesel ist er auch los: Ueberfall am hellichten 14. Dezember in enem Park voller Menschen in Johannesburg, Suedafrika.
Syrien und Sudan: Geheimtipp fuer Radler?
Der Mann muss absolut unwirtliche Pisten und Regionen durchquert haben, wenn er zweieinhalb Jahre nach seinem Start Syrien und den Sudan einen "Geheimtipp fuer Radfahrer" nennt. Und zwar im positiven Sinne. Was ihn mit Iglu-Zelt und Drahtesel durch Suedeuropa, die Tuerkei, den Vorderen Orient auf den Schwarzen Kontinent trieb, kann der 46-jaehrige nur schwer in Worte fassen: Mit seiner Arbeit sei er damals nicht so ganz zufrieden gewesen, auf einer Urlaubsreise habe er Suedafrika, speziell Kapstadt kennen und lieben gelernt. Ein schwarzer Mischlingshund schloss sich dem Paar in der Tuerkei an. Schliesslich reiste der Hund in einem Anhaenger bis Aegypten mit. Sogar die aegyptische Grenze durfte er passieren. Von Kairo aus wurde der Vierbeiner nach Deutschland ausgeflogen. Inzwischen ist er tot: vergiftet.
War nicht in Lalibela und in der Serengeti
Die kommerziellen oder historisch interessanten Destinationen, wenn sie - wie Ephesus in der Tuerkei - nicht gerade direkt am Weg lagen, hat er ignoriert. "Ich wollte nicht touristische Ziele abhaken." So war er nicht in Lalibela (dem aethiopischen Ort mit den beruehmten Felsenkirchen), nicht in der Serengeti, nicht im Ngorongo-Krater, nicht auf dem Kilimandscharo. Eine Trekking-Tour auf den Mount Meru in Kenia war die preiswerte Alternative. Auf einen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde hatte er es nie abgesehen. Den heissen Norden Kenias durchquerte er mit einer Horde semiprofessioneller Radfahrer aus Europa und den USA, die Kairo - Kapstadt in 100 Tagen "machen" wollten. Harald Radtkes Erkenntnis: "Wer wirklich auffallen will, der muss schon rueckwaerts auf den Knien durch den Kontinent rutschen." Ob Schub- oder Eselkarre, Moped oder aufgemotzter Unimog - der Afrika-Fahrer von heute ist mit vielerlei Geraet auf Achse.
Korruption, Hass auf Andersglaeubige und speziell Amerikaner, Rassismus gegenueber Weissen und anderen Staemmen, herzliche Freundschaften am Strassenrand und in Internet-Cafes - davon kann Radtke Litaneien singen. Allein fuenf Monate war er in Aegypten. Seine knappe Einschaetzung: "Ein Pulverfass." Zu den kleinen Freuden in Kairo gehoerte der Burger in einer Fastfood-Kette.
An der Grenze Simbabwe/Mosambik, wo die Regenzeit heftig einsetzte, hat der Krefelder seine Tour unterbrochen: "Ich wollte nicht noch ein drittes Weihnachtsfest von zu Hause fernbleiben." Zum zweitenmal nach der Faehre ueber den Nasser-See (fuer das Permit der Fahrt nach Abu Simbel, nahe der Grenze, musste er die aegyptische Touristenpolizei elfmal aufsuchen) nahm er oeffentliche Verkehrsmittel: LKW und Bus brachten ihn und sein Rad nach Johannesburg. Drei Tage vor Heiligabend nahm er Urlaub von Afrika.
Durch den Nebel von Krefeld nach Vorst
Und an diesem Morgen radelt der Afrika-Bummler von der elterlichen Wohnung an der Moeser Strasse durch den niederrheinischen Nebel nach Vorst. Hier ist "action medeor", das bekannte Medikamentenhilfswerk, beheimatet. Den ersten und langen Teil der Reise seines Lebens hat Harald Radtke der Aktion "Menschen fuer Menschen" von Karlheinz Boehm gewidmet. Wer seine Internetseite anklickte, wude um eine Spedne gebeten. Die letzte, voraussichtlich 3500 Kilometer lange Etappe stellt er in den Dienst eines Projektes von action medeor, dem Hokisa-Waisenheim im Kapstaedter Township Masiphumele.
Das Heim bietet Aids-Waisen, die selbst infiziert sind, ein menschenwuerdiges Zuhause. Gegruendet wurde das Projekt vom niederlaendischen Kinderbuchautor Lutz Van Dijk ("Die Geschichte Afrikas"). Ruediger Sornek, Leiter der medeor-Offentlichkeitsarbeit, und seiner Kollegin Angela Zeithammer schwebt so etwas wie ein "Kilometer-Sponsoring" durch Schulen in Krefeld und Umgebung vor: "Wenn jeder Kilometer einen Euro braechte, dann waere das schon toll."
Uebermorgen sitzt Harald Radtke wieder im Flieger, der ihn via Windhoek nach Johannesburg bringt. Von "Jo-burg" geht es zurueck zu der Stelle, wo er seine Tour unterbrochen hat. Dann steht Pretoria auf dem Tourplan und noch einmal ein kurzer Abstecher nach Mosambik locker 500 anfangs langweilige, spaeter huegelige Kilometer. Von grenznahen Hauptstadt Maputo will der Krefelder dann die suedafrikanische Kueste "auf schmalen Reifen" abreissen. "Zu Ostern moechte ich Kapstadt erreichen". Dort wird er Dr. Jacka besuchen, den Arzt des Waisenheims, der gerade eine Schussverletzung auskuriert.
Was Harald Radtke danach macht? "Sicher eine Reise nach Italien." In die Naehe von Venedig hat er zwei aethiopische Waisenmaedchen vermittelt. Er will auch Karlheinz Boehm treffen. Einladungen hat er weltweit so zahlos, dass er eigentlich nur noch unterwegs sein koennte.
Das mit Fotos und Links angereicherte Tagebuch von Harald Radtke bietet fuer Stunden Lektuere im Internet: www.biketour4goodhope.de
Info Hokisa: Aids ist DIE afrikanische Katastrophe. Allein in Suedafrika gibt es eine halbe Million Aids-Waisen. Das Hokisa-Home in Masiphumele wurde am Welt-Aids-Tag 2002 von Bischof Desmond Tutu eroeffnet. "Action medeor" in Vorst unterstuetzt das Heim regelmaessig mit Medikamenten. Ein neues Aids-Mittel soll jetzt in Suedafrika hergestellt werden. Unter der Projektnummer 600 000 24 kann Hokisa ueber das medeor-Konto 555 555 555 bei der Volksbank Krefeld (BLZ 320 603 62) unterstuetzt werden.


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